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Regisseur John Woo („Blast Heroes“) gilt als der Actionfilm-Experte Hongkongs. Mit seinem 1989er Werk „Blast Killer“ sah ich mir erstmals einen seiner berüchtigten In Heroic-Bloodshed-Filme an, einem von ihm mitbegründeten Subgenre, in dem „sentimentale Geschichten mit opernhafter Gewalt verbunden [werden].“ (Wikipedia) Als Einflüsse gelten Sam Peckinpah und Jean Pierre Melville.

Der professionelle Auftragskiller Jeff (Chow Yun-Fat, „Hexenkessel Saigon“) hat von seinem Beruf die Schnauze voll, seit er in Ausübung seiner Tätigkeit versehentlich die Sängerin Jennie (Sally Yeh, „Man stirbt nicht zweimal“) so schwer an den Augen verletzte, dass diese erblindete. Er plant, ihr das Geld für eine Augenoperation aufzutreiben, wofür er einen letzten Auftrag annehmen muss: Er soll ein Attentat auf den Mafiaboss Tony Weng (Ip Wing-Cho, „Spooky, Spooky“) verüben. Der Auftraggeber ist Wengs Neffe Johnny (Shing Fui-On, „Hard-Boiled II“). Nachdem das Attentat vollzogen wurde, ist Inspektor Li (Danny Lee, „Road Warriors“) Jeff auf den Fersen. Je näher Li an Jeff herankommt, desto besser lernt er ihn kennen – und schließlich zu schätzen. Er entwickelt Sympathie für den trotz seines Jobs auf gewisse Weise ehrenhaft agierenden Mann – und stellt sich mit ihm zusammen schließlich gegen den zahlungsunwilligen Johnny, der mithilfe seiner Mafia Li umzubringen versucht. Mittendrin: Sängerin Jennie, die mit Jeff angebändelt hat, ohne zu ahnen, dass er für ihre Erblindung verantwortlich ist…

„Behalte immer eine letzte Kugel – entweder für dich oder für den anderen.“ (schöner Kalenderspruch)

John Woo erzählt die Geschichte einer ungewöhnlichen Männerfreundschaft in Form eines melodramatischen Actiondramas und klopft dabei gehörig aufs Mett – quasi von allem gibt es hier mehr als in anderen Filmen westlicher Sehgewohnheiten: Eine durchaus anrührende Hintergrundgeschichte, viel Pathos, vor allem aber Action, bis die Schwarte kracht: Durchchoreographierte blutige Schießereien mit nie leeren Schnellfeuerwaffen und Explosionen, die gern anheimelnd atmosphärische, melancholische oder romantische Szenen kontrastieren, indem sie sie jäh unterbrechen. Diese aufwändigen Arrangements werden zugleich in ihren exorbitanten Materialschlachten und ihrer minutenlangen Auswalzung zum selbstzweckhaften Herzstück des Films sowie dramaturgisch perfekt und zielführend eingesetzt, um die Handlung voranzubringen, die sich von Konflikt hangelt, ohne dabei zu vergessen, eine Geschichte zu erzählen.

So interesseweckend die Ausgangssituation und der weitere Verlauf der Beziehung zwischen Jeff und Jennie auch sind, so übertrieben pathetisch mutet letztendlich die Verbrüderung Lis mit Jeff, auf die die Handlung hinausläuft, an. Die Überbetonung des zwischenmenschlichen Wertkonservatismus um Gangsterehre, Moral, Menschlichkeit, Brüderlichkeit und Vertrauen sowie Lis persönliche Auseinandersetzung mit seiner Schuld und seiner Sehnsucht nach Erlösung, Sühne, Vergebung, hat dann tatsächlich etwas Aufgesetzt-Opernhaftes, so dass mir hier etwas mehr Understatement lieber gewesen wäre. Dieser Eindruck wird von – indes sehr beeindruckenden – symbolträchtigen Drehorten wie einer Kirche voller brennender Kerzen verstärkt.

Auch außerhalb dieser geizt „Blast Killer“ nicht mit toller Ausstattung, satter, schöner Farbgebung und ästhetischer Musik. Weitere Actioneinlagen wie Verfolgungsjagden zu Wasser und per Kfz lockern die Ballerorgien zusätzlich auf. Letztgenannte fordern den Schauspielern bzw. den Stuntmen wahrlich einiges ab; allein schon aus diesem Grund fasziniert es ungemein, ihnen beizuwohnen. Leider jedoch kommt auch Woo nicht ohne One-Man- bzw. später Two-Men-Army-Quatsch aus, der es seine Protagonisten im Alleingang mit einer derartigen Übermacht aufnehmen lässt, dass man sich nicht einmal mehr ansatzweise einen gewissen Realismus herbeireden kann, der die Wirkung des Films jedoch verstärkt hätte. So bleibt der schale Nachgeschmack, dass man aus vermeintlich „normalen“ Menschen einmal mehr im Verlauf Superhelden machen musste, um mit seinem Guilty-Pleasure-Ballerfetisch doch noch bis zum angedachten Ende durchzukommen.

Das ist schon etwas schade und hätte der ansonsten schwer unterhaltsame Film meines Erachtens nicht nötig gehabt, im Gegenteil: Auch die schauspielerischen Leistungen der erfahrenen, namhaften Darsteller laden US- und Euro-Actiongülle gewohnte Genremuffel ein, vielleicht doch einmal dieses oder ähnliche Genrewerke aus Fernost anzutesten. Tatsächlich war „Blast Killer“ auch in westlichen Gefilden ein großer Erfolg und gelangte zu Kultstatus und einem zu filmischen Zitaten einladenden Einfluss.

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