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Sieben Jahre nach dem „Sniper 3“ wagte sich Sony an eine Neubelebung der Reihe, wobei der Titel „Sniper: Reloaded“ auf den ersten Blick wie ein Anwanzen an „Matrix Reloaded“ klingen mag, auf den zweitem aber passend erscheint: Suggeriert das „Matrix“-Sequel das Neuladen eines Computerprogramms, so tut die „Sniper“-Fortsetzung mit dem Nachladen eines Gewehrs.
Aber auch in Sachen Hauptfigur wird nachgeladen, denn der in den Vorgängern von Tom Berenger verkörperte Thomas Beckett hat sich aufs Altenteil zurückgezogen. Doch er hat einen Sohn namens Brandon (Chad Michael Collins), der Sergeant ist und aktuell bei einer UN-Friedensmission im Kongo Soldaten für den Kampf gegen bewaffnete Rebellen ausbildet. Beckett jr. ist bewusst als Teilweise-Gegenstück zu seinem Vater angelegt: Brandon ist kein Scharfschütze, obwohl er von Papa viel darüber gelernt hat, sondern bevorzugt das offene Kampfgeschehen. Fast schon etwas verächtlich blickt er auf die Sniper-Tätigkeit seines Vaters. Zum Team im Kongo der gehört auch der beste Kumpel Brandons und man ahnt bereits, was folgen wird.
Zur Katastrophe kommt es, als das Team einen Farmer evakuieren soll, dessen Grundstück von einem Rebellenansturm bedroht ist. Der Mann weigert sich anfangs, dann wird das Team von einem Scharfschützen unter Feuer genommen. Der Farmer, der beste Freund und fast alle anderen Teammitglieder überleben den Hinterhalt nicht und auch Brandon nur deshalb, weil er schwer verwundet und für tot gehalten wird. Es ist fast so, als ob all seine Antipathien gegen und all seine Vorurteile über das Handwerk des Scharfschützen sich hier auf schlimmste Weise manifestieren, ehe er mit Hilfe eines Jägers überleben und zur Basis zurückkehren kann.
 
Als weitere Verbindung zur Reihe taucht dort Richard Miller (Billy Zane) auf – Protegé von Beckett sr. im ersten „Sniper“ und mittlerweile selbst Scharfschützenausbilder. Er will Brandon dabei helfen seine Teamkameraden zu rächen und mehr über die Hintergründe des Anschlags zu erfahren, hat er den gegnerischen Schützen doch selbst trainiert…
Man kann „Sniper: Reloaded“ mit Blick auf die kommenden Sequels fast weitsichtig nennen, auch wenn das vielleicht gar nicht so geplant war. In der Rückschau wirkt er beinahe wie die Origin Story eines neuen Regulars der Filmreihe. Brandon wird hier vom Soldaten zum Sniper, unter anderem durch die Anleitung von Miller, auch wenn es kaum Ausbildungs- und Trainingsszenen gibt. Miller wiederum garantiert nicht nur den Bogen zum Original, sondern sorgt mit markigen Sprüchen auch für etwas humoristische Auflockerung, siehe seinen Kommentar zum In-die-Hose-Strullen, wenn man als Sniper lange warten muss. Der Drehort Südafrika bot nicht nur vergleichsweise viel für den kleinen Direct-to-Video-Budget-Geldbeutel, sondern sieht auch schick aus, mit seinen Landschafts- und Tieraufnahmen, die Regisseur Claudio Fäh immer wieder einstreut. Obendrein ist er ein sinniges Handlungsort für die Geschichte aus der Feder von John Fasano.
Der Plot ist allerdings nichts Besonderes. Im Grund bilden die beiden Duelle mit dem gegnerischen Sniper den Rahmen des Films, den Fasano dann mit Fleisch füllen muss. Und das ist bisweilen reichlich mager. Denn im Mittelteil passiert wenig von Belang, weshalb „Sniper: Reloaded“ noch einen Subplot um Kinder einbaut, die von dem Jäger beschützt und von den Rebellen als potentielle Soldaten entführt werden, weshalb sie gerettet werden müssen. Das führt zu etwas Action in Form von zwei Scharmützeln, ist aber insgesamt von Bedeutung, weil sich Jäger und Kinder danach sang- und klanglos aus dem Film verabschieden. Außerdem gibt es noch den holprigen Versuch einer Beziehungskiste, wenn Lieutenant Ellen Abramowitz (Annabel Wright), die das Fiasko untersucht, in Rekordzeit mit Brandon in die Kiste steigt. Gleichzeitig ist da noch die Frage, ob es einen Verräter im Team gibt. Ist Ellen etwa nicht die, die sie vorgibt zu sein? Ist etwa der UN-Kommandant Colonel Ralf Jäger (Richard Sammel) in die Sache verwickelt oder vielleicht jener einheimische Soldat, der den Hinterhalt wie durch ein Wunder unverletzt überlebt? Des Rätsels Lösung ist dann allerdings die Standardklischeekiste, die Hintergründe des Ganzen nicht allzu aufregend, sodass sich Thrill und Überraschungen in Grenzen halten.

Die Action kommt dann auch nicht im Übermaß vor, ist aber von Fäh souverän inszeniert, wenn es denn rund geht. Der Hinterhalt besteht natürlich zum größten Teil daraus, dass Brandons Team vom gegnerischen Sniper dezimiert wird, hat aber einige blutige Einschüsse zu bieten. Bei den beiden Actionszenen um den Jäger, seine Schützlinge und Brandon als Verstärkung geht der Bodycount in die Höhe, wenn zwei Meisterschützen mit überlegenen Waffen und guter Taktik kleinere Trupps ausschalten, auch wenn das alles gern etwas länger gehen dürfte. Dafür liefert der Showdown dann ordentlich ab, wenn Beckett und Miller erst angreifende Rebellen dezimieren und es danach zum Sniper-Duell zwischen Brandon und dem Schurken kommt, das mit Spannung, Tricks und Finten aufwarten kann. Das vorige Gefecht mit den Rebellen sorgt dann für mehr Schauwerte, gerade wenn Miller mit einem Kaliber-50-Gewehr dafür sorgt, dass auch Hauswände keine ausreichende Deckung mehr bieten.
Chad Michael Collins gibt hier zum ersten Mal Brandon Beckett und muss sich noch etwas in die Rolle einfinden, da er weniger markig als in den Sequels wirkt. Einen okayen Job macht er trotzdem. Wesentlich stärker ist dagegen Billy Zane, der trotz begrenzter Screentime die meisten Akzente setzt. Das kann auch Richard Sammel als möglicherweise zwielichtiger Kommandant, während Annabel Wright als UN-Soldatin und Justin Strydom als schurkischer Sniper trotz nomineller Rollen wenig einprägsam agieren.

„Sniper: Reloaded“ sieht dank Claudio Fähs Inszenierung schick aus, tritt aber im Mittelteil auf der Stelle und verfügt über einen mäßig aufregenden Standardplot. Die Actionmenge ist nicht allzu üppig, inszenatorisch machen die Shoot-Outs aber etwas her, vor allem im Finale. Ein okayer Beitrag zu der Reihe, die danach so richtig produktiv werden sollte.

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