Ich bin wirklich entsetzt, wie phänomenal dieser Film in den Himmel gelobt wird. Ich habe einen Film voller unübersehbarer Schwächen gesehen und ich muss mich ernsthaft fragen, ob mit mir etwas nicht stimmt. Immerhin sind sich offenbar sehr viele Menschen einig, dass dieser Film unter die Top 50 aller Zeiten gehört. Sicherlich kann man dem Film seine Stärken nicht abschlagen, hierunter sind für mich vor allem die Schnitte und diverse dramatische Momente zu nennen. Darauf möchte ich aber nicht zu sehr eingehen, gelobt wurde der Streifen bereits ausgiebig.
Das fängt bei der teilweise unerträglich weltfremden Story an: Der Auftragskiller Jeffrey (Chow Yun Fat) will aus dem Gewerbe aussteigen und in Rente gehen. Seine Motive bleiben im Dunklen. Bei seinem vorletzten Auftrag geht er recht amateurhaft vor und würde bei jedem Zuschauer, der in einigermaßen realistischem Rahmen denkt, sofort in Ungnade fallen. Er klopft an und erschießt einfach jeden, der ihm vor die Linse kommt. Das sind ungefähr 10 Leute, die allesamt zu dumm sind, etwas dagegen auszurichten. Dieses Problem zieht sich in sich steigernder Form durch den gesamten Film. Immer mehr Feinde agieren immer dümmer, bis sie sich am Ende zu hunderten nur noch frontal vor Jeffrey stellen und sich abballern lassen. So bringt es „The Killer“ am Ende auf einen Bodycount von rund 120.
Ein weiteres Problem schafft sich John Woo, der noch große Filme drehen sollte, bereits in dieser ersten Szene. Jeffreys Vorgehen ist völlig skrupellos, er tötet beinahe wahllos vor sich hin. Später im Film will Woo dem Zuschauer aber erklären, dass Jeffrey niemanden tötet, der unschuldig ist. Denn Werte und Ehre spielen ja eine so große Rolle für ihn. Lächerlich. Nicht authentisch. Die Quintessenz der ersten Szene ist, dass er einer unschuldigen Sängerin das Augenlicht wegschießt. Daraufhin fühlt er sich schuldig und nimmt einen letzten Job an, durch welchen er der Sängerin Sally eine Augenoperation im Ausland bezahlen will. Woo versucht, eine Liebesgeschichte aufkommen zu lassen, die ich ihm in keiner Minute des Films abgenommen habe. Wie auch? Man sieht keine intimen Momente zwischen den beiden, die eine ernsthafte Beziehung andeuten würden. Stattdessen verrät sie ihn zwischendurch, er sagt, dass er ihr nicht trauen kann, und und und. Dafür traut er aber seinem Kollegen Sydney, der ihn ebenfalls verraten hat. Dauernd betont er, dass der trotzdem sein bester Freund ist. Und dann erleben wir noch die fabelhafte Freundschaft zu einem Polizisten (Danny Lee), den er zwei Tage kennt und deren plötzliches inneres Band nie erklärt wird.
Ich stelle fest, dass der Film in dieser Hinsicht, die so hochgelobt wurde, eine absolute Enttäuschung ist. Freundschaft, Liebe und Ehre sollen Hauptthemen des Films sein! Vielmehr werden sie widersprüchlich und nicht überzeugend gezeigt. Ich weiß nicht, ob das in Asien anders läuft, aber ich habe noch nie jemanden als meinen Freund bezeichnet, der mir 2 Minuten zuvor eine Knarre an den Kopf gehalten hat oder mich an irgendwelche kaltblütigen Mörder verraten hat.
Wenigstens spielen Danny Lee und Chow Yun Fat ihre Rollen tadellos. Die logischen Lücken überspielen sie beinahe durch ihr Talent, aber vollständig ist das natürlich nicht möglich. Ganz anders Sally. In ihrer Rolle ist eine gute Schauspielerin unverzichtbar, da das Mitleid mit ihr essentiell für den Film ist. Die Schauspielerin Sally Yeh ist stattdessen geradezu amateurhaft und sehr unsympathisch, weswegen ich auch hier Abzüge erteilen will.
Nun noch ein Wort zu den als so hervorragend deklarierten Actionsequenzen. Man muss sie gesehen haben, um zu verstehen, woher Quentin Tarantino seine Inspiration genommen hat. Woo übertreibt dermaßen, dass ich es nicht mehr gut heißen kann. Tarantino sicher auch teilweise, aber er macht das mit einem bewussten Augenzwinkern. Woo hingegen scheint das Wichtigste zu sein, Tonnen an Blei zu verpulvern, ohne sich dabei an Umweltgesetze zu halten. Unglaublich, wieviele Schüsse bei ihm in ein Magazin passen, und unglaublich (das deutete ich vorhin schon an), wie vollhirschig die Bösen sind und wie unverletzlich die Guten. Zunächst fand ich es positiv, dass auch Jeffrey und sein intimer Polizistenfreund Li ab und zu eine Kugel abbekommen. Aber dass sie diese einfach wegstecken wie der Terminator höchstpersönlich und mit möglicherweise noch weniger körperlichen Einschränkungen, das ist dann doch wieder sehr unschön. Das heroische Ende ist dann völlig überzogen, wobei ich die Szene, in der die beiden Blinden aneinander vorbeikriechen, für eine richtig gelungene Idee hielt.
Fazit: Für mich ist „The Killer“ eine absolute Enttäuschung. Nicht, weil er zu den schlechtesten Filmen gehört, die ich jeh sah. Aber wenn man die zahlreichen Kritiken hier gelesen hat, erwartet man einen Film, mit dem „The Killer“ keineswegs mithalten kann. Woo geht für meinen Geschmack sehr unseriös mit den angestrebten Themen Freundschaft und Liebe um und ummantelt das Ganze mit einem expliziten Actionmix, der an Übertreibungen kaum zu übertreffen ist. Wie Lemminge stellen sich die Feinde in einer Reihe auf, um sich das Leben nehmen zu lassen. Ich habe fast ein schlechtes Gewissen, weil ich mit meiner Meinung so allein da stehe, aber von mir kann es nicht mehr als 4 Punkte geben. Euer
Don