Da leiht man sich unwissentlich "Kill List" aus, erwartet einen Hitman-Film und weiß nicht, dass man in diesem Streifen seinen Meister kennen lernen wird. So ist es zumindest mir gegangen.
Ich hätte gerne schon nach dem ersten Ansehen vor einer Woche eine Review dazu geschrieben, aber dafür war ich viel zu verwirrt. Nach einem zweiten Anlauf und einer anderen Ansichtsweise war ich mir immer noch nicht schlüssig, bis ich den dritten Anlauf wagte und diese 92 Minuten Mindfuck in ca. drei Stunden durch hatte. Es endete öfters mit Szenen nochmals ansehen, zwischen den Kapiteln wild hin- und herspringen und schließlich hatte ich ca. 10 Notizzettel voll geschrieben mit wichtigen Dialogen, Personen, sonstigen vermeintlichen Schlüsselszenen oder Anhaltspunkten. Das ist doch irre, oder? Ich kann mich nicht entsinnen, dass ich mir jemals Notizen gemacht habe...
Zwischen dem einzelnen Ansehen lagen jeweils ein paar Tage dazwischen (was zur Verarbeitung auch nötig war) und dieser Film hat es tatsächlich gepackt, sich so dermaßen in meinem Hirn festzufressen, dass egal wo ich war, über den Film nachdenken musste.
Es gibt ja einige Werke, die verfolgen einen einfach einige Zeit und stimmen nachdenklich. Aber solch was intensives wie "Kill List" hab ich noch nicht ansatzweise erlebt.
Dabei beginnt der Film relativ harmlos und unspektakulär - ja beinahe wie eine Art Dokumentation arbeitet Regisseur Ben Wheatley gebetsmühlenartig eine Szene nach der anderen ab, begleitet von düsteren Soundschnipsel und setzt dabei auf ungewöhnliche Szenen-Schnitte.
Beim ersten Ansehen könnte man es so beschreiben, dass dieser Film eine Mischung aus Drama, Thriller und Horror darstellt, wobei jedes Genre-Gebiet für sich jeweils ein Drittel nacheinander abarbeitet. Man verfolgt Szenen, die einem ein großes Fragezeichen verpassen, doch man nimmt sie so hin. Es sind keine Szenen wie beispielsweise in "Donnie Darko" in der plötzlich mal ein rosa Hoppelhase der beste Freund ist - nein, es sind Kleinigkeiten, die wie ein Fremdkörper wirken.
Wheatley erzählt die Geschichte von dem Ex-Soldat Jay (Neil Maskell), der seit acht Monaten nicht mehr gearbeitet hat und dem allmählich die Geldreserven ausgehen. Deswegen hat er mit seiner Frau Shel (Myanna Buring) desöfteren Krach, bei dem richtig die Fetzen fliegen. Es hat den Anschein, dass diese Ehe nur noch ihr gemeinsamer Sohn Sam (Harry Simpson) zusammenhält.
Eines Abends bekommt das Ehepaar Besuch von Jay´s besten Freund und Arbeitskollegen Gal (Michael Smiley) und seiner neuen Flamme Fiona (Emma Freyer). Bei dem gemütlichen Abendessen (bei dem kurze Zeit auch wieder die Fetzen fliegen wegen billigem Essgeschirr) erzählt Gal von einem neuen Auftrag, der viel Geld verspricht. Jay willigt ein und so trifft sich das Duo mit einem ominösen, älteren Herren (Struan Rodger) in einem Hotel, der den Vertrag mit Jays eigenem Blut besiegelt.
Die beiden Kumpel arbeiten die entgegengenomme Liste ab, auf der drei Personen stehen. Alle drei sind Authoritätspersonen, die jedoch düstere Geheimnisse verbergen. Und mit jedem Mord werden die psyschichen Abgründe von Jay tiefer, der immer weniger seine Emotionen im Griff hat...
Der Mainstreamer unter euch wird erstmal abgenervt sein. Die ruhige Erzählebene um die Ehekrise wird keinen enthusiastisch stimmen. Nach und nach jedoch stechen kleine Details hervor und sorgen für Unsicherheit und Beklemmung. Spätestens wenn die To-Do-Liste abgearbeitet wird, wird es richtig hart. Die wenigen Gewaltdarstellungen sind derart drastisch in Szene gesetzt, dass selbst der härteste unter uns weiche Knie bekommen wird. Auch in dem Thriller-Part ist das Tempo nicht wirklich hoch, jedoch wird es den ein oder anderen (eben aus Gewohnheit und den Erwartungshaltungen) zufrieden stellen, bis der Film letztendlich ins Horror-Genre abdriftet. Dabei begeht Regisseur Wheatley einen Bruch und setzt (in erster Sichtung) alles auf eine Karte. Das dürfte nicht jedem schmecken - doch eins dürfte es bei allen hinterlassen: Eine verstörende Wirkung.
Die anschließende Flucht durch einen Tunnel ist unglaublich dicht in Szene gesetzt und es entwickelt sich eine atemberaubende Dynamik. Was dann als Schluss-Twist kommt, naja, was soll ich dazu sagen. Das war irgendwie das einzig berechenbare an diesem Film. Komisch.
Nunja, egal zu welchem Publikum man sich zählt, "Kill List" wird jeden in den Bann ziehen, zumindest eine Wirkung in Form einer Faust in die Fresse hinterlassen. Und ich sag es nur allzu gerne: Egal, wie gut man aufpasst und zuhört, man wird - zumindest nach dem Ansatz und der Lösung, die ich für mich zusammengebastelt habe - den Film nicht kapieren, bzw. erahnen was für ein Orkan da wirklich auf einen zu kommt.
So, und nach dem Abspann liegt es eben an euch. Kotzt ihr vor den Fernseher oder macht es wie ich - verarbeitet das ganze erstmal, lasst es sacken und gibt den Film wieder eine Chance.
Jedoch auch nach dem zweiten (oder dritten) Ansehen ist mir nicht wirklich klar, ob hier die genialste Story vorliegt oder eben alles nur pure Provokation sein soll und keinen Sinn ergibt. Ich bin noch am rätseln, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mir ihn ein viertes Mal ansehen kann.
Auf jeden Fall sei soviel gesagt: Ich ziehe vor jedem meinen Hut, der diese Geschichte versteht. Wobei trotzdem noch viele, kleine Einzelheiten sich immer wieder widersprechen, keinen Sinn ergeben oder völlig ungeklärt bleiben. Ich hoffe jedoch irgendwann, wie bei einem PC-Spiel, auf eine Komplettlösung. Ich bin dazu nicht fähig, das gebe ich gerne zu. Aber ich verrate auch mal meinen Ansatz, den jeder überspringen sollte, der den Film nicht zweimal gesehen hat.
EXTREM-SPOILER
Die Schlüssel-Szene ist nach dem Plot-Twist die letzte Szene vor dem Abspann, dass Jay zum Anführer der Sekte gekrönt wird.