Review

"Moon" war für Duncan Jones ein schönes und vielschichtiges Erstlingswerk, das für ordentlich Reputation, aber auch für Vorschußlorbeeren sorgte. Bevor der Künstler jedoch die nächsten eigenen Ideen verfrühstückt, griff er hier zu einem bereits vorgefertigten Stoff, der sogar im gleichen Genre verankert ist, allerdings mehr auf der Massengeschmacksskala gelagert wird.
Autor Ben Ripley ist jetzt nicht wirklich ein Meister seines Fachs, doch die Geschichte des Soldaten, der mittels einer nicht bekannten Maschinerie, des titelgebenden "Source Codes" für acht Minuten in eine parallele Realität abtauchen kann, um dort im Körper eines Mensch den Grund für ein Bombenattentat auf einen Vorstadtzug von Chicago zu untersuchen, hat durchaus seine Meriten.

Everyman-Knuddelbär Jake Gyllenhaal ist der Auserwählte, der sich immer wieder im Körper eines Lehrers wiederfindet, der in Begleitung einer guten Freundin auf dem Weg zur Arbeit ist und nun binnen acht Minuten die Bombe, den Täter und das Motiv herausfinden muß, weil weitere Anschläge ja geplant sein sollen. Natürlich hat der Aufenthalt in so einer künstlichen Realität so seine Tücken und so muß man den Guten erst davon überzeugen, daß er bereits Geschehenes nicht ungeschehen machen kann, vor allem wenn einem die Frau im Sitz gegenüber mit der Zeit auch noch anspricht.

So entsteht ein relativ gehetzter Thriller mit SF-Attitüde, der allerdings wesentlich mehr versucht, als er in gut 90 Minuten wirklich stemmen kann. Ist die Ausgangslage allein schon unterhaltsam genug, liegt der Schwerpunkt des Zuschauerinteresses dann doch vielmehr in der vermeintlich echten Realität, in der sich Protagonist Colter in einer Art Metallkammer angeschnallt findet, aus der er nur mittels Bildschirm mit seinen Auftraggebern und befehlshabenden Offizieren oder Wissenschaftlern kommunizieren kann. Spätestens wenn sich auch dieser Handlungsort innerlich verändert, ahnt man, daß das wirkliche Rätsel darin besteht, mit der Hauptfigur herauszufinden, wo er ist, was er ist und was mit ihm geschah.

Als Zuckerguß kommt natürlich noch so etwas wie eine - leider ziemlich unterentwickelte - Liebesgeschichte mit Freundin Christina zu dem ganzen "Murmeltiertag"-Zinnober, bei der Michele Monaghan leider nur als freundlicher, aber uncharismatischer Katalysator fungiert und die keimende Romanze nie wirklich zündet.
Ebenfalls zahmer als erwartet fällt die Betonung der Machtlosigkeit und des Ausgeliefertseins aus, die die Figur des Colter befallen muß, während er verzweifelt versucht, für sich in der alternativen Realität mal ein anderes Schicksal zu bestimmen, als von der (übrigens deutlich per PC visualisierten) Bombenexplosion zerschreddert zu werden. Stets nagt den Zuschauer das Stimmchen im Hinterkopf, daß die Chose mit den Hintergründen des "Source Code" eigentlich viel wichtiger, spannender und interessanter ist und man eigentlich nur wissen will, ob der Gute nun träumt, im Koma liegt, an der Schwelle des Todes kratzt oder einfach nur in einem wissenschaftlichen Experiment gefangen ist.

Weil mit der Enthüllung irgendwie der Vorhang für den Plot fällt, muß eben diese jedoch so lang wie möglich herausgezögert werden, was die Suchen nach dem Bombenleger zeitweise zweitrangig und nicht eben prägnant macht, vor allem, weil man sich bei der Präsentation der immergleichen acht Minuten so auffällig verhalten hat, daß man schon früh ahnt, wer der Attentäter denn nun sein könnte.

Am Ende hat das Drehbuch nur die Wahl, entweder die Tragik zu betonen oder im Sinne von "Inception" immer noch einen Schlenker dranzuhängen und die Handlung um immer noch eine Ebene zu vertiefen oder zu verdoppeln, was allerdings eher nach einem angestrengten Happy End riecht, was man dem sympathischen Helden allerdings auch gönnt.
So ist "Source Code" am Ende für seine relative Kürze sehr vollgepackt, aber immer unterhaltsam, stets den bekannten Weg des Bombasts umgehend (das Finale ist geradezu unspektakulär gegenüber Auftakt und Mittelteil), jedoch mit der Hypothek auf zu vielen Partys gleichzeitig tanzen zu wollen.
Für Jones war es sicherlich eine gewichtige Erfahrung mit einer schon mittelgroßen Produktion und einem Cast jenseits von nur einer einzigen Person mal Erfahrungen im Hollywoodbereich zu gewinnen und so zitiert er sich munter selbst, indem als Handyton genauso wie der Weckruf in "Moon" Chesney Hawkes unsägliches "The One and Only" erklingt, während auch hier wieder der völlig auf sich allein gestellte Protagonist, gegen widrige Umstände und ein vorbestimmtes Schicksal angehen muß. Das Sujet ist also ähnlich, diesmal bunter und weniger spartanisch, dafür aber auch überladener und in seinen Einzelteilen wesentlich konventioneller. Aber besser anzusehen, als standardisierte Formelware allemal. (7/10)

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