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Wenn eine weiß verputzte Schulgebäudewand voller unvollendeter Graffiti ein Film wäre, dann wäre sie wohl „3:15“. Die 80er in all ihrer überzeichneten Pracht, sie führen nicht allzu filigran Strich in diesem überzeichneten Gang- und Schulhofdrama, dessen Regisseur durchaus schon mit feineren Pinseln im gleichen Milieu unterwegs war. Schließlich hatte Larry Gross gemeinsam mit Walter Hill zuvor bereits an den Drehbüchern für „Nur 48 Stunden“ (1982) und „Straßen in Flammen“ (1984) gearbeitet. Nun ist er es, der das Drehbuch zweier unerfahrener, quasi frisch von der Schule kommender Autoren in chaotische Bilder voller Lederjacken, toupierter Frisuren und einem Nebeneinander aus biederen Schulhöfen und filzigen Nachtclubs übersetzt, als wolle er durch Oberflächenreize vom dürftigen Inhalt ablenken. Mittendrin in der Schmiererei: Adam Baldwin als Jeff Hannah, der personifizierte Trigger einer geordneten Gegenwartsaufnahme. Was zieht den Ärger wohl zuverlässiger an als ein milchgesichtiger Ex-Gangleader, der inzwischen auf Musterschüler macht?

Ähnlich grobschlächtig wie die „Ein Jahr später“-Überleitung am Ende des Prologs fällt dann auch die Charakterzeichnung im Film aus. In Artverwandten wie „The Wanderers“ (1979), „The Outsiders“ oder „Rumble Fish“ (beide 1983) gilt ihr üblicherweise das Hauptaugenmerk, hier aber verströmt sie eher einen Alibi-Effekt, während mit Hochdruck auf die dominierende High-Noon-Prämisse hingesteuert wird. Irritierenderweise zeichnet Gross nach dem Ausstieg des Gangmitglieds zunächst eine Idylle, die es ihm ermöglicht, trotz gewechselter Seiten ein Musterleben mit biederer Freundin (Deborah Foreman) und rosiger Zukunftsperspektive auszuleben, während die Gang davon unberührt ihren eigenen Pfad geht. Doch das Skript fackelt nicht lange, den Zufall zur Hilfe zu rufen, um doch noch eine Erzfeindschaft aufflammen zu lassen. Eine unglückselige Kreuzung der Wege in der Duschkabine nur, und schon schlagen die Western-Motive bahn, als Spiegel mit Uhrzeiten bemalt werden und der Schulhof langsam zu klein wird für zwei Kobras.

Inszeniert wird das Ganze aber nicht wie ein düsteres Coming-of-Age-Drama mit Katharsis-Effekt, sondern fast schon mit dem unverbindlichen, vor Konsequenzen gefeiten Charme einer rotzigen Sommerkomödie. Wenn Schulleiter und Polizist im Büro die Lage sondieren und Partei für oder gegen eine Gruppe ergreifen, und erst recht, wenn jemand wie Wings Hauser einen Kurzauftritt als College-Girl-Daddy liefert und eine Explosion verspricht, die nie eintrifft, ist die Chose einem Comic mit kräftigem Tuschestrich deutlich näher als einem fein schattierten Jugenddrama. Bekannte Gesichter wie Gina Gershon oder Mario Van Peebles sorgen trotz der auffälligen Nichtfunktionalität ihrer Rollen für reichlich Profil auf der Oberfläche.

Hauptdarsteller Adam Baldwin ist dahingehend ein ganz spezieller Fall: Obwohl seine Figur zwischen den Extremen sämtlicher Klischees des High-School-Films pendelt, liefert er eine unerwartet einnehmende, trotz oder wegen seiner Naivität erfrischende Performance. Es gelingt ihm, das Schelmische eines jungen Matthew Broderick („Ferris macht blau“, 1986) mit der aalglatten Ausstrahlung eines Kurt McKinney („Karate Tiger“, 1986) und der trotzigen Erscheinung eines William Zabka („Karate Kid“, 1984) zu einer interessanten Mischung anzurühren, mit der er es schafft, dass man ihm sogar die traditionell negativ konnotierten Eigenschaften typischer Footballstar- und Streber-Figuren verzeiht, auch wenn er vor mancher Kulisse eben trotzdem wie ein dummer Esel im falschen Film wirkt.

Viel Handlung ereignet sich auf dem Weg zum Showdown nicht, und auch was den Spannungsaufbau angeht, zeigen sich weder Skript noch Regie allzu ambitioniert, so dass sich Danny De La Paz als Widersacher erst recht spät in den Vordergrund spielen kann, obwohl er eigentlich durchgängig präsent ist. Gross legt das Augenmerk lieber darauf, profane Alltagsbeobachtung in subkulturelle Klischees umzuwandeln, die mit der Realität nicht viel zu tun haben, dem Film aber trotz fehlender Schauwerte in Form von Action und Gewalt jene Art von Belag verpassen, der mit zeitlicher Distanz heute wieder hübsch anzusehen ist. Dabei wird nicht nur die Gegenwart der 80er ausgestellt, auch der Bezug zu den 50er-Jahren ist zugegen, Haargel, Diners und Rockabilly zum Dank. Insofern steckt durchaus bereits etwas Postironisches in der gezeigten Kultur, die sich auf etwas Vergangenes bezieht und es auf die eigenen Zwecke ummünzt, um Geschichte letztlich zu wiederholen.

Der Flow von „3:15“ ist bei alldem recht träge. Er ist sogar so genügsam, dass sich der plötzliche Auge-um-Auge-Ethos, den das Finale schließlich einbringt, wie ein Fremdkörper anfühlt. Obwohl sich Gevatter Ernst natürlich lange im Voraus angekündigt hatte, überrumpelt er den Zuschauer mit seiner Gnadenlosigkeit, die irgendwie fehl am Platz wirkt, wenn auf einmal nerdige Sidekicks mit Schusswunde am Rand liegen und zu verbluten drohen. Gross strebt hier aber nicht etwa einen „Wake Up and Grow Up“-Effekt an, mit dem die unversehrte Unschuld an der Realität kollidiert, sondern er inszeniert weiter so überzeichnet, als wäre alles nur ein großer Spaß.

Dass man den Titel „3:15“ nie in einem Atemzug mit den Klassikern der Jugendbandenfilme zu hören bekommt, hat schon seinen Grund. Von dieser Sorte Film erwartet man eben vor allem das, was dieser Kandidat kaum zu bieten hat, nämlich fein geschliffene Charaktere in komplex geschriebenen Dramen. Was sich da im einzigen Spielfilm von Larry Gross tummelt, ist schlichtweg zu eindimensional, um nicht von Anfang an zum Vergessenwerden verdammt gewesen zu sein. Dass man heute überhaupt noch die Möglichkeit hat, ihn wiederzuentdecken, ist lediglich der unberechenbaren Lotterie medialer Verbreitung zu verdanken. Wer auf diese Weise zufällig darauf stößt, wird zwar keinen vergessenen Klassiker entdecken, wohl aber ein buntes Kleinod mit reichlich Zeitkolorit, das neben einem charismatischen Hauptdarsteller eine ganze Menge charismatischer Gesichter in Nebenrollen zu bieten hat, die gemeinsam für ein lebhaftes Portrait der 80er posieren, angefertigt von einem Street Artist.

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