Seit Tschernobyl 1986 ist nicht mehr so vehement über den Atomausstieg debattiert worden wie in diesem Jahr und es erscheint ein wenig beängstigend, dass bis vor kurzem noch AKWs von 1975 liefen.
Zwar steht in der Gemeinde Oldenbüttel kein Atomkraftwerk, doch die offensichtlichen Anspielungen auf Brokdorf sind kaum zu übersehen in diesem grundsoliden, wenn auch nicht sonderlich actionreichen TV-Thriller.
Menschliches Versagen in Form technischer Fehlkalkulationen löst den Gau in Oldenbüttel aus. Die Sicherheitschefin Katja (Ulrike Folkerts) und der Kommunikations-Berater Steffen (Matthias Koeberlin) suchen in der verstrahlten Zone, um Beweise für die Ursache zu finden, die Katjas Mäzen Mahlsdorf (Gerhard Garbers) in Form eines USB-Sticks versteckt hat.
Doch Verfolger sind ihnen auf der Spur, während sich die Mission zum Himmelfahrtskommando entwickelt…
Ein gespenstisches Sujet, wenn rund 2 Millionen Leute evakuiert werden, Hamburgs Straßen seit drei Monaten leergefegt sind und eine Atemschutzmaske noch kein Garant gegen eine Verstrahlung darstellt.
Die Handlung teilt sich in zwei zeitliche Ebenen auf: Die Zeit vor dem Gau und die Zeit danach, wobei Letzteres eher bruchstückhaft eingeschoben ist, während der Fokus darauf liegt, wie es zu dem Vorfall kommen konnte und wie kleine Verschwörungen um sich griffen.
Dabei entpuppen sich die Nebenhandlungsstränge als eher belanglos: Katja als gestresste Mutter zwischen dem getrennt lebenden Ehemann und zwei pendelnden Kindern, Kompetenzgerangel über Vorgehensweisen zur technischen Überholung, ein aufmuckender Sohn, der Patenonkel und Mäzen mit einem ferngesteuerten Flugzeug und eine kurzfristig einberaumte Pressekonferenz nehmen ab und an Wind aus den Segeln, denn nur selten will sich wirklich Drive einstellen.
Erst als sich Katja in den leeren Straßen vor einer Spezialeinheit verstecken muss, dubiose Obsthändler beobachtet und die Crew in der Überwachungszentrale hilflos mit ansehen muss, wie sämtliche Werte in kritische Zonen aufsteigen, nimmt das Geschehen an Fahrt auf und es stellen sich spannende Momente ein.
Recht stimmig ist die Atmosphäre nach dem Gau mit herumfliegenden Blättern und zahlreichen Zeitungen, vereinzelten Fahrzeugen von Staub und Schlamm bedeckt und auch das Innere des Atomkraftwerks löst phasenweise ein beklemmendes Gefühl aus, da in einem echten AKW gedreht wurde, welches jedoch nie ans Netz ging.
Darstellerisch pendeln sich die Leistungen auf brauchbarem TV-Niveau ein: Folkerts bekleidet eine eher unspektakuläre Figur und kann demnach nicht viel aus dem Charakter herauskitzeln, mehr Möglichkeiten hat da Matthias Koeberlin als selbstsicherer Redner und Vermittler mit einigen zynischen Sätzen. Der Rest des Cast, einschließlich Kai Wiesinger als Direktor bleibt im Schnitt unauffällig.
Was den Stoff brisant gestaltet, ist sein überwiegender Realitätsgehalt und der Bezug auf ein „Was-wäre-wenn-Szenario“. Vertuschung, Angst um den Arbeitsplatz, das Gerangel um Macht und Zuständigkeiten, aber auch die Verantwortung für die Konsequenzen werden thematisiert. Insofern nimmt der Streifen eindeutig Stellung, - da braucht es etwaige Szenen in der Onkologie mit recht jungen Patienten genauso wenig, wie Einschübe demonstrierender Atomkraftgegner.
Leider mangelt es dem Treiben zu häufig an Bewegung, redundante Szenen nehmen zuviel Raum ein und manchmal wird schlicht zu ausgiebig palavert, anstatt zu handeln.
Ansonsten ein okayer TV-Film mit guten und atmosphärischen Ansätzen, der weniger das globale Katastrophenszenario in den Vordergrund rückt, als diverse Einzelschicksale.
Er stimmt zumindest nachdenklich.
Knapp
6 von 10