Bei dem unterschiedliche Genres, Stilrichtungen und Einflüsse miteinander vereinenden, schwer zu kategorisierenden hypnotisch-psychedelischen Horror-Thriller „Beyond the Black Rainbow“ haben wir es mit einem für umgerechnet rund 800.000 US-Dollar realisierten kanadischen „Indie“ zutun: Eine vor allem visuell betörende Kombination aus einem abgründig-düsteren „Mindfuck“ und einem konzeptbezogen-kreativen Experimentalfilm, mit welchem Panos Cosmatos dem zugewandten Publikum 2010 sein Erstlingswerk offerierte. Sohn der schwedischen Künstlerin Birgitta Ljungberg und des in der Toskana geborenen Regisseurs George Pan Cosmatos – dessen „cineastisches Vermächtnis“ vorwiegend eher banale Streifen á la „Rambo: First Blood Part II“ und „Cobra“ umfasst – schrieb Panos auch die Drehbuch-Vorlage dieses 1983 angesiedelten, mit einer bewusst „minimalistisch“ gehaltenen Story aufwartenden Projekts, welches in Gestalt eines „klassisch-vertraut“ anmutend arrangierten „Infomercial“-Videos des „Arboria Instituts“ eröffnet: In diesem berichtet der namensgebende Gründer (Scott Hylands) u.a. davon, dass es ihm und seinem Team (dank der eigens in dieser Absicht entwickelten Methoden) nun möglich sei, den Menschen „ihren erträumten Wunsch nach Glück, Wohlbehagen und innerem Frieden“ zu erfüllen…
Während Dr. Arboria aufgrund seines fortgeschrittenen Alters und geschwächten körperlichen Zustands sein mit in der Einrichtung gelegenes Quartier inzwischen nicht mehr verlassen kann und auf Pflege angewiesen ist, hat sein ehemaliger Proband Dr. Barry Nyle (Michael Rogers) die operative Leitung übernommen. Dessen primäres Augenmerk gilt einer jungen, stummen, isoliert in einem mit gläsernen und steril-weißen Wänden versehenen sowie bis auf ein Bett völlig leeren Raum eingeschlossenen Patientin namens Elena (Eva Bourne), der er regelmäßig Psycho-Pharmaka verabreichen lässt und welche über telepathische ebenso wie über telekinetische Kräfte verfügt, die ihrerseits jedoch durch eine große, leuchtende, manuell regulierbare Pyramide kontinuierlich „im Schach bewahrt“ werden. Meist befindet sich Elena in einem „katatonisch geistig abwesend“ erscheinenden Zustand – was ihren „Sessions“ nicht gerade ergiebige Verläufe beschert. In seinem Bestreben, ihr eine „emotionale Reaktion“ zu entlocken, überlässt er ihr eines Tages ein Foto ihrer Mutter und provoziert obendrein eine Konfrontation zwischen ihr und seiner Assistentin Margo (Rondel Reynoldson), welche kurz zuvor ein Buch Nyles mit einigen „absonderlichen Inhalten“ entdeckt hatte: Eine Begegnung, die blutig endet...
„Beyond the Black Rainbow“ ist „Style over Substance“ pur: Ein Film, der dem Zuschauer Unmengen an „Eye Candy“ bietet – dessen Handlung einem aber vermutlich selbst im Format eines halbstündigen „Shorts“ relativ „dünn“ vorkommen würde. Elemente wie Action oder gängige dem Aufbau von Suspense dienende Sequenzen waren Cosmatos evident nachrangig, das Entfaltungstempo dieser knapp 110 Minuten ist sehr langsam, Dialoge gibt es bloß wenige. Im Zentrum dieses „Arthouse Midnight Movies“ steht der sinistere Dr. Nyle: Ein gefühlskalter Mann spärlicher Worte, der stets beherrscht auftritt, nie seine Stimme erhebt und all jene verachtet, deren Geist den „limitiert-simplen Normalzustand des Seins“ nicht zu transzendieren vermag. Letzteres resultiert daraus, dass er im Rahmen seiner Partizipation an Arboria´s Experiment „auf die andere Seite hinübergetreten“ war: Eine durch die Einnahme eines flüssigen Rauschmittels ausgelöste „existenzielle Erfahrung“, die ihn gar auch in physischer Hinsicht verändert hat. Aufgezeigt wird einem dieser „Übergangs- und Wandlungs-Prozess“ in abstrakten, surrealen Bildern, die von kontraststarken Schwarzweiß-Impressionen zu satt-bunten Anblicken (u.a. farbiger Nebel-Schwaden sowie in Flammen glühender, schmelzender Kopf-Skulpturen) hin und zurück wechseln…
Daheim lebt Nyle mit seiner depressiv wirkenden Frau Rosemary (Marilyn Norry) in einer als „unterkühlt“ zu charakterisierenden Ehe-Gemeinschaft – wogegen er im Institut „nur wenn nötig“ mit der offenbar einzigen weiteren Angestellten Margo interagiert und seinen invaliden, kaum mehr richtig ansprechbaren Mentor bloß noch selten besucht, da ihn jene Form von „Schwäche“ geradezu anwidert. Michael Rogers („Interrogation“), welcher mich ein Stück weit an Christian Bale erinnert hat, portraitiert ihn ordentlich und verleiht dem Part die passende „unnahbar-eisige“ Ausstrahlung. Es ist Elena, der Nyle´s Interesse gehört: Ihren übernatürlichen Fähigkeiten – ergänzt um eine unterschwellig-latente „sexuelle Komponente“. Er beobachtet sie in ihrem „gläsernen Käfig“, erzählt ihr Dinge, die gelegentlich eine „sadistische Ader“ preisgeben, macht sich Gedanken und Notizen und hält sie entweder durch Drogen (bzw. Medikamente) betäubt und/oder mit Hilfe der mysteriösen Pyramide unter Kontrolle. Über sie erfährt man angrenzend nichts – wobei Eva Bourne („the Girl in the Photographs“) über mehrere (primär traurige, verängstigte, verwunderte und zornige) Augenspiele und Gesichtsausdrücke hinaus nicht allzu stark gefordert wurde, sie Elena insgesamt aber zufrieden stellend verkörpert…
Die idealistischen Ideen Arborias aus den 1960ern haben sich (im Einklang mit der Mentalität in den Achtzigern) hin zu einer selbstbezogenen Herangehensweise Nyles gewandelt. Der von Cosmatos für „sein 1983“ gewählte, häufig als „retro-futuristisch“ zu beschreibende Look ruft einem aber auch unweigerlich die '70er in den Sinn – was prominent mit an den (respektvoll) für das Werk auserkorenen „Referenzen“ liegt, welche u.a. spezielle Schöpfungen Stanley Kubricks („2001“), Alejandro Jodorowskys („La Montaña sagrada“) und George Lucas' („THX 1138“) mit einschließen. Je nach Kontext und Szene lassen einen intensive Farbgebungen an LSD-Visionen, Lava-Lampen und „Giallos“ (á la Dario Argento´s „Suspiria“) denken, ähneln Elena´s Kräfte jener in David Cronenberg´s „Scanners“ und Brian DePalma´s „Carrie“ und untermalt die Geschehnisse ein markanter, in der unverkennbaren Tradition John Carpenters und Tangerine Dreams daherkommender Synthesizer-Score Jeremy Schmidts. Überdies zollt Cosmatos Vincenzo Natali´s „Cube“ seinen Respekt und gibt es noch diverse weitere „verweisende Details“ (wie teure Leder-Kleidung aus dem Hause „Noriega“) zu registrieren – und dennoch mutet der Gesamteindruck zu keiner Zeit irgendwie unvorteilhaft „zusammengeklaubt“ oder „uneigenständig“ an…
In enger Kollaboration mit seinem Cinematographer Norm Li („Altitude“) hat Cosmatos ein symbolträchtiges, CGIs fast komplett meidendes „visuelles Erlebnis“ kreiert, bei dem geschickt mit verschiedenen Kamera-Perspektiven und „Bild-Texturen“, mit mal grobkörnigen, mal gestochen klaren Images, Unschärfen, Überblendungen, Spiegelungen und Reflektionen, Zeitlupen, Großaufnahmen (von Augen, Pillen, Nadel-Einstichen, Fingern, Zehen, Zigarettenasche etc.) sowie allerlei Licht-Effekten gearbeitet wurde. Die Atmosphäre ist rundum düster, bedrohlich, dicht. Als Elena im finalen Drittel die Flucht aus ihrem Raum gelingt, muss sie u.a. durch Schächte kriechen, trifft auf albtraumhafte Wesen und tritt zum ersten Mal „hinaus ins Freie“ – wo sie Nyle allerdings (inzwischen mit kahlem Haupt und ohne Kontaktlinsen) weiter verfolgt. Selbst in jener Phase behält Cosmatos das ruhige Tempo und die langen Einstellungen bei – scheint das Erkeimen „gewöhnlicher“ Suspense geradezu aktiv umgehen sowie das Publikum obendrein in Gestalt zweier tumber Bier-trinkender Heavy-Metal-Hörer förmlich „ärgern“ zu wollen. Konsequenterweise entpuppt sich das Ende dann auch als überaus antiklimaktisch – bevor die Schluss-Credits einsetzen und die auf Dauer bewusst repetitiv gehaltene Instrumental-Musik dem feinen Song „Anonymous“ von SSQ weicht…
Fazit: Entschleunigt, unkonventionell und optisch imposant, ist „Beyond the Black Rainbow“ ein stimmungsvoller, albtraumhafter, psychedelisch-surrealer Streifen weit abseits des Mainstreams, der inhaltlich leider nicht allzu viel zu bieten hat und sich punktuell nahe der Grenze zur Langeweile entlang bewegt…
knappe „6 von 10“