Review

Oh nein, Wut ist ein schlechter Lehrmeister, wenn es um den Ausdruck des Kreativen geht.
In Sachen Malerei mag das ja vielleicht noch apokalyptisch beeindrucken, bei Bildhauerei geht noch was im Auge des Betrachters, aber wenn man zum erzählenden Film kommt, dann verliert man meistens den Blick für das richtige Maß der Dinge.
Kevin Smith, der wohl prominenteste Regie-Export New Jerseys, der die Welt mit Jay und Silent Bob ein bißchen lustiger UND profaner gemacht (oder brüskiert) hat, ist seit einiger Zeit enorm wütend. Und angepißt. Vor allem von der Filmindustrie, von den dort herrschenden Regeln über Produktion, Kosten und Vermarktung. Auch noch von anderen Dingen, die dann in seine Filme einfließen. Das bedeutet zumeist entweder Produktion eines Meisterwerks oder künstlerischen Harakiri. Im Falle von "Red State" muß jeder nach seinem Gusto selbst entscheiden - einheitlich fällt der Blick wohl nicht aus.

Die äußeren Umstände sind schon praktisch eine kleine Handtaschenrevolution: Smith erarbeitete den Film praktisch mit winzigem Budget, schnitt ihn während der Produktion digital, engagierte Freunde und Interessierte, legte sich mit ein paar religiösen Einrichtungen an und kaufte schließlich auf dem Sundance-Festival nach der Premiere die Verleihrechte, um ihn eigenhändig in die Kinos zu bringen, was ihm anhand von Mundpropaganda und Special Screenings auch gelang.
Das nennt man mal einen fast konstruktiven Amoklauf eines Menschen, der genügend Kontroversen in seiner Vita hatte, um ständig um seine Filme zu kämpfen und der die Presse gehörig satt hat. Immerhin bringt man so die Kosten bei einer treuen Fangemeinde relativ schnell wieder rein und macht am Ende sogar noch einen Gewinn, bevor man sein langangekündigtes Vorhaben, aus der Filmindustrie auszusteigen, wirklich in die Tat umsetzt.

Aber es gibt ja noch andere Dinge, denen man einen Rundumschlag widmen kann: ultrareligiöse oder sektenähnliche Vereinigungen, die in den republikanischen Staaten des Mittelwestens einen puritanischen Fundamentalismus verbreiten und ihre wirren Lektionen notfalls mit Waffengewalt vertreteten. Dann vielleicht die Staatsgewalt und ihre Bürokratie, die notfalls zu drastischen Maßnahmen greift, um ein eventuell vorhandenes Problem gleich unter den Teppich zu kehren. Zwar werden hier keinem Nahoststaat Massenvernichtungswaffen zugesprochen, aber als die hier im Film operierende Five Points Church einen Hilfssheriff erschießt (nach diversen Morden an Homosexuellen), konstruiert man hier mal einfach die Lösung, es handele sich um Terroristen. Damit kaschiert man nur einen weiteren Todesfall, der bei der Umstellung des Geländes durch einen Irrtum ausgelöst wurde. Parole: das religiöse Gezücht komplett platt machen. Mit Frauen und Kindern.
Und mittendrin noch so ein smithsches Dauerthema: geile Jugendliche in Not.

Letztere sind in diesem Fall aber nicht wie gewohnt die sympathischen Nerds, die sich in absurde bis abartige Schwierigkeiten bringen, sondern untervögelter Kleinstadtabschaum, die sich an der Idee aufgeilen, für lau eine schon recht angejahrte Nymphomanin zu knallen, noch dazu in einem klapprigen Trailer. Kurz darauf findet man sich im besten "torture porn style" mit Folie gefesselt als Gottesopfer auf der Kanzel wieder und draußen rasselt die Staatsmacht mit halbautomatischen Waffen.

Man ahnt es schon: Smith' selbst ernannter Horrorfilm (der Horrorfaktor ist allerdings nur in Sachen "torture porn" für ein paar Minuten aktuell, ansonsten fährt die Story zwischen Sektenthriller und Groteske Slalom) ist ein satter Rundumschlag gegen wirklich alles und jeden, was einem zu so einem Thema auf den Senkel gehen kann und das Skript läßt wirklich niemanden verschont. Sympathische Figuren sind endlich mal Fehlanzeige, genauso wie sich absolut niemand sicher sein kann, wer die jeweils nächsten drei Filmminuten eventuell überleben wird, was das Überraschungspotential des recht kurzen (keine 80 Minuten) Film deutlich erhöht.
Das könnte jetzt Spaß machen, wenn die Wut das sarkastisch-parodistische Potential der Geschichte, die wirklich einige potent-komische Blackouts mit sich führt, nicht ständig zu Fall bringen würde. Eine gute Thriller-Groteske braucht Struktur, aber hier kommt noch eine dick aufgetragene Botschaft ins Spiel, nämlich die handelnden Gruppe möglichst ausführlich vorzustellen und ihre Standpunkte darzulegen, was dann etwa dazu führt, daß Sektenprediger Michael Parks einen zehnminütigen schön wirren Haßmonolog der Marke "Gott haßt Schwule und warum man sie alle töten muß" absondern darf, bis wirklich die Ohren bluten. Zwar wäre der im Grunde sehr naturalistisch und realistisch umgesetzt, doch beißt sich das mit dem sonst satirischen Tonfall.
Parallel dazu muß ATF-Agent Keenan (John Goodman) endlos Begründungsgespräche einseitiger Natur mit einem anonymen Vorgesetzten sprechen, deren brisanter Gehalt dadurch unterminiert wird, daß man minutenlang nur Goodmans Kommentare hört, während man beim Frühstückmachen zusehen kann. Wieder ein im Grunde erschütterndes Dokument, aber dröge und langatmig umgesetzt, viel zu trocken für die absurd-kriegsähnlichen Umstände, die dem folgen.
Daß der relativ ausgewalzte Shootout auf der Sektenfarm dann vielleicht nicht den typischen Actionmaßstäben folgt, ist noch recht gut gewählt, denn ein reißerisches Schaukillen wäre dem Thema dann auch wieder nicht gerecht geworden.
Aber zwischen beißendem Witz und schwarzem Humor verkommt das Groteske immer wieder zu einem konfusen Hickhack, weil es halbherzig und uninteressant erzählt im Hier und Jetzt des modernen Amerikas verortet werden muß.

Wer es grob mag, den wird diese kantige Präsentationsform und die einseitige Breitseite gegen alles und jeden vermutlich positiv umblasen, als frische Annäherung an abgedroschene Hollywoodbearbeitungen, andere Smith-Kenner werden sich vor den Kopf getreten vorkommen, so eckig und ungeschlacht, so stockend und uneben ist die ganze Präsentation, teilweise prätentiös und überdeutlich bemüht. Gewisse Ansätze machen Spaß und die Radikalität der erzählerischen Konventionsbrüche sorgen für kleine Überraschungen, aber letztendlich wird daraus eine Schußfahrt mit angezogener Handbremse, bei der man den kleinen, wütenden Mann Kevin Smith in den Arm nehmen möchte und ihn beruhigen, denn mit klarem Kopf macht man nicht aus tendenziell guten Ideen wildwuchernde Mutationen, denen die Verachtung überdeutlich aus allen Körperöffnungen sprudelt.

Smith kann mehr als Jersey, aber nur dort hatte er die Ruhe, kreative Stilsicherheit zu finden. Außerhalb saß er meist zwischen den Stühlen, erst versehentlich kreativ, jetzt bewußt und mit Protestlermiene. Vielleicht ist es Zeit, Theaterregisseur zu werden. (4/10)

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