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„The better Fighter"

Die besten Kampfsportfilme waren immer auch große menschliche Dramen. Ob Rocky, Wie ein wilder Stier, The Comeback, Million Dollar Baby, oder jüngst The Wrestler und The Fighter, stets sind Herkunft, Familie, Umfeld und Lebenskrisen der eigentliche Ring in dem sich die Kämpfer behaupten müssen, wollen sie auch sportlich reüssieren. Parallel zum physischen Ringfight durchleben sie privat so einige psychische wie emotionale Höhen und Tiefen aus denen sie entweder gestärkt hervorgehen, oder an denen sie schließlich zerbrechen. Lebens- und Wettkampf gehen dabei ein symbiotisches Verhältnis ein, welches wiederum prägend und charakterbildend ist.

In diese Kategorie fällt auch Warrior. Hört man lediglich den Titel und sieht das martialische Werbeplakat, denkt man unwillkürlich an tumbe (häufig asiatische) Fließband-Kloppereien, oder gleich an die finstere Genre-Blütezeit, als sich vor allem Jean Claude VanDamme und Michael Dudikoff eine veritable Fangemeinde erprügelten. Zumal es in Warrior auch noch um Mixed Martial Arts geht. Wer jetzt allerdings auf knackende Knochen, beherzte Spagate und sinnfreies Muskel-Posing hofft, sollte möglichst schnell das Handtuch werfen.

Warrior ist zunächst einmal vor allem ein vielschichtiges Familiendrama. Es geht um zwei seit ihrer Jugend völlig entfremdete Brüder, die sich unvermittelt bei einem großen Martial Arts-Turnier im Ring gegenüber stehen.
Die Alkoholsucht ihres Vaters Paddy (Nick Nolte) hat die Familie seinerzeit brutal auseinander gerissen. Während der jüngere Tommy (Tom Hardy) mit seiner Mutter in einen anderen Staat flüchtete, blieb Brendan (Joel Edgerton) - entgegen ihrer Abmachung - bei dem trunksüchtigen Paddy, weil er seine Jugendliebe Tess (Jennifer Morrison) nicht aufgeben wollte. Aber auch er brach schließlich mit dem alkoholkranken Vater, mit dem er nur noch telefonisch oder brieflich verkehrt und ihm ansonsten jeden weiteren Kontakt - insbesondere zu seinen Enkelkindern - strengstens untersagt.
In dieser Phase taucht Tommy wie aus heiterem Himmel bei seinem Vater auf und bittet ihn um einen Gefallen. Zwar wirft er ihm nach wie vor, sein und das Leben seiner inzwischen verstorbenen Mutter verpfuscht zu haben und lässt den seit über 100 Tagen trockenen und reumütigen Vater emotional eiskalt abblitzen. Andererseits braucht er dringend dessen Qualitäten als Kampfsporttrainer, da der völlig mittellose Tommy wieder in die Mixed Martial Arts-Szene einstiegen will. Trotz dessen offen zur Schau getragenen Abscheu, sieht Paddy darin die letzte Chance dem verlorenen geglaubten Sohn wieder näher zu kommen und willigt ein.  

Parallel dazu muss auch Brendan plötzlich um seien Existenz bangen. Eine schwere Krankheit seines Zweitgeborenen und die Hypothek auf das Eigenheim sind mit dem Gehalt eines High School-Lehrers nicht zu bezahlen. Es droht die Zwangspfändung und damit der soziale Abstieg. Wie sein Bruder sieht auch Brendan die letzte Rettung in der Reanimation seiner Kampfsportkarriere. Von der Schule suspendiert und gegen den Willen seiner Ehefrau heuert er bei seinem alten Freund und Trainer Frank Campana (Frank Grillo) an. Und er hat Glück. Als Franks aktuelles Protegé verletzungsbedingt auf das prestigeträchtige und hoch dotierte Sparta Turnier verzichten muss, kann Brendan seinen alten Freund überreden statt dessen ihn zu nominieren. Was er nicht weiß ist, dass Tommy - den er seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen hat - unter einem andren Namen ebenfalls für Sparta gemeldet ist ...

Es ist vor allem dieses langsame aufeinander zu driften der ungleichen Brüder und ihre jeweilige Beziehung zu ihrem verstoßenen Vater, aus dem der Film seine enorme Spannung bezieht. Der muskelbepackte und barsche Tommy ist von einer unbändigen Wut angetrieben, die ihn alles kurz und klein schlagen lässt, was vor seinen Fäusten auftaucht. Tom Hardy verleiht dem traumatisierten Kriegsveteranen eine unglaubliche, gleichermaßen beängstigende wie brodelnde Präsenz (der ohnehin bereits kräftige Hardy trainierte sich dazu noch mehrere Kilo zusätzliche Muskelmasse an). Darüber hinaus vermag er es aber auch die tiefen psychischen Wunden seiner Figur eindringlich und glaubhaft darzustellen. Anerkennung - eigentlich bereits desertiert, hat er mehrere Soldaten vor dem Ertrinken gerettet - ist ihm unangenehm, wie jeglicher Umgang mit positiven Gefühlen.
Joel Edgerton spielt mit dem beliebten Lehrer und fürsorglichen Familienvater Brandon den wesentlich zugänglicheren Part. Aber auch hier wird die Hoffnungslosigkeit angesichts des drohenden sozialen Kollaps sowie die Sehnsucht nach Versöhnung mit dem im Stich gelassenen Bruder unmittelbar erfahrbar. Anders als sein Bruder hat er viel zu verlieren und steht unter einem existenzbedrohenden Druck, der ihn letztlich auf die wahnwitzige Idee bringt, als krasser Außenseiter bei einem stark besetzten Profiturnier anzutreten. Für den rationalen, von Vernunft gesteuerten Physiklehrer eine pure Verzweiflungstat.

Eine Glanzleistung liefert auch Nick Nolte als inzwischen trockener Alkoholiker der verzweifelt versucht, das in seinem Leben kiloweise zerschlagene familiäre Porzellan zumindest in groben Stücken wieder zu kitten. Man spürt förmlich wie er unter der Last seiner Schuld und der erniedrigenden Abscheu seiner Söhne zusammenzubrechen droht. Mit aus seiner Sicht schier übermenschlicher Anstrengung hat er sich ans rettende Ufer gekämpft, nur um dort dem unbarmherzigen Fußtritt  Tommys zu begegnen. Erst als er völlig am Boden liegt, zeigt Tommy einen Anflug von Mitgefühl und Menschlichkeit.

Es dauert über eine Stunde bis sich Tommy und Brendan erstmals gegenüber stehen. In der Nacht vor ihrem Kampf prallen die unterschiedlichen Einstellungen und Lebenserfahrungen schonungslos aufeinander. Auf der einen Seite der von Haß und jahrelang angestauter Wut zerfressene Tommy, auf der anderen Seite der von einem schlechten Gewissen geplagte und versöhnungsbereite Brendan. Trotz ihrer ruhigen Atmosphäre und relativen Kürze ist dies eine der eindringlichsten und berührendsten Szenen des Films. Der Dialog spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle, vieles vermittelt sich hier vor allem über Gestik, Mimik und Körpersprache der beiden. Am Folgeabend prägen diese gegensätzlichen Energien dann auch Kampfstil und Taktik der beiden Kontrahenten  und kulminieren in einer gnadenlosen Auseinandersetzung, deren keineswegs feststehender Ausgang  letztlich die entscheidende Karthasis für das brüderliche Verhältnis bedeutet.

Neben den differenziert ausgearbeiteten und dargestellten Figuren kann Warrior aber auch in den zahlreichen Kampfszenen punkten. Deren Inszenierung ist packend, geradlinig und wuchtig. Für die Choreographie zeichnet kein Geringerer als der ausgewiesene Kampfsportexperte JJ Perry verantwortlich, der bisher an über hundert Filmen entweder selbst als Stuntman bzw. als Stunt Koordinator beteiligt war. Das garantiert Authentizität und Glaubwürdigkeit.
Auf moderne visuelle Mätzchen wird indes verzichtet, so dass das Geschehen im Ring stets optisch nachvollziehbar bleibt. Die Kämpfe verkommen dabei nie zum Action-Selbstzweck, sondern sind immer handlungsrelevant und sind entweder Sinnbild, Fortführung, oder Resultat der jeweiligen Figurenkonstellationen.

Mit Warrior ist Regisseur und Drehbuchautor Gavin O´Connor ein gleichermaßen mitreißendes, berührendes und spannendes Kampfsportdrama gelungen, das sowohl darstellerisch wie auch erzählerisch eindeutig in der Oberliga anzusiedeln ist. Anders als der thematisch ähnlich gelagerte, aber ungleich langatmigere und seltsam distanziert inszenierte, zweifache Oscar-Gewinner The Fighter, ist Warrior ein emotionaler Parforceritt, der durchgängig für Empathie und Spannung sorgt. Auch im illustren, weil recht überschaubaren Kreis der anspruchsvollen Kampfsportfilme ein stolzer Krieger.
 
 

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