Le cinque giornate (1973)
Mit Dario Argentos viertem Film „Le Cinque giornate“ tun sich selbst seine Fans schwer. Wer hätte auch gedacht, dass nach drei guten Gialli ein Film daherkommt, der weder Fisch noch Fleisch ist, der einen seltsamen Hybrid aus Komödie, Revolutionssatire, Historien- und Abenteuerfilm darstellt?
Schon die Produktionsgeschichte des Films ist schwierig. Argento hatte das Drehbuch lange nicht verkaufen können, irgendwann sollte ein anderer Regisseur das Projekt übernehmen, woraus aber nichts wurde, aber Argento musste seine vertraglichen Verpflichtungen einhalten und den Film trotzdem machen.
Dann gab es da noch Differenzen zwischen ihm und Hauptdarsteller Adriano Celentano, die man sogar dem Film ansieht: Erst beginnt der Film ausgelassen und klamaukig, wie eine typische Celentano-Komödie, doch reißt Argento irgendwann das Ruder an sich und der Film wird dunkler, surrealer und pessimistischer.
Der Film spielt im Mailand des Jahres 1848, in dem ein Aufstand gegen die Österreicher tobt. Mittendrin ist der Dieb Cainazzo (Celentano), der von den Unruhen nichts wissen will und mit Politik und Revolution eh nichts am Hut hat. Er flieht aus dem Gefängnis und will eigentlich nur seinen ehemaligen „Kollegen“ Zampino finden, der ihm noch Geld schuldet. So beginnt eine fünftätige Odyssee durch ein revolutionsgeschütteltes Mailand, das langsam dem Wahnsinn anheim fällt. Cainazzo findet zudem noch in dem Bäcker Romolo (Enzo Cerusico) einen naiven Sidekick.
Wie gesagt, am Anfang gibt es viel Klamauk (Cainazzo und Romolo helfen einer schwangeren Frau ihr Baby zur Welt zu bringen, eine Szene, die viel Zeit in Anspruch nimmt und mit der eigentlichen Handlung nichts zu tun hat), und viele der Witze sind naturgemäß ziemlich eingerostet, doch manchmal zündet trotzdem der ein oder andere.
Dennoch gibt es schon zu Beginn einige äußerst gelungene Szenen: Cainazzo geht durch die Straßen Mailands, mit einer Flagge, die ihn als Patriot auszeichnen soll, damit ihm niemand dumm kommt. Auf einmal folgt ihm jedermann, als wäre er der Anführer der Revolution, bis er schließlich an sein Ziel kommt: eine Mauer, bloß um ein kurzes Geschäft zu verrichten.
Je länger der Film geht, umso mehr Seitenhiebe gegen Herrschende und Beherrschte hält der Film parat. Der Adel kriegt dabei ebenso sein Fett weg wie das einfache Volk. Außerdem sehen wir, wie Märtyrer gemacht werden: als ein Freiheitskämpfer stirbt, spricht er seine letzten Worte, die jeder anders verstehen will: der eine will gehört haben, er sagte „Es lebe die Revolution“, für den anderen war es „Es lebe Pius XII“, nur Cainazzo verstand die letzten Worte richtig: „Leckt mich alle am Arsch!“
„Le cinque giornate“ zeigt die Revolution als chaotisches Wirrwarr, als sinnlose Anarchie, die keine Sieger kennt, als eine Bewegung, die das Schlechteste im Menschen sucht und findet: Plünderung, Selbstjustiz, Machtkämpfe, Intrigen- alles auf Kosten des Volkes.
Der Film ist nicht perfekt, er ist eindeutig zu lang und der Genremix ist nicht immer gelungen, aber so verwirrend der Film wirkt, genauso verwirrend sind die Umstände, die er beschreibt. Und letztendlich geht es um die Demontage der Revolution, die hier so schonungslos wie präzise präsentiert wird.
Für Argento ist die Revolution auch nur ein Anlass zur Machtergreifung, und insofern auch ein kritischer Kommentar zu den 68ern, wie er in einem Interview erklärte.
Passend beendet er seinen Film mit Cainazzos wildem Aufschrei: „Sie haben uns beschissen!“