Review

Wie man sich doch mit einem mäßigen dritten Akt den guten Eindruck versauen kann...

Mikael Hafström gilt ja als talentierter Handwerker, doch einen gewissen Makel kann man ihm nicht absprechen: stets fehlt es an dem letzten Quentchen Brillianz, um das Talent zur Meisterschaft reifen zu lassen, das bewies schon "Zimmer 1408", dem es nach gutem Beginn am Ende auch dem nötigen Mut fehlte, um ein unheimliches Filmerlebnis zu schierem Terror reifen zu lassen, um dann auf die Gefühlsschiene abzubiegen.
Da ist es durchaus berechtigt, bei dem nächsten Werk in Sachen "Horror" schon mal vorsorglich zu fragen, ob die Welt noch einen Exorzistenfilm benötigt. Ist bzw. war zu dem Thema nicht bereits alles gesagt? Friedkin verfilmt 1973 einen Roman, der zwar spirituelle Fragen anriß, aber sich doch relativ deutlich der Existenz dämonischer Präsenzen ergab, während Boormans Fortsetzung in esoterisch-debilem Dämonen-Mumbo-Jumbo ersoff und der dritte Teil schließ ein relativ unterhaltsamer, aber theologisch wenig tiefgehender Film war.
Mit der Realität katholischer Exorzisten hatte das alle relativ wenig zu tun und es stellte auch nie die Existenz greifbaren Bösens in Frage, womit wir vermutlich den Ansatzpunkt hätten, der Hafström gereizt hat. Basierend auf einer literarischen Vorlage (allerdings eine Biographie, kein Roman), können hier zumindest die Verbindungen zu realen Personen und ihrem Lebensweg nachgezeichnet werden, allerdings deutet der überflüssige "true story"-Hinweis im Vorspann spätestens bei der Erwähnung "suggested by the book of Matt Baglio" an, daß sich hier nicht einige, sondern fast nur Freiheiten in Bezug auf den Plot und den dramatischen Gehalt genommen werden würden.

Immerhin, Michael Petroni, der Drehbuchautor, ist durchaus in Arbeiten mit religiösen Themen versiert und somit stellt er als Ausgangspunkt der Story die richtigen Fragen, als er den Bestattersohn Michael Nowak praktisch die Ausbildung zum Priester nur als Flucht vor dem Familienschicksal ergreifen läßt. Als modernen Menschen präsentiert, hat er weder tieferen Glauben, noch mangelt es ihm an einem Realismussinn, der eher zum wissenschaftlich gefärbten Atheismus tendiert. Die Fälle von Besessenheit, die ihm im Rahmen eines Exorzismusseminars vermittelt werden, sieht er mehr oder minder als Opfer psychischer Krankheit oder als Mißbrauchsopfer (die sie in den meisten Fällen auch sind), nicht als Opfer einer höheren Form des Bösen oder des Teufels.
Ohne das übliche Horrorvokabular zu zitieren, gehen Petroni und Hafström in die Tiefe und in die Breite, verzichten auf spekulative Effekte und stellen das gesamte Prinzip in Frage, indem sie es mittels zweier Meinungen unversöhnlich gegenüber stellen. Beide Seiten haben ihre berechtigten Argumente, beide Sichtweisen scheinen angemessen zu sein, auch wenn der ihm angediente walisische Profi (Anthony Hopkins in einer ziemlich aufgerüschten Camp-Variante eines Rebellenpriesters mit gutem Kern und scheinbar rabiaten Manieren) alles tut, um ihn vom Gegenteil zu überzeugen.

"Was haben Sie erwartet?", so wird Michael nach seinem ersten Exorzismus (der recht kurz ausfällt) gefragt, "Rotierende Köpfe? Erbsensuppe?"
Das soll differenzierend wirken, sich von den Vorgängern abheben, der Vorlage Gewicht verschaffen, doch auch wenn sich hier mal nicht irgendein Opfer "von Jesus ficken lassen" möchte, zeigt die freimütige Erweiterung der Vorlage dann aber doch bald Wirkung, denn schließlich soll das ja hier doch ein Horrorfilm sein und dazu benötigt man eben nicht psychoanalytische Schlußfolgerungen, sondern handfesten Grusel. Also machen sich die gruseligen Phänomene alsbald auf die Socken, der Zweifler wird bald mürbe zwischen prophetischen Träumen, Todesfällen; düsteren agressiven Stimmen, die aus schwangeren Frauen sprechen und wie schon zuvor von Dingen wissen, die natürlich kein lebendes Wesen über den Hauptdarsteller wissen kann. Es gibt doch Blut und Erbrochenes (in zarteren Mengen) und folgerichtig läuft alles daraufhin hinaus, daß sich der ungläubiges Thomas schließlich entscheiden muß, ob er nun glaubt oder nicht, weil ohne Ersteres der Exorzismus einer wichtigen Person aus seiner Nähe nicht funktionieren wird.

Es ist dieser letzte Akt, der die ganze sorgfältig aufgebaute Stimmung, die gruseligen Bilder vom Teufel in ungewöhnlichen Verkleidungen (ein dämonisches Maultier!), dann doch zuungunsten abgenutzter Vorlagen einstürzen läßt. Das ist dann wieder Filmexorzismus in Reinform, mit Beschimpfungen und physischen Manifestationen, vielleicht alles etwas zahmer und weniger tabubrüchig als Friedkin es versuchte, aber dennoch eindeutig pro-religiös und pro-dämonisch gefärbt, womit die wissenschaftlich-theologische Debatte des Restfilm dann mehr oder minder obsolet wird.
Aber irgendwie muß man einen Unterhaltungsfilm ja auch spektakulär verkaufen können und man muß es Petroni durchaus anrechnen, daß er das Thema nicht komplett ausbeutet, sondern einigermaßen seriös damit umgeht. Hafström kann man für die ersten zwei Drittel durchaus atmosphärische und spannende Arbeit attestieren, die sich vom modernen, rasanten Filmemachen abhebt und erzählerisches und charakterschaffendes Kino wie in früheren Jahrzehnten bietet. Kein Platz für infernalische Sensationen und sicherlich auch keine große politsch-weltliche Spiegelung aktueller Zustände, aber streckenweise ein eher intimer und stimmiger Film, der seine Effekte nur soft zum Selbstzweck nutzt, nämlich das Publikum mit Horror bei der Stange zu halten.

Abseits von Hopkins leicht übertriebenen Von-der-Stange-Mentorenjob, ist der noch fast völlig unbekannte Colin O'Donoghue eine gute Wahl als zweifelnder Priesterschwindler, der seine eigenen Nöte und Traumata (den Tod der Mutter und ihre Einbalsamierung durch ihren Vater) verarbeiten muß und sich an der Welt und der Sinnsuche aufreibt. Die Nebenrollen sind adäquat besetzt (von Ciaran Hinds und dem durch und durch brillianten Rutger Hauer hätte man gern noch etwas mehr gesehen) und da man nicht auf die Idee verfällt, daraus einen Werbefilm für den Katholizismus zu konstruieren oder diesen im Umkehrschluß zu verdammen, funktioniert "The Rite" weitestgehend sehr gut, ist aber aufgrund seiner Herkunft, einer mit Fiktion aufgeblähten Biographie, nicht dazu angetan, das Exorzismus-Subgenre zu revolutionieren. Die beste Arbeit zu dem Thema an sich seit dem Original ist es aber auf jeden Fall - in erinnerungswerten Bildern. (6,5/10)

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