Man kann eine Dokumentation auf vielerlei Art und Weise angehen, entweder thematisch oder chronologisch oder biographisch, man kann sein Sujet auf einen speziellen Aspekt hin ausführen oder einen Rundumschlag veranstalten.
Schwierig wird es allerdings erst, wenn man ein kulturelles Phänomen erheblichen Ausmaßes in einem 90-Minuten-Film unterbringen möchte, das einem sowohl informierten wie auch uninformierten Publikum etwas zu bieten hat.
Und das ist der Punkt, an dem André Schäfers Doku über den SF- und Heftromanhelden Perry Rhodan zu scheitern droht.
Für Fans ist Perry Rhodan als Serie natürlich eine Mischung aus brillianter Unterhaltung und Ersatzreligion - die Abenteuer eines relativ unsterblichen Erdenmenschen (aka: Terraner), der seit nun mehr dreieinhalbtausend Jahren in die Mechanismen des Universums verstrickt ist und sein Volks gegen alle Widrigkeiten und Gegner aus den Tiefen des Alls schützen will, während er bemüht ist, die Zusammenhänge und Geschichte des bekannten wie unbekannten Raums zu ergründen und zu verstehen.
Allwöchentlich seit 1961 erscheint ein Heftroman (inzwischen in sechster Auflage) und mit dem 50jährigen Jubiläum ist eine Hausmarke gesetzt worden, die eine filmische Würdigung des Inhalte, des Aufwands, der Autoren und des Fandoms nur logisch erscheint. Rhodan, das sind nicht nur wöchentliche Fortsetzungsromane in einem hochkomplexen fiktiven Universum der Zukunft, das sind auch Bücher, Hörspiele, E-Books, Merchandisingartikel, Kalender und eine ganze Industrie. Und inhaltlich spiegelt die Serie noch dazu seit fünf Jahrzehnten die Zeit, in der sie entstanden ist, wieder; ausgehend vom Militarismus des kalten Krieges über die phantastischen Auswüchse der Hippie-Ära, der kritischen 70er bis zum heutigen Tag, in der man nicht mehr mit Gut/Böse bzw. Schwarz/weiß-Schemata wie gehabt spielen kann, sondern die Bedrohungen Raubtierkapitalismus und Weltwirtschaftskrisen spiegeln und Gegner so groß und komplex sind, daß man zwei Jahre (die Dauer eines gewöhnlichen 100bändigen Zyklus) braucht, um sie zu durchschauen und zu verstehen.
Eine Menge Holz also für anderthalb Stunden, eine riesige Zeitspanne in der die Serie existiert und entwickelt wurde und Jahrtausende der Entwicklung in der Serie dazu - praktisch unmöglich, so eine komplexe Ideologie und einen solchen Datenwust in weniger als einer zehnteiligen TV-Reihe unterzubringen, um wenigstens jedes Thema einmal gestreift zu haben. André Schäfer versucht es trotzdem und auch wenn der eine oder andere Fan und vielleicht auch ein unbedarfter Zuschauer es ganz witzig finden, einen Einblick in so einen komplexen, riesigen und deutschen Serienkosmos zu erhalten, scheitert das Experiment.
Das liegt zum einen an der andauernden Häppchenverkostung, die zwar jedes Thema mal anschneidet, die aber auf Dauer nicht sättigt. Da stöbert man im Vorleben der Schöpfer Rhodans, Karl-Herbert Scheer und Walter Ernsting herum, interviewt die Witwen und bringt ein paar zeitgeschichtliche Details, läßt aber den großen Bogen inhaltlicher Entwicklungen fast komplett unter den Tisch fallen. Das Faschismus-Kontroversen hat zwar ein paar Leinwandminuten, ist aber genauso ungeschickt und beliebig präsentierte Fußnote wie einige Sekunden aus dem (mißlungenen) Perry-Rhodan-Spielfilm von 1966.
Breitflächig grast man die Autoren ab und läßt jeden mal zu Wort kommen, seine eigene Philosophie z.B. anreißen, aber das Wesentliche, wie nämlich die Serie aufgebaut, organisiert und entworfen wird, wird nicht benannt. Stattdessen hier mal ein Rißzeichnungskünstler, dort ein Sammler und nicht zuletzt eine Kurzhommage an den Zeichner der ersten 1800 Titelbilder, Johnny Bruck, aber auch hier familiäres Tralala, statt eines Blicks in den reichhaltigen Kosmos seines Werks, da gibt die hauseigene Perrypedia ja mehr her.
Problematisch wird es auch mit den Inhalten. Klar kann man nicht 2600 Hefte und Hunderte von Taschenbüchern inhaltlich auch nur annähernd streifen, aber die ungelenke Laienschilderung eines 10jährigen des ersten Heftromans von 1961 ist so amateurhaft und gewollt "realistisch", daß man sich bald einen erfahrenen Sprecher wünscht, der die Wunder der Serie wenigstens für einen Augenblick einfangen kann. Daß man von den Figuren nur das Nötigste erfährt, ein paar Sätze über Rhodan müssen da reichen, ist praktisch die logische Folge. Seinen ewigen Freund und Kollegen Reginald Bull und Fanliebling Gucky, den Mausbiber, erwähnt der Film nicht mit einer Silbe, der plüschige Alien ist maximal einmal kurz als Figur im Bild.
Richtig mau wirds aber erst, wenn Schäfer und Co. dokumentarisch, kosmopolitisch und weltgewandt sein wollen, neben unterhaltsam, da verkommt der Film zu einer endlos gestreckten Ansammlung meditativer Naturszenen, die normalerweise Weindokumentationen bei 3Sat für den Sonntagnachmittag vorbehalten sind.
Hofft man bei der Landung der Raumschiffs zu Beginn in der Nähe von Köln noch auf einen witzigen Gegenwartsbezug, so ziehen sich die Wanderungen des Astronauten, der am Hbf aus der Bahn steigt, zum Kiosk stapft, um sich ein Heft zu kaufen und später tatsächlich bei Mutter Beimer in der Lindenstraße landet, praktisch endlos dahin, ein kaugummihaft in Zeitlupe ausgewalzter Provinzjoke, der nur noch von den sogenannten "Stimmungsszenen" übertroffen wird, die immer dann kommen, wenn man irgendwelche Ausflüge in die Welt unternimmt, um da oder dort Bezüge zu PR herzustellen.
Da gibt es dann die irre haarsträubende Anekdote von Jesu Vorhaut (die nicht mit in den Himmel aufgefahren ist), die aber wenig mehr als eine fadenscheinige Analogie hergibt; einen Besuch an Bord eines U-Boots, den auch Peter Lustig nicht nervtötender hätte hinbekommen können oder die Reise um die halbe Welt auf einen Flugzeugfriedhof in den Vereinigten Staaten, um ein paar Technikbezüge zu verdeutlichen. Vorangestellte sind dann immer halbminütliche Stimmungsaufnahmen von Natur, Wetter, Umgebung, dazu salbungsvolle elektronische Entspannungsmusik, die angesichts der thematischen Eindimensionalität zusätzlich einschläfert.
Mit der hier dargestellten "Rasanz" wirft der Film wirklich die Frage auf, wo der Reiz der Serie liegen soll, die 50 Jahre überstanden hat, ein paar Aufnahmen von einer PR-Con oder ein bemüht nachgestelltes Gespräch zwischen Autor und einem Leser (zufällig Arzt) in einem Romantauschladen sind da nicht genug, lassen aber erahnen, daß mit ein wenig Witz und Spritzigkeit und dem reichhaltigen Bedienen im Füllhorn Rhodan mehr drin gewesen wäre, als ein biederer Bilderbogen in kostensparender Drittes-Programm-Seligkeit, statisch, eckig und leider gewollt intellektuell künstlerisch.
Vielleicht wäre es doch besser gewesen, das Projekt chronologisch anzugehen, um der Serie einen Anker zu verorten, zu dem man immer wieder zurückkehren kann, während man sich mit inhaltlichen Sidesteps den Themen widmet, die auch hier leidlich interessant sind, allen voran die Autoren, die sicher so manch Interessantes zu erzählen haben, thematisch aber meistens im Nichts bestehen müssen.
Alles in allem strandet der Film dort, wo er auch angefangen hat: die Fans wissen vor wie nach dem Film besser über Rhodan und seine Geschichte bescheid, als es der Film zu vermitteln vermag; die Unwissenden werden vor sich hinrätseln, was denn jetzt die Faszination Perry Rhodan ausmacht; nur neugierig auf die Serie, das wird so keiner von ihnen. Es liegt kein Zauber in den Bildern von Schäfers Film, er ist nüchtern, prätentiös und erstaunlich reizarm - wo heutzutage jeder begabte Spaßprogrammierer eine ganze Lore von Animationssequenzen aus dem All auskotzt, würgt dieser Film nur zum Vorspann eine zähe Präsentation hervor, dann strandet der Film auf der Erde - kein Wunder also, daß der "Space Man" am Ende doch wieder abreist. Die Wahrheit, die ist dann doch eher irgendwo da draußen. (4/10)