"Red Riding Hood" von "Twillight"-Regisseurin Catherine Hardwicke ist ein typisches Produkt für die MTV-Generation: ein romantisch-schauriger Gruselfilm "*light*" der Güteklasse A, ganz im Stil der früheren britischen Hammer-Horrorfilme, liebevoll ausgestattet und mit malerischen Kulissen, aufgepimpt mit modernen Popsongs und frischen, unverbrauchten Jungschauspielern besetzt - fertig ist die Dreiecks-Lovestory mit Mystery-Touch im Gewand eines Bravo-Fotoromans.
Inspiriert vom Grimmschen Märchenklassiker um Rotkäppchen und dem bösen Wolf nutzt "Red Riding Hood" nicht nur die schaurigen Elemente der literarischen Vorlage, sondern auch die altbekannte Werwolf-Thematik für ein spannendes "Whodunit" nach der Frage, wer der unheimliche Werwolf ist.
Dabei setzt Regisseurin Hardwicke geschickt auf unzählige Verdachtsmomente und geschickt gelegte Fährten, so dass das Gesamtbild ein mittelalterliches Gruselstück mit Thriller-Elementen ergibt, dass in wenigen Szenen wie eine weichgespülte Teenie-Version der aus den 70er Jahren beliebten Hexploitation-Movies wirkt.
Gary Oldman als Pater Salamon schlüpft dabei in die Rolle eines kirchlich bestellten Werwolf-Jägers und Inquisitoren, der zwar einen zwiespältigen Charakter darstellt, aber aufgrund einer gemäßigten Inszenierung nicht annähernd an die großen Vorbilder wie Herbert Lom oder Christopher Lee heranreicht.
Dennoch wecken die genretypischen Stilelemente wie Aberglauben, Hexenverhöre und erpresste Geständnisse sowie eine bizarre Foltermethode kleine Erinnerungen an Klassiker wie "*Mark Of The Devil*", wozu natürlich auch die eingebaute Liebesgeschichte samt Befreiung eines zu Unrecht der Hexerei beschuldigten Mädchens zählt und "Red Riding Hood" somit zusätzlichen Reiz verleiht.
Für die jüngere Generation - der Film hat eine FSK: 12-Freigabe und Kinder ab 6 Jahren dürfen in Begleitung eines Erziehungsberichtigten diesen Film sehen - mag das Werk durchaus furchteinflößend sein, einen alten Gorehound und Goutier harter Kost wird der Werwolf und sein finsteres Treiben kaum aus dem Kinosessel fegen.
Wer sich jedoch auf den Film einlässt, seine Erwartungen an Blut und Gemetzel weit nach unten schraubt und einmal "Rotkäppchen" in einer ganz anderen Version erleben möchte, wird an dieser klassischen Gruselmär seine Freude haben.
Die Besetzung weiss zu gefallen, die Charaktere haben Tiefe, der Score ist überzeugend und die mittelalterliche Atmosphäre wurde perfekt in Szene gesetzt.
Der Kitsch- und Schmalz-Faktor ist erstaunlicherweise sehr niedrig gehalten - als Gegenbeispiel: "*Casino Royale*" war schmalziger - und auch der Spannungsbogen kann bis zum Finale konsequent gehalten werden.
In einer Szene beweist Hardwickes Werk dann auch ein Gespür für feine Ironie, denn wenn Rotkäppchen seine Großmutter die berühmten Fragen nach der Größe ihrer Augen, Ohren und Zähne stellt und sich diese Szene als Traumsequenz entpuppt, ist der Zuschauer froh, dass sich "Red Riding Hood" treu bleibt und nicht zur klassischen Märchenverfilmung verkommt, sondern mit Witz die Tradition bricht und für einen wunderbaren Schenkelklopfer sorgt.
Das Finale entpuppt sich dann als raffiniert erzählte Auflösung, die aber insgesamt viel zu unspektakulär inszeniert ist. Die Enttarnung des Werwolfs erinnert wie ein Puzzle, bei dem in kurzen Rückblenden frühere Szenen einen anderen Sinn ergeben, doch leider wirkt die Tötung des bösen Wolfs zu undramatisch.
Insgesamt gesehen ist "Red Riding Hood" aber eine willkommene Abwechslung zur aktuellen harten Horror-Welle.