Review
von Con Trai
Weiteres aktuelles Thrillerkino aus Korea, diesmal als wirksames Element inmitten einer einzigen Nacht und als direktes Duell mit Zwischeneinflüssen im erst begrenzten und dann umso größeren Raum spielend; wobei man trotz aller Spannung niemals über dem Abgrund hängt und mit der Protagonistin zusammen in die Tiefe ihrer Ängste blickt. Grund dafür ist die teilweise haarsträubende Unlogik des Geschehens, die die schon von vornherein schwierigere Prämisse obschon auch vieler geglückter Momente schnell in die Absurdität einer schlecht erdachten oder zumindest bald auf Biegen und Brechen erzwungenen und eines Münchhausen würdigen Fantasie zwischen Play Misty for Me, Talk Radio und The Fan [ sowohl 1981 als auch 1996 ] als auserlesen schmucke Aktualisierung führt. Und zuungunsten gedanklicher Suspense-Korrekturen lieber gleichfalls unpassende Actionszenen in das zuletzt überaus überkonstruierte und trotzdem nichtssagende Gemisch wirft:
- "I can be an annoying listener."
Die ehemalige Nachrichtensprecherin, nunmehr bei HBC Radio angestellte Ko Seon-yeong [ Soo-ae ] will aus ihrer erfolgreich laufenden, in den jungen Morgenstunden ausgestrahlten Sendung Midnight F.M. aussteigen und auch f[r die Gesundheit und eine bevorstehende Operation ihrer kleinen Tochter Eun-soo [ Lee Joon-ha ] nach New Zork umziehen. Die bevorstehende Abschlusssendung mit ihrem schon wahnhaften Lieblingsfan Son Deok-tae [ Ma Dong-seok ] als Gast passt weder den nunmehr alleingelassenen Mitarbeitern wie ihrer Autorin Park Kyeong-yang [Choi Song-hyeon ] oder dem Techniker Yang Woo-han [ Kim Min-gyoo ] und schon gar nicht dem Produzenten Oh Jeong-moon [Jeong Man-sik ] so wirklich in den Kram, wird aber von dem Ex-Sträfling Han Dong-soo [Yoo Ji-tae ] noch wesentlich verbitterter und mit härteren Gegenmitteln aufgenommen. Er bricht während der Schaltung in die Wohnung von Ko und ihrer jüngeren Schwester Ah-yeong [Sin Da-eun ] ein, nimmt diese und ihre jeweiligen Töchter als Geisel und stellt umgehend Forderungen, einer Wunschliste gleich an die Moderatorin. Währenddessen findet die einem bereits mehrfach zuschlagenden Serienkiller nachforschenden Detectives Eom [ Eom Tae-goo ] und Jo [Jo Seok-hyeon ] die Leiche von Kos geplanter Nachfolgerin.
- "Shouldn't we try for a beautiful ending?"
Die Ansätze für verschiedenen Bewegungen und Stellungen werden in der schick-düsteren high class Bebilderung erst an-, wenn auch nicht aufgedeudet, bewegt man sich vom Hören zum Sehen, vom Radio zur Kinemathek, aus dem verschließbaren und schalldichten Raum zur Zuhörerschaft nach außen, auf die Straßen der Stadt, zum Publikum, das ansonsten anonym für sich und andere den Worten zur Schlafenszeit lauscht und nun live und wach den Taten folgt. Ähnlich wie der Antagonist eine bald schizophrene Mischung aus unbewusst Gesagten, dass im ersten Augenblick besser klingt als es der Beweisführung standhält, und dem Nachhaken der leeren Sätze, die eigentlich den Umkehrschluss erzwingen, es dafür nunmehr aber zu spät ist.
Die durchaus hingebungsvolle, mit abgedämpften Licht durchflutete Inszenierung arbeitet dabei durchweg mit Filmzitaten selber, oft konkret in das Auge springenden oder das Ohr dringenden, oft aber auch mit indirekten, subjektiven Verweisen, die dem Betrachter selber auffallen oder auch nicht. Mehr als einmal werden Travis Bickle als Taxi Driver und sein erst schleichender, dann umso publik gemachter, da schließlich in der Öffentlichkeit mißverstandener und gefeierter Amoklauf als Zitierung genommen, der Rest mäandert durch die Histoire(s) du cinéma von Casablanca über The Sting bis hin zu Pump up the Volume, in Bezug auf deren Soundtracks und diesbezüglicher Aussagen und speziellen Stimmungen. Eine wilde Auto- / Motorradverfolgungsjagd im späteren Rahmen erinnert in ihren Bildern an A Moment of Romance, die plötzliche Aufmerksamkeit und Beteiligung des eigentlich unpersönlichen Auditoriums an den Radios, Mobiltelefonen oder Computern der Stadt an die Aufregung bei Orson Welles "War of the Worlds". Eine mehr oder minder bewusste Patenschaft des Filmes, die die vielen Sprünge in Sinn und Verstand und die Brüche von einfacher Archaisierung zu psychologischen Gemurmel [mehr schlecht als recht] füllt.
Der Hauptgegenstand der Künste von Regisseur Kim Sang-man ist aber der, der auf das Auge wirken kann, wird das nächtliche Ereignis und seine finsternisumflossene Sphäre mit einer Sammlung apart erhellender Lichtkegel in Szene gesetzt, die mehr Eindruck als die kleine Schauspielerschar im Vordergrund dieser präzisen Grafiken macht. Gerade das zwischenzeitlich die anregende Aufwertung einnehmende hide-and-seek in der Wohnung von Ko trägt viel zu der Formung des unaufhaltsam entwickelnden, aber identifikationsfremd und so in distanzierter Gefangenschaft bleibenden Materials bei; während die Darsteller, allen voran Soo-ae als leider so überhaupt nicht kontinuierliche und nicht nur deswegen auch so gar nicht zur Empathie oder Sympathie einladende Bezugsfigur auf Gebärdenkunst und Flüstern oder Geschrei reduziert werden. Viel Lärm um Nichts.