Review

Mittvierziger Cal Weaver (Carell) ist ein langweiliger Kerl, hat einen langweiligen Job und führt anscheinend eine ebenso langweilige Ehe. Denn bei einem Dinner offenbart seine Frau Emily (Moore) den Wunsch nach der Scheidung. Völlig überraschend. Sie gesteht ein, mit einem Bekannten von der Arbeit ein sexuelles Abenteuer gehabt zu haben und stellte fest, dass sie als Ehepaar Weaver keine Zukunft mehr haben. Die Beziehung zerbricht und die Kinder sitzen zwischen den Stühlen.

Cal flüchtet sich in ein Leben als Dauergast in einer Bar, wo er vor jedem sein Leid ausbreitet. In seiner schwersten Stunde trifft Cal den bei Frauen erfolgreichen und stilvollen Mittzwanziger Jacob (Gosling). Da Cal ihn an seinen Vater erinnert, bietet er ihm einen exklusiven und persönlichen Kurs in Männlichkeit und Frauenabschleppen an, was die beiden zu guten Kumpels werden lässt. Emily währenddessen findet mit ihrem neuen Lover nicht so recht das ersehnte Glück.

Der Ereignisse nicht genug, verliebt sich Cals Teenager-Sohn Robbie in den regulär gebuchten Babysitter, die jedoch verknallt sich in den Familienvater Cal, Cal vögelt neben einigen anderen eine Frau (Tomei), die im Umfeld seiner Familie tätig ist und Jacob trifft, manifestiert in der jungen Anwältin Hannah (Stone), letztlich die Frau, die für ihn ein neues Leben bedeutet.


My schwantz is in your face for twenty minutes

Filme wie dieser sind erfolgreich wegen einer Reihe von Gründen. Sie lösen ein bestimmtes Versprechen ein, das dem Zuschauer vor Beginn der Sichtung gegeben wurde. Liebe verhält sich in diesen Geschichten nach dem Prinzip Hoffnung. Beziehungen etwa lassen sich kitten, welche zuvor aus diversen Gründen zerbrachen. Ein Frauenheld zu werden ist mit einfachen Tricks erlernbar. Frauenhelden wiederum werden unter den richtigen Umständen zu idealen Beziehungspartnern stilisiert und frustrierte Teenager, die befürchten, ihr restliches Leben lang im Leid unerwiderter Liebe zu suhlen, bekommen die Hoffnung vermittelt, in Zukunft einen seeleverwandten Partner zu finden. Natürlich werden die Natur und der Zufall in der Realität ihren Lauf nehmen, jedoch ist auch die Liebe der Realität unterworfen. Denn in der Realität funktionieren diese Konstrukte oftmals nicht.

Dass die Ehefrau fremdgehen und dann doch wieder so einfach zurückkehren kann, auf der einen, und dass aus einem biederen Sachbearbeiter mit etwas Training ein Ladykiller mit häufig wechselndem Geschlechtsverkehr wird, auf der anderen Seite, ist genauso unrealistisch, wie eine lang anhaltende Treue des Womanizer-Trainers. Die Liebe ist nicht, wie sie in diesen Filmen dargestellt wird. Im Rahmen von „Crazy, Stupid, Love“ ist sie leicht, flüssig und irgendwie luzide. Und das ist auch die Hoffnung, die dieser Film seinem Zuschauer vermittelt, in Richtung beider Geschlechter und unterschiedlicher Altersklassen. Der kommerzielle Erfolg liegt begründet darin, dass die Geschichte als nicht ganz unrealistisch ersehnt wird. Funktionieren die meisten dieser Filme als so genannte ‚chick flicks’, kommt "Crazy, Stpid, Love" als feel-good-movie für Mann und Frau daher. Entgegen der Erwartung liegt hier der Fokus auf dem männlichen Geschlecht; also so was wie ein ‚schwantz flick’.


Massagesessel

Eine interessante Betonung der Erzählung liegt auf der Entwicklung zum Erwachsenwerden. Möchte die Babysitterin die ihr anhaftende Jugend per Nacktaufnahmen abwerfen, so haben Cal und Emily ihre Jugend im High School-Alter verloren, als sie in jungen Jahren ihr erstes Kind bekamen. Jacob hingegen, ist noch immer in der Phase des Erwachsenwerdens, hat ein sorgenfreies Leben, übernimmt keinerlei Verantwortung und lernt erst durch Hannah so richtig, was eine emotionale Bindung ist. Und der 13-jährige Sohn ist geistig schon weit vor seinem Alter, kann seine Handlungen jedoch nicht entsprechend kanalisieren.

Ebenso interessant ist etwa, dass Hannah sich Jacob in der Bar nur greift, um ihrem bisherigen Leben einen neuen Impuls zu geben. Sie bricht mit ihrer bisherigen Beziehung, die in eine ereignislose Zukunft weist, und will sich selbst einer Mutprobe unterwerfen. Dies schlägt sich grandios darin nieder, dass sie noch im Bett sich den Namen von Jacob nicht merken kann, sondern ihn als „the hot guy from the bar“ zum Objekt macht. Genau diese Kombination ist für Jacob etwas, was ihm so noch nicht untergekommen ist. Er wird zum ersten Mal ausgenutzt und obendrein darf er sich für seinen Lebensstil auslachen lassen.

Problematisch dagegen wirkt der Bogen um die 17-jährige Jessica, die bei Familie Weaver als Babysitter tätig ist und Cal ihre Liebe gestehen will. Sie offenbart sich als Typus Lolita, will mittels von Nacktaufnahmen die ihr anhaftende Kindlichkeit über Bord werfen, um bei Cal Eindruck und Aufmerksamkeit zu schinden.

Und Emily kommt mit der Funktion der Ehebrecherin nicht klar und kann diese vor sich selbst nicht rechtfertigen.


Can I buy you a drink?

Die Geschichte ist für sich sehr lustig und spielt ganz grundsätzliche Konstellationen der Liebe durch. Vergebliche Liebe, erwiderte Liebe, hoffnungslose Liebe, Liebe auf den ersten Blick, Abweisung, der Bruch von ganz tiefer und langer Liebe und nicht zuletzt auch eine Sinnsuche durch Liebe. Die Erzählung ist, bezüglich seiner Prämisse, eigentlich als genial zu bezeichnen. Typisierte Probleme von fast drei Generationen werden repräsentativ abgearbeitet und mit unterschiedlichen Identifikationsfiguren besetzt.

Trotz der wertvollen Grundlage wirkt die gesamte Erzählung letztlich nicht rund, da der Fokus von den eigentlichen zentralen Figuren zu sehr abweicht. Spielen Cal und Emily eigentlich den Hauptpart, wird im Verlauf zu viel Zeit vergeben an viele kleine Plots, den lolitahaften Babysitter und die reichlich blöde Erzählung rund um den Sohnemann Robbie, der sich konsequent zum Affen macht. Die Verknüpfung der Charaktere ist strukturell gut gelungen, immerhin wird auch noch eine Komponente mit einer Bezugsperson eines der Kinder eingebracht, die sich mit belanglosem Sex ihres Frustes entledigen will. Der interessanteste Subplot um Jacob und Hannah gerät vollends ins Hintertreffen. Die Linien von Cals Kampf in die Normalität, dem schlechten Gewissen von Emily und der Bruch mit der bisherigen Lebensgestaltung bei Jacob und Hannah würden sich durch die jeweils entgegen gesetzte Konstellation ideal ergänzen und genug Schwung für die Erzählung liefern.

Mit Robbie als Identifikationsfigur möchte man im Rahmen eines für 13-jährige Jugendliche freigegebenen Filmes durchaus die Kids mit ins Boot holen. Aber welcher 13-jährige schert sich um die Gefühle der zentralen Helden, einen alleingelassenen Vater und einer Frau in einer Midlife-Crisis, und geht dafür ins Kino? Letztlich wirken die Erzählungen rund um Robbie und Jessica, die Babysitterin, wie Füllmaterial.


Coin Bears

Als Drehbuchautor fungierte hier Dan Fogelman, der eine gute Vorlage erdachte. Seine bisherigen Credits zeugen von einer Verspieltheit, die sich hier wieder finden lässt. Fogelman war bisher zu verorten bei CGI-Animationen wie „Cars“, „Bolt“ oder „Tangled“. Die Regisseure – ja, zwei - Glenn Ficarra und John Requa sind zuvor eher als im Team arbeitende Autoren in Erscheinung getreten, und liefern hier eine kooperative Arbeit mit ordentlicher Qualität ab. Als Autoren haben beide zusammen beispielsweise „Bad Santa“ zu Papier gebracht, der mit Billy Bob Thornton in der Rolle eines kriminellen Santa Claus umgesetzt wurde.

Sehr angenehm ist der seichte und doch sehr schwungvolle Score von Christophe Beck und Nick Urata. Die musikalische Untermalung mischt sich dezent zwischen die Tracks, die etwa das Geschehen rund um die Bar ausschmücken.

Die Schauspieler sind auch frei von echten Kritikpunkten. Sie treffen ihre Charaktere und füllen diese plastisch und sympathisch mit Leben. Der gesamte Cast spielt fröhlich auf und macht die Erzählung genießbar. Der Film ist ordentlich produziert und schön fotografiert. Das gesamte Geschehen ist sehr hell eingefangen und in ein Bouquet aus strahlenden Farben gehüllt, schon alleine, um den Kontrast zu der schummerigen Atmosphäre in der Bar entsprechend in Szene zu setzen.


Let’s get out of here

„Crazy, Stupid, Love“ hat durchaus das Potenzial in die Reihe der sehr guten und klassischen Romantic Comedies aufgenommen zu werden. Der Film ist ein hinreißendes Drama, das die verschiedenen Kombinationen der Liebe und die jeweiligen Aggregatszustände der Beziehungen durchspielt.

Was den Platz in den Annalen des Kinos sichert, ist jedoch eine Sequenz, die beim Zuschauer aufgrund der Intensität des Lachens in Erinnerung bleiben wird. Es erscheint ein bisschen wie eine verkehrte Welt, dass ein Vehikel für Steve Carell ausgerechnet seine lustigste Stelle ohne Steve Carell präsentiert. Als Zuschauer ist man geneigt, die selten genutzte A-B Schleife des Players zu nutzen, als die hilflose Hannah mit Jacob im Zimmer steht, und fragt, wie der übliche One Night Stand üblicherweise seinen Verlauf nimmt. Und als beide letztlich im Bett landen, stellt sie fest, dass das bequeme Kissen, auf dem ihr Haupt bettet, aus einer Teleshopping-Sendung stammt. Eine Szene, die ein einen hinreißenden Charme hat, ein wunderbares Timing aufweist und nicht zuletzt die Einsamkeit in Jacobs Leben entlarvt. Allein diese aus zwei Szenen bestehende Sequenz, macht die Gesamtlaufzeit von 118 Minuten zu einem wertvollen Stück Kino.

Unter dem Strich steht ein hinreißender, zum Teil mit zynischem Humor gespickter Film, der eine ganze Reihe richtig guter Szenen und Lacher bietet. Die Erzählung beinhaltet zudem eine grandiose Wendung, die sich wie eine kleine Sensation im Erzählfluss anfühlt. Nicht zu vergessen ist die Figur David Lindhagen (Bacon), die einen ganz eigenen Running Gag verpasst bekommt. Insgesamt ist man sehr zufrieden mit der Sichtung des Filmes, zumindest bis sich das Finale leider zu einem Showkiller entpuppt, der an Lächerlichkeit kaum zu übertreffen ist und Sympathiepunkte kostet.

Seriously?


Jacob: „The war between the sexes is over and we won, okay? We won the second women started doing pole dancing for exercise.“

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