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Wenn du erst einmal mittels einer weltweit erfolgreichen Filmreihe ein Superstar geworden bist, noch dazu in jungen Jahren, dann will man diesen Status natürlich erhalten - oder sich zumindest außerhalb der Fanscharen beweisen.
Das betrifft auch den "Twilight"-Star Robert Pattinson, dessen Ansehen als schweigsamer Fangzahn unter der weiblichen Bevölkerung trotz hölzerner Vorlage und bleifüßiger Drehbücher stets geradezu enthusiastischer Natur war.
Jetzt ist der letzte Fitzel aus der Feder von Stepfanie Meyer abgedreht, also zieht die Karawane weiter zu neuen Pfründen.

Was wäre da besser als eine schöne Bestsellerliteraturverfilmung wie "Water for Elephants", prachtvoll in der Ausstattung, klassisch in der Liebesgeschichte und ideal für einen kernigen jungen Mann, wenn er mit einer schönen Frau, einem grausamen Rivalen, der großen Depression von 1931 und vielen wilden Tieren konkurrieren muß?
Aber wenn man denn das Publikum schon zum Zwecke der großen Gefühle gut 80 Jahre zurückversetzen will (eine Filmdomäne der klassischen Literatur und des gehobenen TV inzwischen), muß dann auch alles stimmen - allein, in diesem Fall stimmen nur einzelne Komponenten.

Das fängt sicherlich damit an, daß man die Vorlage Sarah Grüns für die Verfilmung erst einmal dramaturgisch schön hat einkochen lassen. Die Grundstory blieb die gleiche: ein Veterinärstudent verliert sein Elternhaus und gerät an einen Zirkus, eine schöne Reiterin und ihren unberechenbaren Ehemann, während er sich in einer harten Zeit um die Tiere kümmert. Doch aus dem paranoid-schitzophrenen Dompteur und dem gewalttätigen Zirkusbesitzer erwuchs im Drehbuch eine einzelne, von Christoph Waltz gespielte Figur, die die meisten Charakterzüge beider Romanfiguren aufwies.
Damit war dann auch der Trend vorgegeben: die Teile der Geschichte, die das Leben, den Aufbau und die Hierarchie im Zirkus beschrieben, wurden einreduziert, die Liebesgeschichte zwischen Jacob und der Dompteursgattin Marlena etwas aufgewertet: statt "period picture" also mehr persönliches Melodrama mit etwas Herzschmerz.

Doch wer seine sorgsam aufgebauten und liebevollen Schauwerte erst an- und dann etwas unterordnet, dazu die Nebenrollen stärker vernachlässigt, der muß auch sicher sein, daß seine Hauptakteure den Film tragen können und das in jeder Szene. Und genau hier fängt die Story an zu stottern, können die prachtvollen, erlesenen Bilder und die liebevolle Kameraführung das Drama bald nicht mehr tragen.
Am unbeschadetsten kommt noch Oscargewinner Christoph Waltz davon, der natürlich das Glück hat, die komplexeste Figur abzubekommen: einen fast unberechenbaren Psychopathen, der zwischen geschäftlicher Gerissenheit, bezauberndem Charme, erlesener Bildung und rasenden Wutanfällen hin- und herwechselt und streckenweise zum eiskalten, unaufhaltbaren Mörder wird, ehe er sich wieder in Trunksucht der ängstlichen Unterwerfung hingibt. Dabei blitzt zwar manchmal Waltz' Hans Landa aus "Basterds" auf, aber die Vielschichtigkeit dieses Biests, das man mal ermorden möchte, um es dann kurz darauf nicht übers Herz zu bringen, ist ein wunderbar hassenswerte Figur ihrer Zeit.
Präzise und auf den Punkt zeigt (ungewollt) seinen limitierten Co-Stars ihre Grenzen auf, allen voran Pattinson, der sicher froh war, eine Charakterrolle abzubekommen, aber dann im alten "Twilight"-Territorium strandet, als zögerlicher, unsicherer, gedankenvoller Zauderer, der zumeist nach bekanntem Vorbild auf seiner Unterlippe herumnagt und dann doch wieder nur seinen hilflosen Schlafzimmerblick in die Manege werfen kann. In ein paar Szenen werden Mimik und Schauspiel tatsächlich aktiv, fast wild, dann sieht man das Potential, aber darauf folgt fast immer wieder der Rückschritt in das zäh angelegte Skript.
Nicht viel besser endet die Vorstellung für Reese Witherspoon als Waltz' Frau, die zunächst in der Pferdedressur als Akrobatin aktiv ist und später die Elefantennummer angeht. Als potentieller "love interest" und schützenswertes Wesen ist sie zwar vielschichtiger angelegt als der oberflächlich verharrende Jacob, aber die 10 Jahre Alterunterschied sieht man Witherspoon im Vergleich zu ihrem Co-Star an und trotz einigen Engagements schafft sie es mit ihrem Pferdegebiß und den rotgeschminkten schmalen Lippen nie, die Empfindsamkeit oder die Exotik oder den Zauber dieser Figur zu transportieren - die Oscargewinnerin wirkt mehr wie eine kantige Nachtclubschwärmerin, gewaschen mit allen Wassern, die sich in den Zirkus verlaufen hat.
Die Romanze kommt entsprechend nie in Fahrt und da die Frequenz an gefühlsduseligen Szenen sich mit fortschreitender Lauflänge leider noch erhöht, droht dem Film steigendes Desinteresse seitens des Publikums - ein kreatives Todesurteil.

Etwas Hoffnung kommt meistens auf, wenn man sich um die Belange des Zirkus an sich kümmert, wenn man die Nebenfiguren mal in den Fokus nimmt (was selten genug vorkommt), wenn die Bilder den Zauber und die Sensationen ausstrahlen, die das Filmplakat verspricht. Elefantendame Rosie ist dann auch ein veritabler "scene stealer"; die Sequenz, in der sich das Tier selbst befreit, um Limonade zu klauen, um sich anschließend wieder selbst anzuketten, ist sicher einer der Höhepunkte eines ansonsten eher höhepunktarmen Films, der sein dramatisches Potential rund um die klassenartige Hierarchie und den vielfachen Mord an unbequemen Arbeiten mittels Werfen aus dem fahrenden Zug viel zu klein hält.
Auch die früh angekündige Katastrophe zum guten Schluß verschenkt der Film fast komplett: anstatt das Drama dräuend sich nähern zu lassen und die Bombe dann platzen, geschieht der Ernstfall fast beiläufig im Film, der Zuschauer gerät mit Pattinson in die Szenerie, als das "Kind schon ins Wasser gefallen ist", um den Ereignissen dann hinterher zu laufen.

So bleibt nur ein kleines, feines Sonderlob an Altstar Hal Holbrook, der die Rahmenhandlung zu einem Erlebnis macht, während das überraschend eindeutige Happy End (man hätte eher mit einer Tragödie gerechnet) doch arg sülzig ausfällt.
So ist "Water for Elephants" eine Romanadaption, mit der man sich eben mit dieser Besetzung keinen Gefallen getan hat, auch wenn die Bilder wunderschön und treffend daherkommen. Wunderbar fürs Auge, aber eben nicht ausgereift fürs Gefühl - im wahrsten Sinne des Wortes mittelprächtig. (5/10)

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