Manchmal funkt es sofort. Im Falle von El Monstro del Mar! war es kein einsames Fünkchen, das auf mich übersprang, sondern gleich eine ganze Wolke, die meine Zellen binnen Sekunden entflammten und mir ein breites Grinsen auf das Gesicht zauberte. Wieso? Nun, El Monstro del Mar! serviert die volle Retro-Dröhnung, und zwar mit einer solchen unverschämten Wucht, daß die Kinnlade nach unten zu sacken droht. (Vorausgesetzt natürlich, man mag diese Art Film, so wie ich.) Deshalb möchte ich erst mal Quentin Tarantino und Robert Rodriguez danken, denn wer weiß, ob es ohne deren Grindhouse-Projekt Filme wie Run! Bitch Run!, Death Stop Holocaust, Black Dynamite oder Smash Cut geben würde. El Monstro del Mar! - wohl betitelt in Anlehnung an Eugène Louriés Monsterklassiker The Beast from 20,000 Fathoms (Panik in New York), welcher in Mexiko El Monstruo del Mar hieß - schlägt in eine ähnliche Kerbe und orientiert sich strukturell darüber hinaus an From Dusk Till Dawn.
Der Film beginnt irgendwo in der Einöde, in wunderbarem Schwarzweiß, mit zirpenden Grillen auf der Tonspur. Drei Frauen haben eine Autopanne und vertreiben sich gelangweilt die Zeit, rauchen, hören Musik (aus dem Kassettenrecorder!), tanzen, und warten auf Hilfe. Das Trio, bestehend aus Beretta (Nelli Scarlet), Snowball (Kate Watts) und Blondie (Karli Madden), entspricht zwar nicht den gängigen Schönheitsidealen (Stichwort: Suicide Girls), aber an Sex Appeal, gepaart mit einer gefährlichen, latent aggressiven Ausstrahlung, mangelt es ihnen trotzdem nicht. Da naht Rettung in Form von zwei Männern, die beim Anblick der drei "hilflosen" Mädels eine schnelle Nummer wittern und dem "schwachen Geschlecht" sofort zu Hilfe eilen. "It's our lucky day", prognostiziert einer optimistisch. Nein, ist es nicht, au contraire.
In dem Moment, in dem Snowball dem Typen, der auf dem Vordersitz Platz genommen hat, mit einem scharfen Messer die Kehle öffnet, explodiert die Farbe ins Bild. Genau rechtzeitig, um das Blut in prächtigem Rot spritzen zu sehen. Ein starker, heftiger Kontrast zum Schwarzweißbild zuvor. Aber auch die roten Blutschwälle, die wenige Momente später die weiße Motorhaube besplattern (Beretta hat mit dem zweiten "Retter" ebenfalls kurzen Prozeß gemacht), bilden einen wunderbaren Gegensatz. Fast ist man versucht, aus vollem Halse Faster, Pussycat! Kill! Kill! zu rufen, sind diese Bad-Ass-Killer-Chicks doch wahre Satansweiber, die eiskalt und ohne mit der Wimper zu zucken morden. Kurze Zeit später landen unsere Antiheldinnen in einem abgelegenen Fischerdörfchen und machen die Bekanntschaft der jungen Hannah (Kyrie Capri), die bei ihrem Großvater Joseph (Norman Yemm) lebt, seit ihre Eltern vor Jahren ertrunken sind. In einer alten Absteige macht man es sich gemütlich und feiert ausgelassen feuchtfröhliche Partys. Bis, ja, bis sie feststellen müssen, daß sie nicht die einzigen Neuankömmlinge sind. Ein riesiges Meeresungeheuer ist aufgetaucht (oder aufgewacht?), und dieses Wesen hat einen Mordshunger!
El Monstro del Mar! ist ein kurzweiliges, saucooles und enorm unterhaltsames Retro-Spektakel, das mit seinen knackigen 76 Minuten Laufzeit keine Sekunde zu lang geraten ist. Der flotte, visuell beeindruckende und stilistisch erstklassige Genremix verströmt aus allen Poren das Exploitation-Aroma der Sechziger und Siebziger, kombiniert mit einem Happen 50er-Jahre-Monsterschinken und gewürzt mit dieser speziellen, pulpigen Coolness der Marke Tarantino. Hier herrscht Frauenpower pur, die Männer haben wenig bis gar nichts zu melden, und Beretta, Snowball und Blondie würden sich in einem Russ Meyer-Streifen bestimmt wie zu Hause fühlen (vielleicht stammen sie ja aus Tittfield, wer weiß?). Obwohl die drei kaltblütig töten und als Identifikationsfiguren kaum taugen, schafft es Stuart Simpson, daß das Publikum beim großen Finale mit ihnen mitfiebert.
Und der Showdown hat es gewaltig in sich, denn das Monster entsteigt den Fluten und attackiert das Haus, in dem sich die Überlebenden verschanzt haben. Das titelgebende "Monstro del Mar" ist eine Lovecraft'sche Alptraumkreatur mit langen, beweglichen Tentakeln, an deren Enden sich wild schnappende Mäuler befinden, die mit scharfen Zähnen bestückt sind. Das niedrige Budget merkt man den Monsterattacken zwar an, aber das ist angesichts der beeindruckenden, von Nick Kocsis designten Kreatur und den gut umgesetzten und sehr blutigen Gore-Effekten leicht zu verschmerzen. Die Schauplätze sind zudem ebenso gut gewählt wie die rockige Musikuntermalung und die Schauspieler, welche in ihren jeweiligen Rollen gut und glaubhaft agieren.
Der Mann hinter diesem tollen Ozploitation-Streifen heißt Stuart Simpson, der nicht nur das Drehbuch schrieb und Regie führte, sondern auch für Kamera und Schnitt verantwortlich zeichnete und darüber hinaus mitproduzierte und an den (spärlich eingesetzten) digitalen Effekten mitarbeitete. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, ist gut gemacht, in sich stimmig, toll anzusehen und einfach nur geil, und zwar ohne dabei zu verkrampfen.
El Monstro del Mar! hat bei einigen kleineren Festivals (z. B. Royal Flush Film Festival, Melbourne Underground Film Festival, Buffalo Screams Film Festival) in diversen Kategorien (bester Film, bester Regisseur, beste Schauspielerin, beste Spezialeffekte) groß abgeräumt. Solche Preise sind natürlich mit Vorsicht zu genießen, da man selten weiß, was diese wirklich wert sind (hängt schließlich auch davon ab, was denn die Konkurrenz drauf hatte). In diesem Fall kann ich die Auszeichnungen nur gutheißen, denn El Monstro del Mar! hat mich blendend unterhalten. Mehr noch: ich glaube kaum, daß dieses Jahr ein schönerer, coolerer Low-Budget-Genrefilm meinen Weg kreuzen wird.