Schade eigentlich: da haben wir einen ausgewogenen, knallbunten, poppigen Familienfilm in exotischer Kulisse und doch schaut man nach gewisser Zeit ein wenig ungeduldig auf die Uhr. Vielleicht ist es schon zu spät. Vielleicht ist man aber auch zu alt.
Dabei machen die "Blue Sky"-Studios, Schöpfer der "Ice Age"-Filme, ihrem Namen wie gesagt, mal wieder alle Ehre, wenn sie die brasilianische Aushängestadt zum Ort des Geschehens küren und all die Pracht eines brasilianischen Karnevals in einen Film proppen, in dem es sowieso schon um die buntesten Vögel überhaupt geht.
Doch wo die Optik, die Geographie und die schiere Fülle an optischen Details praktisch regenbogenlike aus den Computern zu fließen scheint, wo der Niedlichkeitsfaktor, die anatomischen Details und der Bewegungsapparat der exotischen Vögel kaum zu übertreffen ist, da muß immer noch eine gute Story her und die ist, wie man nach "Rio" vermuten kann, wohl dann doch recht einfach gemacht: flugunfähiger Papagei soll nach Brasilien reisen, um dringend benötigte Nachkommen zu zeugen, doch die ausgewählte Dame seines Herzens - im übrigen die angeblich einzige verbliebene - will lieber durch die Lüfte sausen, wären da nicht einige Tierfänger, die Flugvogel und Bodenvogel erst entführen, dann aneinanderketten, um sie dann die südliche Metropole auf der Suche nach Herrchen oder der großen Liebe mit Hilfe anderer exotischer Flattermänner erkunden zu lassen.
Ein Schelm, wer da nicht erwartet, daß sich da a) Konflikte ergeben, b) die Vögel sich natürlich ineinander verlieben und c) ein wenig Naturschutzkritik geübt wird. Etwas Selbstüberwindung drübergestreut, ein bißchen Identitätsfindung eingerührt und schon köchelt ein familiengerechtes Süppchen.
Und das ist auch das Problem an "Rio", wenn man denn eins draus machen will: Carlos Saldanhas Film ist perfekt vorkonditioniert, familienkompatibel und kindergerecht, aber gleichzeitig so rundgefeilt oder abgefahren, daß das Profil fade nach Disney-Errungenschaften aus den 50er und 60er Jahren schmeckt. Das Mouse-House hat seit ewigen Zeiten derlei Geschichte bis zur Perfektion durchkomponiert, angerührt und durchgespielt, das im Gegensatz zu den charakterstarken Eiszeitfilmen mit seinem fein gestreuten popkulturellen Humor "Rio" ein bißchen nach altem Käse müffelt.
Das soll natürlich Eltern mit Kindern nicht stören, die zwischen Popcorneimer und Halblitercola nach etwas lustiger Samstagnachmittagsentspannung suchen und vergnügt im Sessel glucksen und gackern dürfen, vor allem wenn die 3D-Maschinerie einige waghalsige Flugkamerafahrten generiert, die sich gewaschen haben, aber alle über zwölf Jahre und mit ein wenig Innovationsanspruch versprechen sich bei einer Ansammlung von gut einem Dutzend großangelegter Animationsfilme pro Jahr vermutlich ein bißchen mehr als nette Stangenware in blankpoliertem Look.
So wirkt denn auch der charmante Tukan Rafael ein bißchen aufdringlich, die Amorebotschaft der Samba-Metropole etwas anbiedernd (und vor allem angesichts der tatsächlichen Probleme Brasiliens und Rios im Besonderen zuckergußig) und die "coolen Vögel" vor Ort, Pedro und Nicky haben wenig individuelles Profil zu bieten, außer einigen betonten modernen Referenzen. Die menschlichen Bösewichte sind überwiegend Trottel, allein der fiese Kakadu Nigel hat ein bißchen Biss, wie es die Rolle verlangt. Und die kleinen raffgierigen Äffchen kommen ebenfalls kaum aus der Talsohle latent amüsanter Nebenfiguren, die man irgendwie schon woanders gesehen hat, heraus.
Da paßt es, daß man schon bessere Synchronleistungen gesehen hat, vor allem der Einsatz der "Culcha Candela"-Musiker Reedoo und Itchy als Pedro und Nicky sind qualitativ kaum dazu ausgesucht, sich länger als fünf Minuten an sie zu erinnern, Roberto Blanco macht seine Sache als Rafael aber ordentlich.
Kaum memorabel auch die drei, vier gestreuten Songs, die bonbonbunte Freiheitsherrlichkeit verbreiten wollen, weil ja alles im Sambarythmus swingen muß, aber dennoch bleibt der Eindruck eines tourismusfreundlichen Hommagestücks an alte WW2-Zeiten aus dem Hause Disney, als Donald noch mit Panchito und Joe Carioca tanzen mußte.
Wie gesagt, der Familienbande und den Kleinen wird das wohl kaum auffallen (für die 8/10), als Erwachsener, der gern Animationsfilme sieht, wirkt diese saccharingesteuerte Story wie ein Rückfall ins letzte Jahrhundert, als man noch darauf aus, daß die lieben Kleinen bloß kein echtes Drama und keine allzu bösen Bilder zu sehen bekamen und auch die größten Schurken besser am Ende nicht ums Leben kamen. Perfekt durchkomponiert kann sehr wohl ermüdend sein und auch wenn der Gesamteindruck bei "amüsant" stehen bleibt, ist das für so einen Aufwand einfach nicht genug. (6/10)