Eine jüdische Familie im New Yorker Stadtteil Queens der 1930er Jahre: Die Mitglieder der Großfamilie leben alle gemeinsam unter einem Dach und das in einfachen Verhältnissen. Mit den täglichen Radiosendungen, den Krimis und Kochsendungen, der Musik und dem Sportprogramm, entfliehen die Familienmitglieder dem Alltag, das Radioprogramm ist ein wesentlicher Fixpunkt in der Freizeitgestaltung aller. Sie kennen alle Geschichten über die namenhaften Radiostars, so auch über den steilen Aufstieg einer einfachen Kellnerin, gespielt von Mia Farrow, die gern zum Radio gehen wollte.
Woody Allen entführt seine Zuschauer mit seiner nostalgischen Komödie in eine Zeit, in der das Fernsehen und das Internet im Alltag der Menschen noch keinen Platz einnahmen, in der das Radio das Medium war, das Eskapismus ermöglichte und die Fantasie der Menschen beflügelte, in der die großen Stimmen mindestens ebenso bekannt waren, wie die populären Gesichter und die Bilder zu den gesendeten Geschichten vornehmlich in Köpfen der Menschen entstanden.
Und Woody Allen macht das in einer gewohnt unbeschwerten Art und Weise. Er präsentiert uns eine sympathische, einfache Familie, erzählt viele kleine Episoden, die teilweise zum Nachdenken über den eigenen Medienkonsum bzw. die Mediengesellschaft im Allgemeinen anregen oder einfach nur auf eine witzige Pointe hinauslaufen. Parallel berichtet er vom Aufstieg einer einfachen Kellnerin zu einem der größten Radiostars New Yorks. Unterlegt von lockerer, stilsicher ausgewählter Musik und bebildert mit schönen Einstellungen von New York, die stimmig zum historischen 30er-Jahre-Flair des Films passen, ist „Radio Days“ dabei pure Nostalgie, ein sehr schönes, liebenswertes Zeitportrait mit interessanten Geschichten und Anekdoten.
Allen garniert seinen Film mit witzigen Dialogen und anderen amüsanten Momenten, verzichtet aber weitestgehend auf die beißende Ironie, den Zynismus anderer Werke, was in diesem Fall aber sehr passend ist. Der Film ist mit seinen liebenswerten Figuren nämlich auch so witzig und kurzweilig, dafür aber umso sympathischer. Das ist auch den guten Darstellern geschuldet, die diese Figuren gelungen verkörpern und Allens witzige Dialoge authentisch auf die Leinwand bringen. Mit Dianne Wiest, Jeff Daniels und Mia Farrow ist der Cast ja auch durchaus namenhaft besetzt. Neben den Darstellern ist auch die Erzählperspektive gut gewählt, die ganz offensichtlich autobiographische Züge trägt und einen interessanten Zugang zum Geschehen eröffnet. Die Episoden werden vom jungen Sohn der Familie erzählt, dessen unbedarfte Erzählweise und Kommentierungen einen interessanten und gleichzeitig sehr intimen Zugang zum Geschehen eröffnen.
Allen entführt seine Zuschauer aber auch in eine Zeit, die es so ganz offensichtlich nie gegeben hat. Bei aller Nostalgie blendet der Regisseur und Autor des Films die Probleme der Zeit aus, deutet den zweiten Weltkrieg oder den Angriff auf Pearl Harbor lediglich an. Auch die Nachwirkungen der Weltwirtschaftskrise sind kaum noch zu spüren. Die Radiomeldung, dass ein kleines Mädchen in einem Brunnen ertrunken ist, scheint die Protagonisten deutlich stärker zu erschüttern als der barbarische Krieg auf dem alten Kontinent. Ebenso wird die prekäre finanzielle Situation der Familie nicht weiter thematisiert. So wirkt die Zeit, die Allen seinen Zuschauer präsentiert, deutllich verklärt, was einerseits den Reiz der nostalgischen Komödie ausmacht, andererseits aber auch immer den Eindruck erweckt, dass zum stimmigen Zeitportrait noch etwas fehlt. Außerdem kommt Allens Komödie bei der episodenhaften, lockeren Erzählweise ein klarer Höhepunkt, ein Moment, der wirklich nachhaltig in Erinnerung bleiben würde, abhanden, sodass „Radio Days“ letztendlich dann doch nicht vielmehr liefert, als einen schönen, kurzweiligen Kinoabend. Aber das ist doch auch schon was.
Fazit:
„Radio Days“ ist ein nostalgisches Portrait aus der Hochzeit des Radios, eine sympathische Komödie, die mit einigen interessanten und witzigen Episoden gelungene Unterhaltung garantiert. Stören kann man sich jedoch an Woody Allens allzu verklärtem Blick auf die Zeit.
70 %