"No Retreat, No Surrender" trägt bereits die Achtziger im Namen, bringt der Titel doch sehr präzise das US-amerikanische Selbstverständnis der Dekade auf den Punkt. Zernagt von Selbstzweifeln durch das Vietnam-Trauma, skeptisch gegenüber dem politischen und administrativen Apparat wegen der Watergate-Affäre, geschröpft wegen der wirtschaftlichen Unsicherheit der Ölkrise und schockiert durch die Kritik und den Angriff auf die amerikanische Lebensweise aus dem Inneren durch die desillusionierte Hippie-Bewegung waren die Siebziger für die USA ein Jahrzehnt, das es im Sinne des konservativen Establishments zu überwinden galt. Zurück zu alter, bzw. hin zu neuer Stärke. Ronald Reagan vorneweg, alle patriotischen Amerikaner hinterdrein.
Die Achtziger waren aus heutiger, kulturell verengt geprägter Sicht ein Rausch in Neon mit Staubwolken aus Koks, dazu das schnelle, große Geld als Lebensmaxime und das Ganze wurde dann unterlegt mit Synthesizer-Gedudel. Der überspannte Hedonismus brachte dazu Yuppietum mit Fönfrisuren, Körperkult und modischen Totalausfällen, die seit den 10er-Jahren des neuen Jahrtausends ja wieder schwer im Kommen sind.
All diese Dinge finden sich in "Karate Tiger" wie mit der Schablone gezeichnet, fast so, als wäre der Film eine gelungene Reminiszenz aus der Gegenwart. Aber im Gegensatz zu "Stranger Things" oder "Summer of 84" ist der Film ein absolutes Original - inklusive der Eigenarten schnell runtergekurbelter Flicks aus den 80ern. Die schauspielerischen Leistungen sind unterirdisch, Setdesign und Kamera meist so schlicht wie möglich gehalten und eine tiefsinnige Botschaft jenseits von "Du kannst es schaffen, wenn du nur hart genug arbeitest und immer an dich glaubst!" ist nicht zu finden. Letztlich handelt es sich um einen plumpen Aufguss vom sehr erfolgreichen „Karate Kid“, ohne dessen recht einfache Botschaften verstanden zu haben oder zu berücksichtigen. Allerdings versucht man sich in einem etwas ernsteren Tonfall und bringt etwas mehr Härte ins Spiel.
Dazu werden klassische Feindbilder bemüht (Mafia, Russen), gegen die der Held aus der Mittelschicht bestehen muss. Während Stallone und Schwarzenegger das ganz einfach mit Sturmgewehr und Skrupellosigkeit lösten, wird dies allein durch die Coming-Of-Age-Geschichte verhindert. Und somit findet sich hier ein Mix aus
- Karate,
- Breakdance,
- Rap,
- BMX,
- Skateboarding und
- Michael-Jackson-Zitaten.
Jepp, der ganze heiße Scheiß in nur einem Film. Und wem das noch nicht reicht, dem wird noch eine schlaffe Romanze oben drauf gepackt. Gratis! Und weil wir schon dabei sind, gibt's auch noch eine Wiederauferstehung von Bruce Lee zu sehen, die leider dem Vorbild so gar nicht ähnelt, zumindest aber dieses Handgefuchtel beim Erklären einigermaßen beherrscht.
Dabei muss man dem Unsinn zugutehalten, dass die Kampfszenen Schmiss haben. JCVD glänzt hier als eisenharter Russe mit Testosteronüberschuss und der Hauptdarsteller besitzt die Physis, um in Kampfszenen durchaus überzeugen zu können.
Van Damme ist aber nur sehr kurz zu sehen. Und so hat man sich als passenden Konterpart einen fettleibigen Altersgenossen ausgesucht, der als Figur so dermaßen überzeichnet ist, dass man sich jedes Mal freut, wenn er das Bild ausfüllt. Overacting par excellence! Zu viele Burger und zu viel Cola! In diesem Dauerwerbeclip trinken die Guten übrigens Cola Light! Nur mal so... Das passt aber ja auch zu den 80ern in den USA und wie sie hierzulande wahrgenommen wurden: Cola, Jeans und heiße Miezen! Als hätten die Amis gedacht: "Kommt, lasst uns die in der Zone mal so richtig neidisch machen!" Magnet-Theorie... Wobei dieser Film wohl eher nicht in der DDR im Kino lief.
Der Sidekick ist ein Schwarzer, der als komödiantischer Crowdpleaser so alle Klischees in sich vereint. Zudem bringt er die Elemente BMX, Skateboards, Rap und Breakdance mit ein, der Hauptdarsteller ist nur für Jammern und Kämpfen zuständig und wäre so zu langweilig gewesen.
Somit ist "Karate Tiger" gewissermaßen ein Best-Of seiner Entstehungszeit. Der Inhalt ist strunzdumm, die Inszenierung zweckmäßig und Bild und Ton liefern das Jahrzehnt in Reinform direkt ins heimische Wohnzimmer. In den dramatischen Szenen fällt die Musik allerdings immer um 30 Jahre zurück... Insgesamt hätte man die schmale Geschichte zwar noch etwas stringenter erzählen können und ein bis zwei Kampfszenen mehr hätten dem Ganzen auch gut getan. Dennoch bleibt "No Retreat, No Surrender" ein Zeugnis seiner Zeit.
Schräges Jahrzehnt.
Fazit
Man kann sich also entscheiden: Entweder zieht man sich am Sonntagnachmittag "American Fighter", "Rad", "Thrashin", "Breakin'" und "Moonwalker" hintereinander rein oder man spart die Zeit und summiert für sich alles in "Karate Tiger". Deine Entscheidung! Gewissermaßen das filmische Äquivalent zu „Deutschländer Würstchen“ von Meica!
Tipp: Schimpft JCVD niemals, ich wiederhole: NIEMALS, einen Maulhelden!
Im zweiten Teil wurde dann die Adolszenzgeschichte gegen Schusswaffen getauscht, womit die Filme gar nichts mehr außer dem Motto/Titel miteinander zu tun haben. Cool!