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Der deutsche Titel "Der Mandant" macht deutlich, das der Film zum Genre der Anwalts/Gerichts-Filme gehört, aber es fehlt ihm die Doppeldeutigkeit des Originaltitels. Mit "The Lincoln Lawyer" wird nicht nur die tatsächliche Hauptfigur des Films benannt - der Anwalt Mick Haller (Matthew McConaughey) - während dessen Mandant Louis Roulet (Ryan Phillippe) dagegen im Hintergrund bleibt, sondern schon die charakterliche Seite des so charismatischen, wie egozentrischen Verteidigers angesprochen.

Dieser lässt sich in einem alten Lincoln - Straßenkreuzer herumfahren, worin sich auch sein Büro befindet, von wo aus er den Hauptteil seiner Klienten direkt erreichen kann - Motorradgang-Mitglieder, Prostituierte und Drogendealer. Von der Rückbank seines Fahrzeugs aus, bespricht er schon die wichtigsten Details, verhandelt sein Honorar und weist seinem Chauffeur das nächste Ziel, das meist in den weniger glanzvollen Stadtteilen von Los Angeles liegt. Zum Wohle seiner Schützlinge, aber auch seines Einkommens, liegen seine Stärken - neben den rhetorischen Qualitäten - in der Ausnutzung des Paragraphen-Dschungels. Doch wer angesichts seines zweifelhaften Einsatzes für offensichtlich Kriminelle, die er trickreich aus den Fängen der Justiz befreit, annimmt, Haller hätte keine moralischen Bedenken, irrt – auf diese spielt die weniger offensichtliche Bedeutung des "Lincoln - Lawyer" an.

Auch der amerikanische Präsident Abraham Lincoln war Rechtsanwalt und seine moralisch einwandfreie Haltung ist in den USA heute noch legendär. Und auch wenn Hallers Lebenswandel damit nur wenig gemein zu haben scheint, so hat er doch eine klare Prämisse – er will Gerechtigkeit, auch wenn er dabei seinen ganz eigenen Maßstab anlegt. Aus diesem scheinbaren Widerspruch gewinnt der Film seinen Reiz, der ideal auf Matthew McConaughey zugeschnitten ist, der hier ganz in der Rolle des sympathischen Kotzbrockens aufgeht. So entspannt er seiner Arbeit nachgeht, so lässig ist auch sein Umgang mit seinen Zeitgenossen. Weder lässt er sich durch die diversen Kleinkriminellen aus der Ruhe bringen, noch durch seine Ex-Frau Maggie (Marisa Tomei), die zwar als Staatsanwältin über seinen Umgang mit dem Gesetz wettert, sonst aber ein sehr gutes Verhältnis zu ihm, mit dem sie eine gemeinsame Tochter hat, pflegt. Dem Film gelingt es, diese privaten Konstellationen undramatisch und ohne übertriebene Emotionen in das Geschehen zu integrieren - auch als Mick Haller dann doch aus der Ruhe gerät.

Dabei scheint die Begegnung mit Louis Roulet vor allem ein sehr gutes Geschäft zu sein. Der aus sehr wohlhabendem Hause stammende Mann soll eine junge Frau schwer verletzt haben. Sie spricht sogar von einem Mordversuch, aber Roulet, unterstützt durch seine sehr autoritäre Mutter (Frances Fisher), beteuert überzeugend seine Unschuld. Vieles scheint seine Theorie zu bestätigen, vor allem als es sich herausstellt, dass es sich bei dem Opfer um eine Prostituierte handelt, aber dann zeigen sich, dank der Nachforschungen von Frank Levin (William H.Macy) - Hallers Freund und für das Anwaltsbüro als Detektiv tätig - doch erste Widersprüche. Wirklich aufmerksam wird Haller aber erst, als ihm auffällt, dass er schon einmal einen Fall behandelt hatte, indem die Leiche einer jungen Frau – auch eine Prostituierte - fast identische Verletzungen im Gesicht aufwies. Damals hatte er Jesus Martinez (Michael Peña) verteidigt und erreicht, dass dieser statt der Todesstrafe lebenslänglich erhielt. Dafür musste dieser ein Geständnis abgeben, obwohl er seine Unschuld beteuerte und von einem hellhäutigen Mann sprach, den er gesehen hatte, nachdem er aus der Wohnung der Prostituierten gegangen war. Doch Haller hatte ihm nicht geglaubt und hielt ihn für schuldig – eine Haltung, die er beginnt, in Frage zu stellen, was unmittelbar an seinen Gerechtigkeitssinn appelliert.

„Der Mandant“ baut langsam seine Spannung auf und bringt Haller in eine aussichtslos wirkende Position. Als Frank Levin, erschossen mit Hallers Waffe, tot aufgefunden wird, ahnt dieser, dass auch seine Familie in Gefahr ist. Trotz dieser Zuspitzung der Situation, in der auch die Polizei zunehmend eine Rolle spielt, bleibt dieses moralische Spiel um Schuld und Sühne immer ein Anwaltsfilm mit einem cool agierenden Matthew McConaughey im Mittelpunkt. Die Story selbst mag nicht sonderlich originell sein, aber der Film lebt nicht nur von seiner Hauptfigur und den ausgezeichnet besetzten Nebenrollen, sondern überzeugt auch mit einer überraschend zurückhaltenden Auflösung, die mehr der anwaltlichen Intelligenz frönt, als einem aufgebauschten Show-Down. Das wird einige Betrachter enttäuschen, passt aber zur sonstigen Lässigkeit des Films, der sich auch jede moralische Läuterung und hohles Pathos spart (8/10).

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