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Irgendetwas läuft nicht so ganz richtig im Leben von Barry Egan (Adam Sandler), der mit einigen Angestellten sein eigenes, kleines Unternehmen führt. Barry ist psychisch ein von Neurosen zerfressenes Wrack, kann sich selbst nicht ausstehen und wird seit frühester Kindheit von seinen sieben Schwestern bevormundet und nicht ernst genommen. Barry's Einsamkeit und Depressionen entladen sich seit jeher in spontanen Gewaltausbrüchen, die er aber ganz gut im Griff hat. Meistens jedenfalls. Als Barry eines Tages ein altes Harmonium findet und kurzerhand in sein Büro stellt, ist dies nur der Auftakt für eine ganze Reihe an seltsamen Vorkommnissen. So versteht beispielsweise niemand, wieso Barry schon seit einiger Zeit stapelweise Pudding in seinem Unternehmen anhäuft. Sein Geheimnis: Er ist hinter einen Fehler eines Gewinnspiels gekommen und sammelt tausende Bonusflugmeilen, die er durch den Kauf des Pudding's erhält.

Seit langem schon versuchen Barry's Schwestern ihren seltsamen Bruder zu verkuppeln, der neueste Versuch scheint endlich Blüten zu tragen. Als Barry die hübsche Lena (Emily Watson) kennenlernt, ist er hin und weg, sie ebenso. Die Beiden verstehen sich prächtig und kommen sich schnell näher. Als Lena für ein paar Tage nach Hawaii fliegt, trifft sich dies gut, da Barry derzeit Probleme mit dem skrupellosen Betreiber (Philip Seymour Hoffman) einer Sexhotline hat, der ihm bereits einmal vier Schläger nach Hause geschickt hat. So folgt Barry Lena kurzerhand nach Hawaii..


Was darf man davon halten, wenn sich ein Regietalent wie Paul Thomas Anderson, von dem keine geringeren Filme als "Boogie Nights" oder "Magnolia" stammen, mit einem Mann wie Adam Sandler zusammentut, der in erster Linie für seine nur bedingt lustigen Komödien à la "Happy Gilmore" bekannt ist? Handelte es sich dabei um eine fatale Fehlkalkulation des ansonsten so genialen Filmemachers, Drehbuchautoren und Produzenten oder steckt eine tiefere Absicht, ein genau eingeplantes System dahinter? Diese und ähnliche Fragen stellt man sich noch vor Beginn des Films, doch schnell gelingt es P.T. Anderson, jegliche Zweifel virtous aus dem Weg zu räumen. Sein "Punch-Drunk Love" verfügt über die Merkmale verschiedener Genres, sei es nun die einer Komödie, eines Dramas, oder eines Liebesfilms. In erster Linie ist ihm hier aber die Charakterstudie eines Menschen gelungen, der untypischer und zugleich liebenswürdiger nicht sein könnte.

Untypisch - das ist sicherlich das Wort, das Anderson's vierten Spielfilm am treffendsten umschreibt - und ihm dabei auch noch schmeichelt. Denn etwas anderes wollte der Regisseur gar nicht erreichen. "Punch-Drunk Love" bewegt sich so weit vom Mainstream entfernt, dass den meisten Zuschauern, die eine locker-romantische Komödie erwarten, ein Zugang zu dem Film und seinem Kern verwehrt bleiben wird. "Punch-Drunk Love" will und soll unterhalten, aber nicht auf die plumpe Art und Weise einer beliebigen Komödie. So macht es der Regisseur einem auch nicht gerade einfach, sich zu der Inszenierung des Films und seinem Hauptprotagonisten durchzukämpfen, doch wenn einem dies erst gelungen ist, dann wird man die wahre Größe des Werkes erkennen. "Punch-Drunk Love" war in gewisser Weise sicherlich ein gewagter Schritt des Regisseur's ging er damit doch einen völlig neuen Weg und fixierte seine Handlung auf den Alltag eines symphatischen Neurotikers, der auch nicht ganz dem gängigen Bild der sonstigen Identifkationsfigur entspricht.

Barry Egan sieht auf den ersten Blick normal aus, trägt aber tief verwurzelte Probleme mit sich. Der Betreiber eines kleinen Unternehmens, der ständig den selben, blauen Anzug trägt, hasst sich selbst, überspielt dies aber durch permanente gute Laune und stetige Freundlichkeit. Innerlich kochend, gibt er äußerlich gute Mine und ladet so nur um so mehr Aggression und Probleme auf sich - was sich immer wieder mal in kleineren Gewaltakten entlädt. Sei es nun, ob Barry auf der Party seiner sieben Schwestern plötzlich aus sich ausbricht und Glasscheiben zerschmettert, oder ob er in einem Restaurant auf die Toilette rennt, um dort die Einrichtung zu demolieren. Barry íst schon ein seltsamer Vogel, ein Freak, wie ihn die heutige Gesellschaft wohl bezeichnen würde. Doch das macht ihn so liebenswürdig. Fernab aller Hollywoodklischees des schönen Strahlemanns spielt Sandler in diesem Film einen Menschen wie du und ich, mit seinen ganz alltäglichen Neurosen und Ängsten. Auf der Party seiner Schwestern wendet sich Barry hilfesuchend an einen Bekannten, den Arzt Walter, und gesteht ihm, dass er sich ab und zu selbst nicht ausstehen kann und hin und wieder plötzlich in Tränen ausbricht. Dass Walter nur Zahnarzt ist, stört Barry nicht. Derartige Momente machen einem die Figur verbunden, genau so wie sein Anruf bei der Sexhotline. Er möchte einfach nur reden, über sich, Gott und die Welt, und bemerkt nicht, wie er es mit gefährlichen Ganoven zu tun bekommt.

Genau wie seine Hauptfigur ist auch die Inszenierung von "Punch-Drunk Love" einfach "anders". Bereits die ersten 10 Minuten sind ein Schlag ins Gesicht eines jeden Mainstreamkonsumenten. Minutenlang sehen wir Barry in großen Weitwinkelaufnahmen, beobachten ihn dabei, wie er absolut belanglose Dinge verrichtet. Die Inszenierung ist sperrig, übersteigt die Sehgewohnheiten und stellt somit eine vollkommen neue Erfahrung dar. Eine, auf die man sich einlassen kann oder nicht, ganz wie es einem beliebt. Nicht jedem wird es gelingen, den Film zu mögen, dafür ist er einfach zu überraschend unkonventionell. "Punch-Drunk Love" bietet einem keine Gags, an die man sich später noch lachend zurückerinnern wird, dennoch ist er komischer als so mancher Film, der darauf abzielt, komisch zu sein. Sobald man eine Symphatie zu Barry hergestellt hat, kann man sich dieser einzigartigen Figur und all seiner Skurillitäten einfach nicht mehr entziehen und irgendwann offenbart sich einem auch die Genialität des Films.

So ungewöhnlich dieser ist, er macht einfach alles richtig. Der Soundtrack besteht zum Teil aus romantischen Herzschmerznummern, wird aber stellenweise auch von einem dröhnenden Score begleitet, der nicht selten sogar die Dialoge übertönt. Eine laute Geräuschkulisse, die im ersten Moment penetrant auf die Nerven fällt, auf der anderen Seite wunderbar das Seelenleben Barry's wiederspiegelt, wenn er wieder einmal widerstandlos von seinen Schwestern bevormundet wird. All das macht den Film um so liebenswürdiger, da man etwas ähnliches auf die Schnelle nicht finden wird. Die beste Umschreibung für das Ganze währe wohl "romantische Tragikomödie", denn auch die Liebe kommt bei alledem nicht zu kurz. Die Unscheinbare und dennoch hübsche Lena Leonard ist die Einzige, die Barry so nimmt, wie er ist. Auch, wenn er ihr beim Liebesspiel zuflüstert, dass er ihr schönes Gesicht am liebsten mit einem Vorschlaghammer zertrümmern würde, so weiß sie natürlich, dass Barry sie braucht, genau so, wie sie ihn braucht. Dennoch erreicht der Film niemals den Statuts eines typischen Liebesfilms und das ist genau richtig so.

Die Schauspieler überzeugen ohne Frage ausnahmslos, was besonders in Bezug auf Adam Sandler schon als enorme Überraschung betrachtet werden kann. Paul Thomas Anderson hat es geschafft, die perfekte Rolle für den Komiker zu schreiben und präsentiert ihn in einem gänzlich neuen Licht. Plötzlich ist Sandler nicht mehr der blödelnde Akteur mit Mangel für schauspielerisches Talent, sondern bringt Barry derart überzeugend rüber, dass man sich keinen anderen in dieser Rolle vorstellen kann. "Punch-Drunk Love" bietet sicherlich Adam Sandler's bislang überzeugendste Darbietung. An seiner Seite weiß auch Emily Watson als der fehlende Teil in Barry's Leben zu gefallen, mit ihrer üblichen Symphatie füllt Watson die Rolle perfekt aus. In einer etwas kleineren Rolle darf man sich desweiteren noch auf einen genialen Philip Seymour Hoffman freuen, der einen unrasierten und zwielichtigen Betreiber einer Sexhotline spielt, welche ihre Kunden abzockt. Super Leistung des Schauspielers, sowie des ganzen Casts.


"Punch-Drunk Love" ist ein herrlich schräger Film über einen Außenseiter, der einem sofort ans Herz wächst. Lustig, abgefahren und romantisch und dennoch überaus unkonventionell, werden allerdings nicht alle ihre Freude an Paul Thomas Anderson's einzigartiger Charakterstudie haben. Die Inszienierung des Films hat nichts mit derer typischer Komödien zu tun, sondern ist um einiges sperriger und unzugänglicher, was jedoch wunderbar in den Stil des Films passt. Man wird "Punch-Drunk Love" entweder mögen oder ihn hassen, mir persönlich hat es der Film sehr angetan.

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