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Die dystopische Stadt Hopetown mit ebensolcher Bevölkerung in naher Zukunft in den USA bilden den Hintergrund der Splatter-Komödie Hobo with a shotgun. Für den titelgebenden Hobo, womit die speziell in den Staaten einstmals verbreitete Sorte Tramps, die auf Güterzügen ohne Fahrkarte durchs Land reisen gemeint ist, wurde kein geringerer als Rutger Hauer verpflichtet, der den allermeisten noch als blonder Androide und Muskelmann aus dem 1982er Blade Runner bekannt sein dürfte. Dieser entsteigt zu Beginn des Films zwar noch ohne shotgun einem Güterwagen und hat eher friedliche Gedanken an einen Neustart als Gärtner, muss sich aber schon bald der bösen Realität stellen: Hopetown ist eine bis in den Polizeiapparat korrupte Stadt, in dem Gangsterboss Drake (Brian Downey) mit äußerster Brutalität regiert und die verängstigten bis abgestumpften Bürger mit blutigen Spektakeln zu unterhalten versucht. Ihm zur Seite stehen seine beiden stets mit Sonnenbrille auftretenden Söhne Slick und Ivan, die ihrem extrem narzisstischen Vater nacheifern und in stetem Wettbewerb um seine Gunst immer brutalere Taten begehen. Auch der namenlose Hobo, der sich einen Rasenmäher für seinen Neustart kaufen will, bekommt ihre Gewalt bald zu spüren - dabei wollte er nur Abby, einer junge Prostituierten helfen, als diese von den beiden bedrängt wurde. Schon bald sieht er, der sich eigentlich aus allem heraushalten will, sich genötigt, statt des Rasenmähers um dasselbe Geld das titelgebende shotgun zu kaufen, um in Hopetown gründlich aufzuräumen...

Hobo with a shotgun, eigentlich ein nachträglich ausgearbeitete Film-Idee, die auf einem Fake-trailer zu Tarantino/Rodriguez´ Grindhouse basiert, erscheint auf den ersten Blick wie eine Comic-Adaption: Zu wenig ausgefeilt die Handlung, zu plakativ die Darsteller und zu übertrieben die Gewalt, die schon nach wenigen Minuten einsetzt und in meist riesigen Blutfontänen gipfelt. Da werden in Gullydeckeln eingeklemmte Köpfe mit dem Seil am Auto abgerissen, kopfüber aufgehängte Opfer gemeinschaftlich totgeschlagen und später Obdachlose im Dutzend ermordet. Durchaus innovativ sind dabei die beiden Blechbüchsen-Killer mit den verfremdeten Stimmen, die mittels Harpune und Strick ihre Opfer an der Decke erhängen und ihre Entspannung - statt im Rotlicht-Milieu - bei einem Riesenkraken finden. Auf diese und andere ähnliche crazy Ideen muß man erst einmal kommen - von daher kann man die überbordende Gewalt auch nicht recht ernst nehmen. Der indizierte Film erinnert hier streckenweise an die Hatchet-Streifen, deren ebenfalls extremer Kunstblut-verschleiß eher zum Schmunzeln anregt und keinesfalls beklemmend wirkt.

Rutger Hauers Rolle als Hobo bleibt zwiespältig - zunächst beobachtet er das Geschehen, dann entschließt er sich einzugreifen, tut dies aber immer mit einer gewissen Zurückhaltung - er will kein Held sein. Erst mit der Schrotflinte räumt er dann ein wenig auf, will aber nicht ins Rampenlicht. Zu seiner ambivalenten Erscheinung trägt in der deutschen Fassung auch die Synchronstimme des Schwarzeneggerschen Terminators bei - sehr dezent, fast schon leise spricht er seine erstaunlich nüchternen Kommentare zu den Ereignissen um sich - ganz im Gegensatz zu den lauten und großkotzigen Mitgliedern des Drake-Clans. Hauer spielt einen wahren Anti-Helden - dementsprechend kann er am Ende auch nicht überleben. Trotz oder gerade wegen seines insgesamt beherrschten Auftretens bleibt er Sympathieträger - während man Drakes Söhne, zwei Abziehbilder in einem weißen Flügeltürer, schon nach wenigen Minuten durch den Fleischwolf gedreht sehen will. Deren Vater dagegen, der in weißem Anzug auftretende Super-Narziss Drake, der jede seiner Aktionen beifallheischend genau vorausplant, darf als Inkarnation des Bösen vorhersehbarerweise bis zum Schluß wahllos Leute umbringen.

Zu den Schwächen des in kräftigsten grellbunten Farben unter Einsatz diverser Farbfilter gedrehten Streifens, der bewußt und streckenweise auch durchaus gekonnt auf Retro-Look setzt, gehört das leider wenig ausgefeilte Drehbuch, das nahezu überhaupt keinen Hintergrund zu den Geschnissen liefert: Weder gibt es intelligente, solidarische Bürger, noch korrekte Cops, auch das kurz erwähnte Fernsehen liefert nur Sensations-Schlagzeilen, wie jener Schmieren-Reporter, der für ein paar Scheinchen Obdachlose zum sich-verdreschen nötigt, die sich damit ihren spärlichen Lebensunterhalt verdienen, indem sie vor der Kamera z.B. Glasscherben schlucken...
Auch fällt die Charakterzeichnung zu eindimensional aus, weder erfährt man mehr von der hübschen Prostituierten Abby (Molly Dunsworth) noch vom Werdegang des Drake-Clans. Auch der Widerstand der Bürger ganz zum Schluß gegen die Polizei wird viel zu wenig reflektiert und dient nur als Kulisse für ein finales Shoot-out, das abrupt mit Hauers Abgang endet. Allemal sehenswert mit einem Augenzwinkern: 8 Punkte.

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