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Alex Chandon, begeisterter Splatterfreak und Amateurfilmer, konnte sich Ende der 80er bzw. Anfang der 90er Jahre mit trashigen Kurzfilmchen wie Chainsaw Scumfuck (1988), Bad Karma (1991) oder Drillbitt (1992) in Fankreisen einen relativ positiven Leumund erhaschen. Von den billigen Effekten des Erstlings steigerte sich die Qualität der Splattersequenzen von Titel zu Titel  und mit dem 120 minütigen Episodenfilm Cradle of Fear (2001) widmete er sich seinem ersten größeren, umfangreichen Independentprojekt, welches auch heute noch auf Grund seiner zahlreichen blutgetränkten Goreeffekte einen ausgezeichneten Ruf bei den Freunden von splattriger Amateurkost genießt.  Geschlagene 10 Jahre später war es dann so weit: Mit Inbred (2011) erhielt Alex Chandon die Chance, einen professionell produzierten Horrorfilm umzusetzen. Das Ergebnis kann sich meiner Meinung nach durchaus sehen lassen, seine Vorliebe für skurrile und deftige Szenen lebt Chandon auch in Inbred zur Genüge aus, nur hat er hier nun endlich auch das dementsprechende Budget, seinem Splatterfeuerwerk eine wertigere Optik zu verpassen.

Die Geschichte schrieb Alex Chandon gemeinsam mit Co-Autor Paul Shrimpton, in dessen Heimatdorf Thirsk (North Yorkshire) der größte Teil des Filmmaterials entstand. Die Dreharbeiten gestalteten sich anfangs als recht schwierig, da Bürgermeister Derek Adamson wegen dem Titel Inbred (=Inzucht) und den älteren, nach seinen Augen menschenverachtenden, gewaltverherrlichenden Brutalo Frühwerken des Initiators massive Bedenken äußerte. Er befürchtete Assoziierungen zwischen den Filmkreaturen und den realen Einwohnern. Als bekannt wurde, dass auch schwarzer Humor ein bedeutendes Thema sein sollte,  gab Adamson letzten Endes grünes Licht für den nicht gerade zimperlichen Backwood-Slasher. Die Story ist zweckdienlich und banal gehalten: 2 Sozialarbeiter fahren zwecks Gruppentherapie mit einer vierköpfigen Gruppe von schwererziehbaren Jugendlichen in ein verlassenes Dorf Namens Mortlake, welches von einer Horde freakiger, missgebildeter Hinterwäldler bewohnt wird, welche Fremden nicht gerade offen gegenüber stehen. Nach einem provozierten Zwischenfall mit unglücklicher Verletzung eines Jungendbetreuers offenbaren die Mortlaker jedoch ihr wahres, blutrünstiges Gesicht und für die jungen Leute beginnt ein gnadenloser Kampf auf Leben und Tod, jenseits allem bisher Vorgestellten...

Wenn ich Inbred stilistisch kategorisieren müsste, würde ich ihn irgendwo zwischen Texas Chainsaw Massacre (1974), The Hills have eyes (2007) und Wrong turn (2003) einordnen und thematische Parallelen zu den genannten Genrevertretern sind bestimmt nicht ganz von der Hand zu weisen. Doch Inbred geht auch seine eigenen Wege, während Texas Chainsaw Massacre bei den Bluttaten im Off mehr auf die Vorstellungskraft des Publikums vertraute, zelebriert Inbred regelrecht die schockierende Wirkung von blutig visualisierten Gräueltaten und krassen Splatter-Einlagen, abgeblendet wird frühestens beim Erscheinen der Endcredits. Der  derbe, trockene, englische Galgenhumor verleiht dem Geschehen eine zusätzliche morbide Würze und sorgt mit allerlei kranken Einfällen für eine deutliche Abgrenzung vom Genreeinheitsbrei. Die sadistische Show, in welcher Menschen vor einem Beifall klatschenden Mutantenpublikum zu Tode gequält werden oder auch die Wetten, wieviel Yards es ein verwundetes Opfer durch ein Minenfeld schafft, sind nur zwei Beispiele  von Chandons makaberen Einfallsreichtum.

Das Salz in der Suppe sind jedoch die tricktechnisch hervorragend umgesetzten Splattersequenzen, die jedem Goresymphatisanten die Freudentränen in die Augen treiben dürften. Chandon und sein Team arbeiteten größtenteils mit handgemachten Effekten, Masken sowie Blutfontänen, auf Computerunterstützung wurde nur bei schwierig umsetzbaren Situationen zurückgegriffen und selbst diese Momente sehen bis auf ein paar kleine Ausnahmen fantastisch aus. Ebenso verdient die versierte Kamerakoordination von Anthony Holt vollste Anerkennung, welche aus unterschiedlichen Blickwinkeln die Geschehnisse mal ruhig versiert oder wenn nötig auch temporeich mit schnellen Schnitten einfängt. Die bunte Vielfalt der rabiat präsentierten Grausamkeiten lässt dabei keine Wünsche übrig, von abgeschossenen Fingern über Kehlenschnitte hin zu abgetrennten Köpfen und Gliedmaßen, Bauchschüsse, überrollte Körper, ja selbst ein Pferd darf seinen Hufabtritt auf einem am Boden liegenden, bedauernswerten Opfer verewigen. Das faszinierende an den meisten beschriebenen Szenen ist, es sieht alles ziemlich realistisch aus, dass einem teilweise der Atem stockt. 

Ein wahrlicher Augenschmaus im bizarren und makaberen Sinne ist das optische Erscheinungsbild der deformierten Inzest-Freaks, welche dank aufwendiger Maskenarbeit einen dekadent abgehobenen Eindruck hinterlassen. Interessant zu wissen ist, dass hinter einigen Verkleidungen die Dorfbewohner von Thirsk stecken, die sichtlichen Spaß an ihren Statistenrollen hatten. Das Highlight aus schauspielerischer Sicht setzt Seamus O'Neill  als Barkeeper Jim, Entertainer und Anführer der Inzest-Brut, sein egozentrisches Minenspiel und die zynische Wortführung verleihen seiner Filmfigur eine geheimnisvolle, diabolische Ausstrahlung. Eher durchschnittlich fallen die Leistungen der Jugenddarsteller und deren Betreuer (Terry Haywood (Zep), Chris Waller (Dwight), James Burrows (Tim), Nadine Rose Mulkerrin (Sam), Jo Hartley (Kate) und James Doherty (Jeff)) aus. Ihnen gelingt es leider nur bedingt, beim Zuschauer für ihr Schicksal Mitleid zu erregen, was auf ihr teilweise nerviges Auftreten bzw. amateurhaftes Acting zurück zu führen ist. Dies fällt vor allem in den ersten etwas zähen 30 Filmminuten auf, da hier actionbezogen relativ wenig passiert und das primäre Augenmerk sich auf die ein wenig einfältig geführten Unterhaltungen richtet.

Inbred feierte seine Weltpremiere am 29.11.2011 auf dem Film4 FrightFest in London und wurde von Anhängern und Kritikern größtenteils positiv aufgenommen, dass es bei einem Streifen mit so einem ambitionierten Härtegrad auch einige negative Resonanzen gibt, ist eigentlich kein großes Geheimnis. Wichtig ist, dass die Zielgruppe, für welche derlei Unterhaltung produziert wird, auf ihre Kosten kommt und Alex Chandon bietet mit Inbred genau das, was seine Gefolgschaft sehen will: Knallharten Horror mit blutig derben Splatterszenen und einer Brise pechschwarzem Humor. Über kleine Unzulänglichkeiten wie der schleppende Spannungsaufbau im Anfangsdrittel oder die aus meiner Sicht nicht immer überzeugenden Darsteller auf der Protagonistenseite dürfte der Gorehound bestimmt locker hinwegsehen. MovieStar Wertung: Verdiente 8 von 10 Punkte.


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