Ein poetisch-nihilistischer Aufstand der Rothaarigen und ihr Fall in den Abgrund.....
Es beginnt mit 3 dramatischen Klavierakkorden und man findet sich in der rauen Industrielandschaft in Nordfrankreich wieder. Dann allerdings beginnt nach einem kurzen Vorspiel ein exzentrisch-nihilistischer Bastard von Film den man so schnell nicht wieder vergisst. Hier die Story nur kurz ohne etwas vorwegzunehmen (OHNE SPOILER!): Der rothaarige schüchterne und etwas einfältige Remy (Olivier Barthelemy) trifft zufällig auf den Psychotherapeuten Patrick (Vincent Cassel) und dieser tritt mit ihm eine wahnwitzige Reise voller skurriler Situationen an. Remy taut auf dieser Fahrt ins Ungewisse immer mehr auf und versteift sich u.a. darauf nach Irland, in das Land der unterdrückten Rothaarigen kommen zu müssen…..
Die Situationen, die die beiden auf ihrer gemeinsamen Reise heraufbeschwören, werden immer grotesker. Nichts ist vorhersehbar, die Handlungen der beiden werden immer absurder und irrationaler. Alles ist möglich, es gibt keine Konventionen. Es geht nicht um den eigenen Vorteil, rationale Logik ist außer Kraft gesetzt. Es geht nur um den Moment, das Jetzt. Patrick und Remy handeln gegen jeglichen "guten Verstand", invers dazu wie wir alle handeln würden. Auch die schönsten Situationen werden ohne Vorwarnung wieder zerstört.
Was ist damit gemeint, was sind Beispiele? Gerne, und das sind nur eine Handvoll von Vielen. Man trifft u.a. auf respektvolle französische Rapper, Jugendliche die nachts mit Motorrollen in Baumärkten umher fahren, einen jüdischen Autohändler dem unsere beiden Antihelden mal eben nach einer wüsten Beschimpfung einen Porsche abkaufen sowie eine Hochzeitsgesellschaft die von Patrick und Remy mit Waffengewalt (natürlich mit einer Armbrust) gezwungen wird, sich kreuz und quer zu küssen, "mit Zunge natürlich" wird insistiert, die Männer untereinander natürlich zuerst. Das ganze wird dann von Patrick mit einem lapidaren "Alle küssen sich, so muss es sein..." quittiert.
OUR DAY WILL COME hat ein unglaublich unorientiertes Etwas. Spontan tauchen freakige Gestalten wie ein kleines Mädchen während einer kleinen Orgie von Patrick mit jungen Mädchen auf deren Herkunft nicht erklärt wird. Diese andauernden grotesken Situationen haben bei mir jedoch phasenweise jedoch ein sehr schelmisches Dauergrinsen verursacht. Hier passt das arg strapazierte "Arthouse Film" Label mal tatsächlich. Es werden Erinnerungen an unkonventionelle Filme anderer aktueller französischer Regisseure wie Gaspar Noé, aber auch Werken aus den 70ern wie DAS GROSSE FRESSEN oder Regisseure wie Luis Bunuel wach.
Noé setzt allerdings mehr auf den Schock und explizite Gewalt und die außergewöhnliche Erfahrung in Bild und Ton. OUR DAY WILL COME Regisseur Romain Gavras erzeugt die ungewöhnliche Erfahrung hingegen durch äußerste Skurrilität und eine Hommage an große satirische Werk anderer Filmemacher. Unnötig zu erwähnen, dass Vincent Cassel hier völlig von der Kette gelassen durch eine unglaublich intensive Verkörperung des Patrick besticht.
Bemerkenswert ist auch der sehr passende, teils Industrialsound-artige Soundtrack des französischen Elektrokünstlers SebastiAn. OUR DAY WILL COME wird sicher seine Gemeinde finden, aber auch Hass auf "einen weiteren Kunstfilm" schüren. Aber eine Funktion von Filmen ist neben der Unterhaltung auch das Aufrütteln, das freisetzen von Emotionen und das nicht vergessen werden. Vergessen wird man den Film auf keinen Fall.
8/10 Armbrüsten....äh,....Punkten