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Ende der 80er Jahre hatte John Woo das Hongkong-Kino kommerziell und künstlerisch in seiner Hand. Mittels seiner Gangsterfilme "A Better Tomorrow" und der Fortsetzung machte er sich und den vorigen Soap-Opera-Darsteller Chow Yun Fat zu Stars. Woo drehte 1989 "The Killer". Sein universellstes Werk. Ein trauriger Heldenmarsch; ein letztes Hoch auf Freundschaft und Loyalität; aber auch eine bittere Abhandlung über Schuld und Sühne.

In "The Killer" spielt Chow Yun Fat seine Paraderolle. Der coole Auftragsmörder Jeffrey (im Original: Joe) ist die perfekte Tötungsmaschine. Kalt, gelassen und mit wahnsinniger Präzision schießt er sich durch ein Nachtlokal, um wieder einen Job hinter sich zu lassen. Doch diesmal läuft etwas schief. Während der Schießerei verwundet Jeffrey die Clubsängerin Sally (auch wiederum im Original: Jennie). Diese erblindet daraufhin. Obwohl Jeffrey Killer ist, steckt noch ein Fünkchen Moral in ihm. Er nimmt sich seinem unfreiwilligen Opfer an, verliebt sich in sie. Mit seinem letzten Auftrag will er genug Geld machen, um sich mit Sally nach Amerika abzusetzen, und ihr dort eine Augenoperation zu bieten. Doch alles kommt anders, als geplant, denn auch der Selbstjustiz-Cop Li (Danny Lee) ist hinter ihm her...

Hinter der sensiblen Geschichte, die immer durch sentimentale Musik untermalt wird, steckt einerseits eine tieftraurige Beobachtung der Wechselwirkung Freundschaft/Verrat, andererseits bietet sie Woo auch genug Platz, um seine exzessiven Shootouts zu filmen. In den Actionsequenzen entfaltet Woo dann seine endgültige Pracht. Wenn Chow Yun Fat tötet, dann werden aus den Szenen explosive Gemälde aus Blut und Kugeln. Heroisch und cool wird die Rolle des Jeffrey präsentiert, manche Szenen zelebriert Woo regelrecht, in dem er seine Helden in langsamen Slow-Motion-Kamerafahrten überlebensgroß darstellt. In manchen Szenen erinnert Woos Stil zwar an Scorsese, dennoch kann man ihm nicht unterstellen, er würde platt abkupfern. Woo hat seinen eigenen Stil. Seine Kugelhagel ist immer blutgetränkt und hundertprozentig durchdacht geschnitten. Wenn Chow Yun Fat seine Waffen zückt, und seine Gegner in übermächtiger Coolness niedermäht, wirkt dies nicht wie ein plumper Tötungsakt, sondern wie ein Tanz. Ebenso durchchoreographiert, wie anmutig bewegt sich der Killer auf dem Weg zum Showdown.

Bis dahin muss sich Chow Yun Fat allerdings einiges aussetzen. Seine Figur verbindet eine stille Freundschaft zu seinem Quasi-Auftraggeber Sydney, der ihn aus Zwang verrät, ihm aber weiterhin loyal zur Seite steht. Jeffreys Gegenspieler der ebenso ungewöhnliche Polizist Li muss sich am Ende auch für einen Kampf an Jeffreys Seite entscheiden. Den Showdown filmte Woo in einer Kirche. Hier wird das Genie des asiatischen Filmemachers am deutlichsten. Hinter und liegen 90 Minuten Gangsterdrama, das genauso oft die leisen Töne anspricht, als auch uns mit perfekten Shootouts unterhält. Und nun kommt es zum Finale. Jeffrey und Li kämpfen gegen eine Überzahl an Gegnern. Da fällt das Blei klimpernd zu Boden, Marienstatuen werden effektvoll zerstört und unsere Helden schießen sich typisch stilisiert durch die Hallen. Rücken an Rücken oder auch einzeln, tänzelnd, fast fliegend, immer zwei Waffen auf einmal haltend. Und im Hintergrund zeigt Woo sein wohl typischstes Erkennungsmerkmal: Die Tauben. Gemäß seines eigens kreierten Genres, dem "heroic bloodshed" zeigt er seine Helden am Ende als Helden in einer ungerechten Welt. Das tragische, melancholische Ende ist überspitzt, ja, fast schon kitschig, fügt sich aber wunderbar in den Kontext dieses genialen Actionfilms ein.

"The Killer" ist John Woos bestes Werk und beinhaltet einige der besten Shootouts, die je auf Zelluloid gebannt wurden. Woo ist ein Meister, was die Verquickung von harter Action und sensibler, zwischenmenschlicher Krisen geht. Und "Killer" ist sein unumstrittenes Meisterwerk. Ein ganz großes, asiatisches Kunstwerk!

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