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Noch nicht einmal 15 Jahre alt und schon längst ein Klassiker: "Das Schweigen der Lämmer" hat auf dem Sektor Psychothriller für ein echtes Novum gesorgt: Hannibal Lecter (Anthony Hopkins) ist intelligenter, kaltherziger, geheimnisvoller und unberechenbarer als je ein Serienkiller zuvor, das weiß man, obwohl man ihn nur einmal in Aktion sieht. Der Rest ergibt sich aus den Gesprächen der FBI-Agentin Clarice mit Lecter, die dem Film letztendlich seinen Klassikerstatus gegeben haben.

Die Autoren Thomas Harris und Ted Tally geben den beiden Hauptprotagonisten eine Tiefe, die sie nicht wie plumpe Figuren eines Thrillers, sondern wie vielschichtige, mysteriöse Gestalten wirken lässt, die einen noch lange danach beschäftigen. Das Geheimnisvolle geht dabei von der Genialität Lecters aus, seiner Bisexualität, seiner Intelligenz und seinen telekinetischen Fähigkeiten, über die kein Wort verloren wird, die aber anscheinend vorhanden sind. Hannibal, the Cannibal ist eine der bewegendsten Charaktere der Filmgeschichte. Heute eine Kultfigur, trotz seiner kannibalischen Neigungen und grausamen Ermordungen. Hopkins wurde damit zur lebenden Legende und durfte seine Paraderolle bis heute noch zwei weitere Male spielen.

Auf der anderen Seite steht Clarice Starling, die Unerfahrene, welche zwar auch intelligent, aber Lecter meilenweit unterlegen ist. Auch sie ist in gewisser Weise undurchschaubar, leidet sie doch immer noch an einem Kindheitstrauma und hat trotz eines attraktiven Aussehens keinen Mann an ihrer Seite, wird aber von ihrem Umfeld heiß begehrt. Jodie Foster ist in der Lage, es schauspielerisch mit Hopkins aufzunehmen. Nie war sie besser als hier und was das wirklich wert war, zeigte später erst der Nachfolger, in dem ihr Charakter so ziemlich unterging.

Weitere namhafte Darsteller wie Scott Glenn oder Ted Levine in den Nebenrollen zeugen weiterhin davon, dass "Das Schweigen der Lämmer" ein Film ist, der ganz und gar von den Schauspielern getragen wird und vom Drehbuch, welches ihnen schwierige Rollen vorgab, in denen sie jedoch zeigen können, was in ihnen steckt.

Die Tiefe der Charaktere erreicht die Story leider nie so ganz. Vielleicht ist man heute von unzähligen Ablegern einfach abgestumpft, doch spannend zu jedem Zeitpunkt ist das nicht mehr, da hat ein "Se7en" auf langfristige Dauer bestimmt die Nase vorn, denn "Das Schweigen der Lämmer" präsentiert zwar interessante Dialoge und Charaktere, aber richtiger Thrill stellt sich erst zum Schluss ein, in dem Urängste geweckt werden und den man am Besten bei Nacht anschaut.

Die morbide, trostlose Atmosphäre zieht sich übrigens von vorne bis hinten durch. Egal, ob Hochsicherheitsgefängnis, vernebelte Wälder, Vorstadtsiedlungen oder Kellergewölbe, auf ansatzweise frohe Bilder braucht hier keiner zu hoffen. Stattdessen Tristesse wohin man blickt. Die "Folterkammer" des krankhaften Buffalo Bill offenbart Abgründe, die keiner vergessen kann, insbesondere Frauen dürften da endgültig der Ohnmacht nahe sein. Deshalb auch visuell ein echtes Meisterwerk.

Wer ein Schlachtfest erwartet, den muss ich aber enttäuschen. "Das Schweigen der Lämmer" hat zwar für ein Novum gesorgt, übelst zugerichtete Leichen so explizit zu zeigen, doch von den Taten selber sieht man nichts, was dieser Film aber gar nicht nötig hat.
Es ist alleine die Vielschichtigkeit der Charaktere und die alles überragenden Schauspieler, die diesen Thriller zum Klassiker haben werden lassen. Das wird in zwanzig Jahren noch genauso sein, leider wird da der Spannungsfaktor wohl noch niedriger liegen, denn der ist jetzt schon nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit. Trotzdem ein pessimistischer, teilweise zynischer Pflichtfilm für jeden, der starke Nerven hat.

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