Review

Mit THE WOMAN erreicht uns mal wieder eine viel versprechende Jack Ketchum-Verfilmung. Um ganz ehrlich zu sein, ich habe bislang weder eine dieser Verfilmungen gesehen, noch eines seiner Bücher gelesen. Ketchum hatte mich bislang nie interessiert. Ich hatte ihn und alles, was seinen Namen trägt, als dummdreisten Torture-Porn, der auf der SAW-Welle surft, abgespeichert. Doch ich sollte eine Überraschung erleben…

Ein Familienvater stößt in den Wäldern auf eine Wilde, eine frei, in zerlumpter Kleidung umherlaufende Frau, fängt sie ein und kettet sie in seinem abgelegenen Heim im Keller an. Fortan werden alle Familienmitglieder mit den verschiedensten Aufgaben bezüglich der Versorgung der Frau betraut. Die absurde Mission lautet: die Wilde zu resozialisieren.
Schon bald muss die Frau allerdings nicht nur Zwangsfütterungen – und waschungen, sondern auch sexuelle Übergriffe von Seiten der männlichen Familienmitglieder hinnehmen. Mutter und Tochter sehen dem Treiben erst nur zu und nehmen willenlos die Befehle des Familienoberhaupts entgegen…

THE WOMAN ist wahrlich harter Tobak mit deutlichen Parallelen zu MARTYRS oder dem etwas weniger bekannten DEADGIRL, in dem ein Zombiemädchen für sexuelle Experimente von Jugendlichen herhalten muss.

Frauen sind hier Vieh. Schon lange wurden Frauen nicht mehr so erniedrigt dargestellt wie hier. Reinemachen mit dem Dampfstrahler, Nippelzwicken mit der Kneifzange, am Ende dann sogar eine Frau als Hund… – da werden Erinnerungen an TEXAS CHAINSAW MASSACRE, BLOODSUCKING FREAKS oder gar 120 TAGE VON SODOM wach.
Was erschwerend hinzukommt: die gefolterte Wilde ist überaus hübsch. Ähnlichkeiten zu Asia Argento nach einer ausschweifenden Drogennacht sind deutlich vorhanden. Sie wird halb nackt in „Jesus-Christus-Pose“ an die Wand gekettet wie der knochendürre Zombie in RETURN OF THE LIVING DEAD 3. Ihr Status kommt dem eines Haustiers gleich.

Plakativ geht es natürlich nur um Erniedrigung und Folter, hintergründig treten aber große Themen der Weiblichkeit auf. Es geht um Macht- und Willenlosigkeit und Unterdrückung durch den Mann. Um Frauen, die Männer und deren blinde Brutalität freie Hand lassen, sich weder wehren, noch fähig sind, sich in irgendeiner Form zu helfen. Kritik an mangelnder Solidarität zwischen Frauen wird angedeutet. Mutter und Tochter verkörpern die schwache Weiblichkeit. Die angekettete Wilde dagegen symbolisiert Stärke und Emanzipation, in eingekerkerter Form versteht sich. Vor allem die Mutter ist ein Abziehbild der unterwürfigen Ehefrau. Sie nimmt nicht nur Schläge ihres Ehegatten hin, sondern auch, dass jener sich sexuell an seiner Geisel verlustiert.
Der Familienvater hingegen verkörpert extremen Chauvinismus und die brutale Männerwelt, in welcher die Frau nichts zu sagen hat und nur für die drei K’s (Kinder, Küche, Kirche) zuständig ist. Er steht für das mittlerweile größtenteils veraltete Männerbild, wie es vor der sexuellen Revolution herrschte. Wie der Dude sagen würde: „Der Typ behandelt Objekte wie Frauen!“.
Es hagelt Seitenhiebe auf unreflektierte Mitläufertäterschaft, wie sie im Dritten Reich vorherrschte, und Zwangssozialisierung wie bei den amerikanischen Ureinwohnern, aber das alles nur am Rande und hintergründig.

Was kann man über THE WOMAN noch berichten, außer dass er mit überaus drastischer Gewalt gegen Frauen gespickt ist? Ich hätte alles darauf gewettet, dass auf dem Regiestuhl eine Frau gesessen ist, doch war es ein gewisser Lucky McKee (RED, THE WOODS, MAY), der hier die Zügel in Händen hielt. Der Film ist eine Low-Budget-Produktion. Schauspieler, Kamera etc. sind aber überaus annehmbar. Ausnahme ist das kannibalistische Finale, in dem es krude Splatter-FX hagelt: dem Gore sieht man das niedrige Budget leider mehr als nur leicht an, was aber so ziemlich der einzige Wehrmutstropfen ist.
Der Streifen scheint inhaltlich eng mit BEUTEGIER (ebenfalls nach einer Vorlage von Ketchum) verflochten zu sein, was ich aber wegen Unkenntnis nicht beurteilen kann.


„Kreisch!“ (weiblich): (+)(+)(+)(+)(-)
„Aua!“ (männlich): (+)(+)(-)(-)(-)


Fazit:
Extremes Patriarchat prallt auf extreme Emanzipation. In gewisser Weise durchaus ein Frauenfilm. Jedoch einer der Sorte „GRÜNE TOMATEN goes Torture-Porn“.
Definitiv nicht nur für Sadisten und Perverse von Interesse, da vor allem das verschrobene Weltbild der männlichen Allmacht mit der Befugnis zu absolutem Hedonismus durch Mark und Bein schockiert.
„This is a Men’s World“ singt die emanzipierte Kannibalin und beißt voll Verzücken in den gebratenen Schniedelwutz…

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