Steven Soderbergh galt eine lange Zeit als Regie-Wunderkind. Noch bevor sein ambitioniertes Projekt „Solaris“ zu Recht floppte, waren seine Filme sowohl künstlerische als auch finanzielle Erfolge. „Erin Brockovich“ fällt in genau diese Phase. Der Film ist übrigens im selben Jahr erschienen, wie „Traffic“ und für beide Filme war er für einen Oscar als bester Regisseur nominiert. Gewonnen hat er ihn für „Traffic“, doch verdient wäre er für „Erin Brockovich“ allemal!
Soderbergh nahm sich eines realen Falles an, indem er der Hauptperson dieses Umweltskandals ein Denkmal setzte. Julia Roberts spielt die namensgebende Erin Brockovich und lieferte eine der überzeugndsten Leistungen ihrer Karriere ab. Sie verband ihren Charme und ihr gutes Aussehen sehr schön mit der Arbeiterattitüde ihres realen Vorbildes. Auf ihre ganz eigene Art deckt sie einen Umweltskandal auf, der immer größere Kreise zieht. Bekommt man die echte Erin Brockovich zu Gesicht, muß man vor Julia Roberts den Hut ziehen. Dass sie ihr durchaus ähnlich sieht, ist sicherlich nicht ihr Verdienst (da kann eher der liebe Gott Credits einheimsen), doch trifft sie die burschikose Art ihres Vorbilds ziemlich perfekt. Auf der DVD des Films ist ein Interview mit der echten Erin Brockovich zu sehen, das zeigt, dass Julia Roberts eine perfekte Besetzung dieser Rolle ist. Gerade für Julia Roberts ist die Rolle der Erin Brockovich eine nette Abwechslung, schließlich ist ihr Schaupiel, vor allem in den letzten Jahren, nicht das abwechslungsreichste (man betrachte z.B. „Ocean’s 11“ oder „Notting Hill“). Da kam ihr die Rolle einer einfachen Heldin aus Amerikas Unterschicht nur Recht. Selten sah „White Trash“ so gut aus, wie hier.
Auch die anderen Darsteller aus Soderberghs Biopic können sich sehen lassen. Albert Finney, den man zuletzt in Tim Burtons „Big Fish“ noch in guter Erinnerung hat, spielt hier den Anwalt, der Miss Brockovich erst widerwillig einstellt, ihr dann aber den Fall seines Lebens verdankt. Die Chemie zwischen Finney und Roberts funktioniert gut. Ihre Eskapaden und ihr freches Mundwerk zerren sichtlich an den Nerven seines Charakters, doch schon bald zeigt sich bei ihm eine Menge Respekt vor der hart arbeitenden Frau, die auch noch drei Kinder ihr Eigen nennt. Diese Wandlung dokumentiert der Film sehr schön und wird von Finney auch sehr subtil dargestellt. Vieler Worte bedarf es dazu nicht unbedingt. Oft reicht einfach ein Blick, der zeigt, dass er seine Proll-Sekräterin/Assistentin schätzen gelernt hat. In diesem Zusammenhang ist am Ende des Films eine sehr schöne Szene zwischen den beiden erwähnenswert, in der es Finney schafft, Roberts wirklich (und zum ersten Mal) sprachlos zu machen. Diese Szene ist die Essenz der Beziehung zwischen den Beiden. Auch das reale Vorbild von Finneys Charakter kommt in dem Bonusmaterial zu Wort. Wieder wird das gute Händchen beim Casting dieses Filmes deutlich. Finney ist nicht nur ein toller Schauspieler, er kommt dem Original auch optisch sehr nah. Auch Aaron Eckhart ist in einer schön differenziert gespielten Rolle zu sehen. Äußerlich ein typischer Biker mit Ecken und Kanten, innerlich ein liebender und gefühlvoller Mann. Dies wird vor allem in den Szenen deutlich, in denen er sich von seiner Geliebten vernachlässigt fühlt. Da sitzt ein harter Biker mit traurigem Blick auf dem Bett und hat Tränen in den Augen. So hat Schauspiel auszusehen. Klischees sind dazu da, um umschifft zu werden. Soderbergh und seiner Crew gelingt dies in „Erin Brockovich“ zweifellos!
Die Inszenierung Soderberghs wirkt leicht und federnd. Oft hat man den Eindruck, einer luftigen Komödie zu folgen. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Film den wahren Fall eines Umweltskandals nachzeichnet, ist es Soderbergh meterhoch anzurechnen, dass er es schafft, aus den durchaus drögen Fakten unterhaltendes und auch aufheiterndes Kino zu machen. „Kopf hoch“ ist die Message, die der Film verbreitet. Man soll nicht aufgeben und muß für Gerechtigkeit kämpfen. Soderbergh war in seinem Film zudem bemüht, die Fakten nicht zu verdrehen. Zu leicht werden aus korrupten Industriellen gottlose Teufel. „Erin Brockovich“ hat den Anspruch, sich an den wirklichen Geschehnissen zu orientieren. So flog eine Szene aus dem Film, die sich zwar so zugetragen hat, doch in dem Film perspektivisch anders aussah: Brockovich fährt zu dem Brunnen in der Nähe der Fabrik und stochert mit dem Schuh im Sand herum, dabei kommt eine grünliche Substanz an die Oberfläche. Die Szene flog aus dem Film, weil sie sich in Wahrheit näher an der Fabrik, als im Film dargestellt, abgespielt hat. Wer aus diesem (scheinbar nichtigen) Grund eine durchaus bemerkenswerte Szene schneidet, der vefälscht auch keine Tatsachen für den Film. Insofern ist „Erin Brockovich“ nicht nur unterhaltsam, sondern auch authentisch.
Zwar ist der Film mit einer großen Leichtigkeit inszeniert, doch kommen bei solch einem Sujet auch schwierige Themen vor. So beweist der Film große Einfühlsamkeit beim Portraitieren der Chrom-Opfer. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Figur der Marg Helgenberger, die aufgrund des gefährlichen Chrom 6 im Laufe des Filmes eine Brustamputation und eine Gebärmutterentfernung über sich ergehen lassen muß. Ohne unnötig auf die Tränendüse zu drücken umschifft der Film viele Gefahren und geht höchst angemessen mit diesem Thema um, ohne das große Ziel eines unterhaltenden Filmes aus den Augen zu verlieren. Stilistisch nimmt sich Soderbergh zurück. Statt möglichst cooler Bilder (z.B. „Ocean’s 11“) oder einer stringenten farblichen Gestaltung der Bilder („Out of Sight“) stehen hier die Geschichte und die beteiligten Akteure eindeutig im Vordergrund. Dieses Zurücknehmen des Regisseurs tut dem Film gut, es lässt ihm in den entscheidenden Momenten Luft, um sich zu entwickeln.
Nachdem man sich „Erin Brockovich“ angesehen hat, muß man nicht nur vor der realen Hauptperson den Hut ziehen. Auch Regisseur Soderbergh gebührt Lob, ebenso wie den beteiligten Schauspielern. Der Film bildet eine gekonnte Mischung aus Gefühlskino, Anspruch und Abbildung der Realität. Die Lektion ist zwar keine neue, aber immerhin aus dem Leben gegriffen und so fundamental, dass sie durchaus ihre Berechtigung hat, auch wenn viele Filme sie transportieren: „Ein Einzelner kann sehr wohl viel erreichen!“. Auf der anderen Seite stärkt der Film den Argwohn gegenüber großen Unternehmen, die immer zuerst auf den eigenen Profit achten. Von daher ist die Geschichte der „Erin Brockovich“ es wert, erzählt zu werden. Wenn dies auf eine so sympathische Art und Weise geschieht, wie es hier getan wurde, entsteht ein Film, den man sich auch durchaus auch mehr als einmal anschauen kann. Statt seine seichten Heist-movies rund um Danny Ocean ein ums andere Mal aufzuwärmen, sollte sich Soderbergh mal wieder auf alte Stärken verlassen und sich seinen eigenen Film nochmals anschauen, denn eine gewissen Seelenlosigkeit kann man den „Ocean’s“-Filmen nicht absprechen. Ganz im Gegensatz zu „Erin Brockovich“, der neben viel Charme eben auch Seele anbieten kann!
Fazit:
9 / 10