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Mit Die Schlümpfe sollten nun also die kleinen blauen Racker ein Revival erleben, die sich vornehmlich als Gummi- und Ü-Ei-Figuren, auf Schallplatten von Vader Abraham und als Fernsehserie durch meine Kindheit geschlumpft haben. Damals waren die mal hochmodern, wenn auch historisch in Deutschland mit etwas unrundem Anlauf und durch unterschiedliche Übersetzungen manchmal nicht ohne Verwirrungen.
Wer sich zur Einstimmung den alten Zeichentrick-Kinofilm Die Schlümpfe und die Zauberflöte ansieht, erlebt eine vollkommen andere Welt. Diese auf einem Comic von Peyo basierende Geschichte stammt noch aus der Zeit, als die Schlümpfe Nebenfiguren seiner Comicserie Johann und Pfiffikus waren und weder die Struktur des Dorfes noch der Schlumpfkommune sind zu einem heute bekannten Maß ausgereift, welches später zum Teil in der Übersetzung durch den amerikanischen Einfluß über die Fernsehserie beeinflußt wurde.

Als Die Schlümpfe beginnt, ist das Ausgangsszenario noch einigermaßen beim Alten. Die Schlümpfe schlumpfen in ihrem Schlumpfdorf herum und Gargamel, zeitweise in Deutschland auch Gurgelhals genannt, schmiedet mit seinem Kater Azrael Pläne, wie er die Schlümpfe entsaften und ihre Essenz gewinnen kann.
Meine Vorbehalte gegenüber den gerenderten Computerschlümpfen, die angesichts mieserabler Neukreationen wie zum Beispiel der Mickey Maus Serie durchaus berechtigt waren, verpufften zum Glück recht schnell. Die Macher führen die ganz niedlich animierten Schlümpfe in einer cgi-betonten Kulisse ein, so daß man sich an den Kontrast zu Schauspielern und Hintergründen langsam gewöhnen kann. So funktionell allerdings Hank Azaria in seiner Rolle als Gargamel auftritt, hätte man diesen Part doch auch ökonomischer mit Guildo Horn besetzen können.
Ein Defizit der 2D-Version ist wohl, daß man die möglichen Spielereien der 3D-Fassung bevorzugt dadurch erkennt, daß die Handlung zu Gunsten von Action-Slapstick-Gewusel zurückgestellt wird. Was man sich für das neue, schlumpfige Kinoerlebnis ausgedacht hat, kann wenig darüber hinwegtäuschen, daß die Schlümpfe zwar putzige Zeitgenossen, aber doch eher die Protagonisten von kurzen Comicstrips sind, was sich in den etwa zwanzigminütigen Zeichentrickfolgen ganz gut umsetzen ließ.

Erstaunliche Parallelen gibt es zur Realverfilmung der Mattel Spielzeugserie Masters of the Universe. Damals wurde nach kurzer Einführung der bekannten Verhältnisse ein Dimensionstor geöffnet, durch das ein paar wenige Helden und Schurken auf die kontemporäre Erde geworfen wurden. Ziel war es schließlich, eine Rückkehr zu ermöglichen, Eternia zu retten und die Erde dabei möglichst verschont bleiben zu lassen.
Für Die Schlümpfe verwendet man genau dieses Prinzip. Papa Schlumpf hat eine Vision, die in der Action zeitweilig die Suspense erhält, so man die kleine Szene denn nicht längst vergessen hat, denn der Film läuft um die hundert Minuten und ist damit sehr großzügig gestaltet. Während die ursprüngliche Welt von Johann und Pfiffikus im Mittelalter angesiedelt ist, sah man entweder Einsparpotential oder eine höhere Identifikation des heutigen Publikums darin, ein paar wenige Schlümpfe nebst Gargamel und Azrael durch ein Portal ins gegenwärtige New York zu zaubern. Bei den Masters of the Universe suchte man damals nach dem Schlüssel zum Dimensionstor und führte lieber neue, unsympathische Figuren ein, anstatt ausschließlich bekannte und beliebte Charaktere zu verwenden. Bei Die Schlümpfe kommen beide Faktoren ebenfalls zum Tragen, nur daß man kindertauglich bei der Ausarbeitung dann eher Vergleiche zum Pumuckl ziehen kann.
Natürlich wird jede Gelegenheit zu einem Culture Clash genutzt, manchmal possierlich, oft aber einfach überflüssig und nervig. Als Werbefuzzie Patrick Winslow wiederholt Neil Patrick Harris ein paar Schmalspurkopien seiner Figur Barney aus How I Met Your Mother und ist zeitgleich die Brücke zwischen der Menschenwelt und den schlumpfigen Invasoren. Während Patrick fettnäpfchenweise beinahe seine Karriere in den Sand setzt, wächst das Band zu seiner schwangeren Frau Grace (Jayma Mays) durch den Schmusekontakt mit den blauen Optimisten im Laufe des Films zu einem stabilen Gurt.

Als sei dies nicht schon genug der Klischees etabliert man Schlumpfine, die in Grace endlich eine Freundin finden kann, als stupid gezeichnetes Blondchen, welches sich über die Gemütlichkeit des Heims hinaus auch ohne äußere Einflüsse für die Mode der Menschen begeistert und im Spielzeugladen ganz selbstverständlich bei den Puppenkleidern “shoppen” [sic] geht. Etwas weniger sexistisch hätte man da schon agieren können.
Product Placement ist in Die Schlümpfe auch kein Fremdwort. Während man die ständig erkennbare Marke eines Laptops noch als Realismus durchgehen lassen kann, werden Situationen genutzt, denen man mal mehr oder weniger mit Augenzwinkern begegnen kann. Gelungen kann man eine Pointe bezeichnen, in der Azrael in einen Haufen von Hello Kitty Merchandise purzelt. Unnötig übertrieben wirkt dann jedoch eine musikalische Einlage unter Verwendung des Spiels Guitar Hero, bei dem Neil Patrick Harris eine hemmungslose Gesichtskirmes feiert, während die Schlümpfe sich mit einer sehr eigenschlumpfigen Interpretation des Crossover-Klassikers “Walk This Way” (im Original Aerosmith mit Run D.M.C.) durch Trommelfell und Geduldsfaden des Zuschauers sägen.
Als postmodernes Merkmal verdaut man ferner kleine Häppchen, die aus der Unterhaltungsindustrie hängen geblieben sind. So ist der schottische Schlumpf vermutlich nur entstanden, um sich auf Braveheart zu beziehen und Schlumpfine bei ihrer Marilyn Monroe Immitation zu begleiten. Im Original steuert Schlumpfines Sprecherin Katy Perry noch ein “I kissed a Smurf and I liked it” bei und man hört wohl einen Wilhelm Schrei, den ich in der deutschen Fassung nicht bewußt herausgehört habe (man möge mich belehren).

Das große Finale betont abschließend noch einmal eindrucksvoll, daß eine Priorität in Die Schlümpfe der dreidimensionale Effektreigen sein muß, denn das Spektakel steht doch deutlich über der seichten Handlung. Sicher, der Film ist außerdem mit Nachsicht zu behandeln, da es sich um ein Werk handelt, welches Kinder ansprechen soll. Für diese wird vor allem die überstrapazierte Länge ein Problem werden.
Die Schlümpfe ist eben nicht ein typischer Familienfilm, bei dem die Großen oben erwähnte Insider als Zusatzbespaßung bei konstant plätscherndem Mindestniveau begrüßen dürfen. Der Film reiht sich mit seinen dramaturgischen Hürden gewissermaßen nahtlos in das Œuvre des Regisseurs Raja Gosnell ein, dem mit dem schrägen Scooby-Doo noch ein ganz passables Filmchen gelungen ist, der aber ansonsten auf sehr zweitklassige Komödien zurückblicken muß. Titel wie Wieder allein zu Haus, Ungeküsst, Big Mama’s Haus oder Beverly Hills Chihuahua rollen dem ein oder anderen aufgeschlossenen Cineasten mit Sicherheit noch heute die Fußnägel hoch. Ein IMDb-User wirft gar die Frage auf, ob es sich um den schlechtesten Regisseur aller Zeiten handle.
Im Verhältnis ist Die Schlümpfe am Notenspiegel gemessen recht gut geworden. Blöd nur, daß man mit etwas mehr Weitblick die generische Massenware entlarvt, die sich in der erzählerischen Beliebigkeit eines sterilen Flachwitzfestivals einzig über die knuffigen Schlümpfe etabliert, von denen zumeist aber nur ein halbes Dutzend über die Leinwand huscht. Besser leben durch Gruppenkuscheln ist eine Kernaussage des Films und so versucht man mit aller schmalzenden Liebe noch einmal die Defizite zu verzeihen. Aber man ist eben kein Kind mehr und von ein bisschen Budenzauber nicht so schnell zu blenden.

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