Kevin Smith, der schweigsame Teil des noch vor 10 Jahren recht bekannten Duos "Jay & Silent Bob", bzw. Bluntman & Chronic, hat sich wieder einmal der Religion als Thema seines neuen Filmes angenommen. Und tatsächlich gibt es eine eklatante Parallele zwischen seinem „Dogma“ und dem hier vorliegenden „Red State“. Beide sind gerade gegen Ende inszenatorisch unausgegoren und finden nicht die richtige Balance zwischen schockierender Offenheit, bzw. ernstgemeinter Religionskritik und zynischem Humor. Doch auch wenn ich diese Aussage noch vor einigen Jahren mit Sicherheit nicht unterschrieben hätte: „Red State“ ist definitiv der Bessere der Beiden.
Das liegt zum Einen an der Direktheit von Smith´ neuem Film. „Red State“ ist mehr als ätzende Satire, nein, dieser Film ist der Schlag in die Fresse aller, die einem bei Betrachtung der Gegenwartsgeschichte auf den Zeiger gehen. Das kann man misanthropisch nennen, aber eventuell hat der alte Witz, ein Pessimist sei ein Optimist mit Erfahrung, ja auch etwas Wahres im Kern. Das gerade Amerika das Land der krassen Gegensätze ist, ein Land, in dem militante Abtreibungsgegner gern auch mal zu den Waffen greifen, um „Gottes Willen“ durchzusetzen, gleichzeitig aber auch die meisten Pornos gedreht werden. Ein Land das sich immer noch erdreistet einen durch Lügen legitimierten Kreuzzug zu führen, in dem Seitensprünge über die Karriere von Golfprofis wie Präsidenten entscheiden, während die Jugend das ganze Jahr über betet um sich dann an Spring Break kollektiv in die Begattungsstarre zu saufen.
Vielleicht hat ein solches Land genau diesen Film verdient.
Denn im Gegensatz zur Kritik am „american way of life“, den etwa "Southpark" übt, geht Smith hier mit einer durchaus nötigen Portion Ernst zur Sache. Die Gewalt ist ungeschönt, sämtliche Charaktere (mit Ausnahme vielleicht John Goodmans) unsympathisch bis hassenswert und bis ins tiefste Verdorben – so dass man allen die Apokalypse (von welchem Gott auch immer) an den Hals wünscht. Am Besten kommen da gerade noch die anfänglichen Protagonisten, nämlich drei Jugendliche die sich in Hoffnung auf einen flotten Vierer in die Hände einer fundamental-christlichen Freikirche begeben – mit einer Selbstverständlichkeit übrigens, die scheinbar jeder amerikanische Teen bzw. Twen seit „American Pie“ an den Tag zu legen scheint. Die Fluchtversuche der drei aus den Händen der Gottesjünger bildet dann auch den Handlungsrahmen der ersten Hälfte. Das ist durchaus nicht unspannend inszeniert und gerade eine Verfolgungsjagd in der Mitte des Films zeigt sich dann auch, unter Verwendung von Steadycam, schnellem Schnitt und wackliger HD-Optik, als Highlight des Films. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich von Low-Budget-Smith schon Schlechteres gesehen habe (von „Clerks“ bis hin zu „Dogma“ mögen manche seiner Geschichten zwar über nette Charaktere verfügen, habe sich jedoch nie wirklich inszenatorisch hervorgehoben). Bis dahin also gefiel der Film eigentlich recht gut.
Doch leider, leider, zeigen sich auch schon in dieser ersten Hälfte deutliche Schwächen. Die Sektenmitglieder werden von Beginn an zu wenig charakterisiert, das Drehbuch gesteht ihnen einfach zu wenig Tiefe zu als dass sie mehr als nur gesichtsloses Kanonenfutter darstellen. Wie interessant wäre doch eine Psychologisierung derselben gewesen. Eine Geburt im Biblebelt allein reicht da einfach nicht. Gerade ins Extreme pervertierte Ansichten á la „Jonestown“ konnten nur durch anfänglich attraktive Religionsmodelle entstehen. Einfach nur auf alles zu scheißen bzw. schießen, wie es Smith in „Red State“ tut, das reicht einfach nicht. Auch aus diesem Grund geraten die Schießereien die die 2. Hälfte des Filmes bestimmen arg beliebig. Gesichtslose Sektianer schießen mit Sturmgewehren – Schnitt – gesichtslose Polizisten schießen – Schnitt – Sektianer fällt tot um – Schnitt. So geht das eine ganze Zeit und gerät teilweise etwas langatmig bzw. redundant. Da passt es dann auch ins Bild, dass beim erwarteten Showdown auf einmal ein Schnitt folgt, der sich jeglicher Dramaturgie verweigert und eine lahme Nachbesprechung statt erlösende Rache folgen lässt (das lässt lustigerweise an den ersten „New Kids“-Film denken, als plötzlich das Budget für die große Actionsequenz fehlte). Das eigentliche Ende, grundsätzlich gar keine üble Idee, verfehlt dadurch komplett seine Wirkung (wie man es besser macht hat „Das Fest“ von Vinterberg gezeigt).
Dennoch: Auf Grund seiner Kompromisslosigkeit (die zwar gegen Ende auch etwas durchschaubar wird), eines guten John Goodman und der fast schon befreiend wirkenden Misanthropie, der insgesamt beste Smith so far. Zudem finde ich gerade das Low-Budget Konzept und die teilweise sehr netten Bluteffekte (der erste Mord ist erschreckend realistisch geraten) dem Film äußerst gut tun. Immer noch kein wirklich berauschender, aber zumindest noch ein weiteres Mal ansehbarer Film.
Weiter so… .