Eigentlich bekannt geworden durch seinen berühmt-berüchtigten Naziploitation-Reißer „Gestapo's Last Orgy“, hat Cesare Carevari daneben auch einen der ungewöhnlichsten Italowestern auf dem Kerbholz. „Willkommen in der Hölle“ lässt sich nämlich keineswegs in das enge Korsett des Genres zwängen, sondern lässt sich aufgrund seiner unverbrauchten Herangehensweise am ehesten wohl noch mit Giulio Questis „Töte, Django“ vergleichen.
Carevari schert sich wenig um die Konventionen des Genres und pfercht eine Handvoll unterschiedlicher Personen in Benson City ein. Die längst verlassene Geisterstadt bildet dabei eine ideale Kulisse für seine psychedelische Inszenierung.
Er beschreitet dafür nicht die klassischen Wege des Genres und zeigt sich überaus experimentierfreudig. Dialoge gewährt er den Charakteren nur wenige. Die düsteren Bilder, die Paranoia schürende Regie, die unheimliche Soundkulisse und der einprägsame Score sprechen für sich. Carevari arbeitet dabei oft und gern mit Symbolen und Motiven, die viel Raum zur Interpretation lassen.
Mario Migliardi komponiert dazu einen Mix aus Acid-Rock und befremdlichen Elektro-Sounds, die die beklemmende Atmosphäre von „Willkommen in der Hölle“ noch einmal potenzieren. Die konsequent abwechslungsreiche Kameraarbeit, die ständig Beobachter und Verfolger suggeriert, rundet das schwer einzuordnende Filmvergnügen mit einigen wirklich bizarren Motiven ab.
Die bedrückende Stimmung des Films hat ihren Ursprung unter anderem in den Hauptfiguren Burt (Corrado Pani, „Hetzjagd ohne Gnade“, „Die Stimme des Todes“), Phil (Luis Dávila , „Die Rechnung zahlt der Bounty-Killer“), Ted (Antonio Salides) und Mary (Claudia Gravy, „Die Nonne von Verona“). Sie sind allesamt verkommene Individuen mit offensichtlich psychologischen Problemen, aber frei von Hemmungen jeder Art, die in der Geisterstadt Benson City ihr Lager aufschlagen. Angeführt von Corrado Pani, der schauspielerisch zusammen mit Lou Castel heraussticht, gibt der gesamte Cast trotz akuter Dialogarmut eine Glanzvorstellung und beängstigend authentisch zum Teil völlig abgedrehte Charaktere.
Eine Identifikation mit ihnen fällt von Beginn an schwer beziehungsweise ist gar unmöglich, denn um Sympathien muss sich niemand bemühen. Da steht man auf verlorenen Posten. Das raue Massaker gleich zu Beginn, in dessen Verlauf die Bewohner einer ganzen Kleinstadt ermordet werden und Burt mit seinen Mexikanern nicht viel mehr als Spaß empfindet, weist bereits in den ersten Minuten den brutalen Weg, den Carevari ohne viele Worte beschreitet.
Benson City, in dessen Kulissen Jahre zuvor „Für eine Handvoll Dollar“ entstand, erweist sich in seinem maroden Zustand als ideale Kulisse. Der aufgewirbelte Staub, nicht näher definierbare Geräusche und die Totenstille besorgen eine Unbehaglichkeit, die in diesem Genre seinesgleichen sucht und kann vor diesem Hintergrund noch effektiver die Spannungsschraube anziehen, wenn sich die Banditen gegenseitig an die Kehle gehen, weil Mary nur zu genau weiß, wie sie mit ihren Reizen die Männer gegeneinander ausspielen muss, um die Beute, eine stattlich gefüllte Regierungskasse, möglichst gar nicht zu teilen.
Die sexuelle Komponente spielt deswegen eine wichtige Rolle. Zu Sex kommt es zwar nicht, die Beteiligten genießen aber mit eindeutigen Blicken und Posen den Nächsten zu reizen. So wird auch Mary von Burt provoziert, während Ted vor Geilheit zu Platzen droht, sich aber zurückhalten muss, weil sie eigentlich mit Phil anbändelt. Diese angespannte Konstellation verspricht Sprengstoff und zum Knall kommt es dank ausführlichem Psychoterror, Eifersucht und wachsendem Misstrauen untereinander auch. Darüber schwebt dabei ständig die kribbelige Atmosphäre.
Für etwas Ablenkung sorgen der ziemlich brutale Überfall der Regierungskutsche und zwei Gestrandete (u.a. Lou Castel aus „Mögen sie in Frieden ruhen“), die sich mit letzter Kraft in die Stadt schleppen und dort mitsamt einer später entdeckten Bewohnerin von Benson City in die Hände der Gesetzlosen fallen. Umgehend werden sie für deren sadistische Spiele missbraucht, denn zumindest Mary genießt es hilflose Menschen zu quälen und auch Ted zeigt sich wenig abgeneigt seine Aggressionen an ihnen auszulassen.
Obwohl explizite Gewalt wie in „Töte, Django“ vermieden wird, erweist sich „Willkommen in der Hölle“ in nahezu jeder Phase als harter Tobak, der am Nervenkostüm zerrt und sei es nur durch das ständige Quietschen einer Schaukel, schmerzhafter Folter in Slowmotion oder das rücksichtslose Ermorden unschuldiger Passagiere.
Den übernatürlichen Touch deutet Carevari anhand seltsamer Geräusche, Ereignisse und einem unsichtbaren Schützen mehrmals an, löst dieses Rätsel am Ende aber mit einem Paukenschlag auf und lässt der Gewalt freien Lauf. Ungewöhnliche Utensilien stellen im spannenden Showdown Rays (Lou Castel) Bumerangs dar, mit denen er sich gegenüber den zahlreichen Revolvern erfolgreich zur Wehr setzen kann. Die aufgestaute Anspannung entlädt sich schließlich in einem blutigen Finale, das einen Toten wieder ans Tageslicht spült und die Banditen nach einem gescheiterten Deal endgültig auseinanderbrechen lässt.
Fazit:
Roher, gewalttätiger und sehr brutaler Italowestern, der geballte Atmosphäre auf sein Publikum abfeuert. „Willkommen in der Hölle“ zählt zu den ungewöhnlichsten Genrevertretern überhaupt und lässt sich anhand der üblichen Kriterien gar nicht mehr eindeutig zuordnen.
Cesare Carevaris experimentelle Inszenierung und Mario Migliardis unvergleichlicher Score garantieren einen außergewöhnlichen Italowestern, der innerhalb seines Genres ganz zu Recht einen umstrittenen Ausnahmestatus genießt. Man muss dieses düstere Projekt selbst erleben, um die einmalige Stimmung erfassen zu können. Auch die Darsteller legen sich vor der ungewöhnlichen Kulisse richtig ins Zeug und besorgen damit das Fundament für einen der faszinierendsten Italowestern überhaupt.