Äh, ja...was fang ich jetzt damit an?
Vielleicht sollte man die Erwartungen mal gleich brüskieren, also sage ich mal außerhalb des generellen Tenors: Schade, daß "Sucker Punch" kein Musical ist.
Bevor ich darauf noch mal eingehe, natürlich die Frage: was ist es dann?
Und das resignative Eingeständnis, daß das leider nicht eindeutig verifizierbar ist - außer es verlangt den Zuschauer nach Spekulationsstoff.
Was "Sucker Punch" nicht ist: das, als was es generell vermarktet wird.
Hübsche junge Dinger mit Püppchengesichtern und burleskem Make-Up, aufgerüscht mit dicken Wummen und brutalem Schneidwerkzeug zu ihren bestrumpften Beinchen, ein Schelm, wer da nicht an spekulative Männerkost mit latent pädophilen Untertönen denkt.
Und ja, in der Aufmachung staksen sie nun mal durch diesen Film, der im Wesentlichen das Schicksal eines Mädchens verfolgt, das bei der Verteidigung ihrer Schwester gegen ihren (eben pädophilen) Stiefvater einen schrecklichen Fehler macht, um dann zur geplanten Lobotomie in eine Nervenheilanstalt für Mädels eingeliefert zu werden. Dort entflieht man der grauen 50er-Jahre-Realität, indem man sich in der unendlichen Phantasie die Klinik als eine Mischung aus Nachtclub und Bordell ersinnt, die Insassen als geknechtete Tänzerinnen, die Ärztin als Choreographin und den fiesen, alles kontrollierenden Aufseher als Zuhälterchef.
Als sei das nicht genug, gleitet man dann zur Vermeidung des schlimmen Schicksals auch noch in eine höhere Sphäre ab, in der ein weiser Mann zur Umsetzung eines Fluchtplanes rät. Dazu gebraucht: fünf Gegenstände der Klinik, die in phantastischen Szenarios gegen Monstersamurais, dampfbetriebene Nazisoldaten (bzw. kaiserliche Soldaten), Drachen, Orks und Roboter erbeutet werden müssen.
Alles schreit also nach dem Drama bedrängter Mädchen, nach Repression und Ausleben bzw. Entwicklung der eigenen Sexualität oder des Bewußtseins als Frau in der Gesellschaft, eingepackt in einen Plot, der an ein Videogame gemahnt, in welchem die Protagonistinnen sich durch diverse Levels schlagen müssen, obwohl schon die Rahmenhandlung in dem gelackten Look eines MTV-Videoclips gehalten ist, während der ausgesuchte Soundtrack durch die Boxen wummert.
Als Fazit: hier hängt man sich ein feminines Mäntelchen um die Schultern, um den Herren im Publikum ihren "Stoff" zu liefern: Chicks with Guns in Lingerie!
Was Zack Snyder in seinem angeblich persönlichsten Film jedoch liefert, dreht entweder dem männlichen Publikum eine Nase, denn neben der gerade zu karikaturhaften Dämonisierung jeglicher Männerfigur in diesem Film (was so übertrieben ist, daß das Publikum es schon mit Hohngelächter quittiert), vermeidet er (subtil? zufällig? bewußt?) die Erotisierung der weiblichen Figuren, das Umschmeicheln und Ausbeuten. Stets ist von den bezaubernden und überragenden Tanzkünsten der Hauptfigur "Baby Doll" (historische Bezüge bitte selbst nachschlagen) die Rede, allein präsentiert wird stattdessen stets nur ein weiterer geschlechtsneutraler Spielelevel, für dessen Gestaltung zwar die Heroen der PC-Bearbeitung Großes geschaffen haben, die aber in der Plünderung der jüngsten Filmgeschichte so offensichtlich plakativ vorgehen, daß damit wohl leise postmoderne Kritik gemeint sein soll, sei es am Kino oder an den Geschlechterrolle per se.
Man merkt vielleicht, daß ich mich hier und anderswo kaum einmal definitiv für eine Intention entscheide, aber das hat seinen Grund...
Die actiongeladenen Phantasie-Questen sind nämlich so spektakulär, wie übertrieben leer, was allerdings die berechtigte Frage aufwirft, ob ein modernes Kinopublikum, das eigentlich schon längst nicht mehr nach Inhalten oder Tiefe, sondern öfter nach spektakulären optischen Sensationen giert, diesen Wink überhaupt versteht. Da ist es leider wahrscheinlicher, daß die Zuschauer die visuell faszinierenden, aber leeren Artefaktjagden genießen, den Rest des Films aber überfragt ablehnen.
Der wiederum handelt nämlich nur laut Voiceover (das überladen und mystisch daherplappert) von der Emanzipation und dem Kampfeswillen der Frau, rekapituliert jedoch eigentlich nur Opferbereitschaft und Selbstaufgabe in einem Tal von Angstzuständen und Heulattacken, die dann durch Verschiebung der männlichen Bedrohung ins Albern-Lächerliche, noch irritierender wirken.
Als den titelgebenden "Schlag" kann man dann die letzten 20 Minuten des Films betrachten, die Snyder als dramaturgische Kehrtwende gegen die Erwartungen und Gewohnheiten des emanzipatorischen Fantasydramas inszeniert. Nicht das weibliche Aufblühen, das Herauswachsen aus Ängsten will thematisiert, sondern die bittere Gewißheit, das Freiheit ein ständiger Kampf und Leben dauerhafte Schmerzen bedeuten.
Aber all das ist graue Theorie, Gedankenfetzen zu einem komplett rätselhaften Bilderinferno, bei dem nie ganz klar wird, wohin der Regisseur eigentlich unterwegs sein will. Das Ziel scheint so schwammig zu sein, wie das Fazit realistisch zu sein scheint, in einem Film, der alles visualisiert, nur keinen Funken Realismus. Die Charaktere sind Umschreibungen, ausgefüllte Kostüme, denen ein, zwei Sätze zur Identikation reichen. Die Figuren erfüllen letztendlich Funktionen, lebendig wird keine von ihnen dabei, was man vielleicht auch als Kommentar zum modernen Erzählkino sehen kann. Für einen satirischen Ansatz nimmt Snyder jedoch die dramaturgischen Untiefen, die Absurditäten und Klischees viel zu ernst, als das ein unterhaltungswilliges Publikum dies auch entschlüsseln könnte. Und für einen Film, der gerade Frauen etwas zum Nachdenken geben soll, also eine kontroverse Position zumindest andeutet, ist er zu sehr auf ein gradliniges Männerpublikum zugeschnitten.
Eventuelle Andeutungen eine Position oder Aussage gehen in viel Geschwurbel und umständlichen Erzählsträngen, die sich geradezu diametral zu einem typischen Spannungsaufbau verhalten, irgendwann unter; selbst das anleitende Geraune des "weisen Mannes" (von Scott Glenn als archetypischer Carradine-Ersatz geradezu majestätisch runtergerissen) wird angesichts der scheinbar angeklatschten Botschaft mit der Zeit zur bloßen hohlen Formel.
Sicher, man kann sich eine Menge dabei denken und endlos diskutieren, was das alles bedeuten könnte, ob es nun postfeministisch oder retrograd-cineastisch gemeint ist, stets bleibt die Gefahr, daß der Regisseur seine psychischen Magenbeschwerden nicht bloß in feenstaubgepuderte Blähungen umgesetzt hat, um endlich mal alle zu verarschen, aber das so unscharf inszeniert, daß man es ihm nicht klar vorwerfen kann.
Daraus folgt, daß es bei "Sucker Punch" wichtiger denn je ist, sich a) selbst seinen Kopf zu machen oder b) das Sujet am besten gleich ganz zu meiden ist, weil man Gefahr läuft, aufs Kreuz gelegt zu werden.
Was Snyders Film definitiv nicht ist: eine angeschickste, dumme Tittenparade, wie es in der Fachpresse, die es natürlich nicht mag, wenn man sie in ihrer Deutungswut ausmanövrieren will, mehrfach zu lesen war. Das wiederum ist zu leicht.
Andersherum sättigt und befriedigt der Film auch nicht - sei die inhaltliche Leere und sich aufbauende Langeweile nun geplant oder subjektiv zufällig - alles steht irgendwie unter dem Verdacht eines Kunstwerks aus Eitelkeit.
Doch was wäre der Film für ein Musical geworden, wenn man die angenommene Kritik, die vor den Kopf stoßende Bitterkeit gegen etwas vokalisierte Ironie eingetauscht hätte: Schmiß, der den Bildern und den Aussagen zuwider läuft.
Stattdessen nutzt Snyder folgerichtig einen Soundtrack aus recycelten Rocksongs und Popkrachern und weckt allein so das Publikum aus der Mischung von Dämmerschlaf, Fremdschämen und mehrfach verstörter Erwartungshaltung. Björk brüllt "Army of Me", der Bass dröhnt, das Unterbewußtsein erahnt den nächsten Betrug am Zuschauer.
Irgendwo in diesem riesigen Haufen Schrott, irgendwo da drinnen ist wohl Kunst verortet, allein für den Zuschauer lohnt diese Queste nicht. Und als hätte er es geahnt, geht zum Abspann das Musical los unter dem Motto "Love ist the Drug!"
Und im Keller lacht der Regisseur. (4/10)