Review

Directed by P.T.Anderson - das heißt, wir haben es mit einem Film zu tun, der die Kritiker in jubelnde Exzesse ausbrechen lassen wird, Filmfans verzaubern und das normale Kinopublikum verwirren. Er wird nicht zu viel Kasse machen, aber viele werden sich später daran erinnern.
Gut so!

"Punch Drunk Love" ist Andersons wohl kürzester Film und obwohl er nicht extrem viele Handlungsstränge und Figuren miteinander verwebt und stattdessen sich voll und ganz auf seinen Protagonisten konzentriert, ist es unverkennbar seine Handschrift.
Trotzdem läßt sich der Film (erfreulicherweise) nicht mit einem Etikett versehen, daß die Rezeption leichter machen würde. Ja, es ist irgendwie eine Liebesgeschichte, es ist ein Drama, eine Komödie und auch wieder nicht und traurig macht zuletzt auch.
Aber das Leben ist auch eine Achterbahn und deswegen rumpelt Andersons Wagen auch wie wahnsinnig. Stil über Story, aber nicht Stil statt Story, so viel Zeit muß sein.

Und dann als Hauptdarsteller ausgerechnet Adam Sandler, das lallende, grenzdebile Produkt amerikanischen Humors der 90er. Ihn als romantischen Helden, dessen Gefühlsleben so unklar definiert ist, das er fast als Verrückter anmutet, zu casten, ist wohl der größte Coup und gleichzeitig so sehr Realsatire, daß Sandler das wohl selbst nicht begriffen hat.
Sandler ist Barry Egan und dieser hat sieben Schwestern, die ihn immer noch behandeln als sei er ein kleines Kind, mütterlich, besorgt, dragonerhaft, unfreunlich, hassenswert. Barry selbst hat sich als Individuum nicht genau definiert. Er ist zwar Teilhaber an einer Firma, aber er scheint kein Leben zu haben, kein Privatleben und sein Gefühlsleben ist ein brodelndes Chaos. Emotional verkümmert erscheint er halb als liebenswerter Autist, halb als trotzig-verletzliches Kind, daß in Momenten extremer emotionaler Überlastung zu kurzzeitigen Zerstörungsorgien neigt, um dann wieder in die katatonische Einfalt eines Fünfjährigen zu verfallen.

Der Versuch eines menschlichen Kontakts mit seinen Mitmenschen (eine Telefonsexhotline) endet in einer Katastrophe, es handelt sich um Betrüger, die ihn erpressen und bedrohen, während sich die wahre Liebe in Form einer latent schrägen Freundin einer seiner Schwestern schon annähert. Für Barry wird die kommende Zeit zu einer Phase der Befreiung und Selbstfindung, in der er sein bisheriges Leben langsam aber sicher hinter sich läßt, um zu einem anderen Menschen zu stehen und selbst einer zu sein.

Das alles wird allerdings so ungewöhnlich und verquer dargestellt, daß der Film durchaus vielen auf die Nerven fallen wird. Barry ist kein sympathischer Charakter, seine Kindlichkeit ist anstrengend, sein Tempo schleppend, seine Reaktionen schwer nachvollziehbar und im allgemeinen verhält sich niemand in diesem Film, wie man es auch nur annähernd erwarten konnte. Das immerhin ist so skuril, daß man permanent schmunzelnd den Kopf schütteln könnte.

Doch Anderson präsentiert seinen Film nicht ohne Grund in diesem scheinbar verqueren Look. Sein Film (obwohl nur knapp über 90 Minuten lang) gerät zu einer Collage aus seltsamen Bildern, unüblichen Schnitten, Zwischenbildern, waberndem Sound, emotional gefärbter Musik, greller Helligkeit und starkem Gegenlicht.
Das alles ergibt einen Großangriff auf alle fünf Sinne (selbst auf den Tastsinn, denn man krallt sich schon mal in eine Kinolehne), der seinesgleichen sucht.
Tatsächlich gelingt es, in den meisten Szenen Barrys innerliche Befindlichkeit, mittels Bild, Schnitt, Kameraführung und Ton darzustellen. Als seine eine Schwester ihn in einer Szene bis aufs Blut mit ihrer unhöflichen Agressivität nervt, fängt die Kamera irgendwann an, unruhig zu schwanken, die Musik wird zunehmend dissonant, das Licht heller, die Akustik schmerzt, der Puls geht in die Höhe. Beim Konsumenten wird sowohl die Figur der Schwester wie auch ihr Verhalten zunehmend unerträglich, bis auf dem Höhepunkt Barry sich in einer zerstörerischen Kurzschlußhandlung entlädt, die auch uns gut tut, allerdings fast zu kurz ausfällt.

Will man auf einer höheren Ebene nach Aussagen suchen, so kann man in Barrys Suche den Traum von der Wiederfindung der amerikanischen Individualität entdecken, der sich gegen die allgegenwärtige Konformität seiner Umwelt durchsetzt, die ihn in das übliche Schema pressen will.
Barry bleibt Barry, auch wenn er sich befreit und wir alle glauben, daß es ihm am Ende besser geht. Doch die Realität bleibt dem Zuschauer immer ein Rätsel. Eine Realität, in der Überschlagsunfälle nicht beachtet werden,; Tonnen von Pudding zweckentleert zwischengelagert werden, weil sie wegen Bonusmeilen gekauft werden; in der ein Mensch von Kalifornien nach Utah reißt und die ganze Zeit einen abgerissenen Telefonhörer nicht aus der Hand nimmt.

Anderson ist ein stiller und gleichzeitig wilder Film gelungen, der aber trotz seines gegen den Strich gebürsteten Charakters nur wenige ansprechen wird, da er von den Figuren her die breite Masse nicht anzusprechen vermag.
Als Filmemacher ist das Konglomerat aus Stil und Technik jedoch bahnbrechend und meisterhaft - und leider auch etwas anstrengend.
Ein Film, in dem nicht wenige sagen werden, wie ungewöhnlich und bezaubernd er war - und wie wenig sie aus ihm mitnehmen konnten. Für Barry wäre das in Ordnung. Ooookay.... (7,5/10)

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