Nach Duncan Jones fulminanter, viel gelobter „Space Oddity“ MOON kehrt der Regisseur, dessen Name ich immer mit einer kanadischen Indie-Band (Danko Jones) durcheinander bringe, auf den Boden der Tatsachen, sprich auf die Erde zurück. Die Story bleibt jedoch phantastisch, die hintergründigen Themen tiefschürfend, philosophisch und existenziell.
Elitesoldat Colter Stevens (Jake Gyllenhaal) wacht in einem fahrenden Zug auf. Doch er ist nicht er selbst, er steckt im Körper eines anderen. Mittels „Source Code“-Technologie wurde er in einen ihm fremden Passagier versetzt und erlebt die letzten 8 Minuten der Fahrt, bevor der Zug aufgrund eines Bombenattentats explodiert. Seine Mission: den Attentäter, der sich im Zug befindet, ausfindig machen…
Es geht um Hinterfragung der eigenen Identität, um Realitäts- bzw. Identitätsverlust, um Leben auf verschiedenen Realitätsebenen, um die Erschaffung künstlicher Identitäten und Realitäten. Ging Ashton Kutcher in BUTTERFLY EFFECT bereits einhellig der Frage „Wer wäre ich heute, wenn ich damals…?“ nach und brachte mit seinen Zeitreisen gehörig die Gegenwart durcheinander, so entfernt sich SOURCE CODE doch deutlich von der BACK TO THE FUTURE-Thematik. Hier ist es vielmehr das zigfache Wiedererleben der Vergangenheit, besser einer Erinnerung oder eines Schnipsels davon. Stevens wird von einer Spezialeinheit von Wissenschaftlern, die fieberhaft an der Aufklärung des Attentatfalls arbeitet, immer und immer wieder in die letzten acht Minuten des Zuges katapultiert, kommt der Lösung meist ein Stückchen näher, wird dann aber stets von der Detonation aus der Situation, die zwischen realitätsnaher Simulation und rekonstruierter Vergangenheit schwebt, gerissen und in einen Stahlcontainer zurückbefördert, wo er sich mit Kabel verbunden und in Hydraulikflüssigkeit watend vorfindet, worauf sich das Spiel von neuem wiederholt.
Das klingt nach UND TÄGLICH GRÜßT DAS MURMELTIER, nach 12 MONKEYS oder 12:01 UHR, ist zum Glück aber doch etwas ganz Eigenständiges. Positiv an SOURCE CODE sind die verwinkelte, zum konzentrierten Mitdenken zwingende Handlung und die schauspielerische Darbietung von Herrn Gyllenhaal (DONNIE DARKO, JARHEAD, BROKEBACK MOUNTAIN). Negativ dagegen die etwas dröge, unpeppige Erzählweise und die Abstecher des Plots in den Kitschbereich. Beispielsweise verknallt sich Stevens in die Frau, die ihm während des Erwachens gegenüber sitzt, wohl die Freundin des Mannes, in dessen Körper er geschlüpft ist. Umringt von Zeitdruck, bevorstehender Katastrophe und Existenzverlust findet der Hauptcharakter also noch Zeit, von einem glücklichen Leben mit seiner gerade erst kennen gelernten Herzallerliebsten zu träumen, was gelinde gesagt schon etwas arg abgeschmackt und an den Haaren herbei gezogen rüberkommt.
Dennoch macht SOURCE CODE Spaß, wenngleich auch nicht immer komplett Sinn. Dass der Film mehr auf Thrill als auf Action setzt, ist sehr stimmig. Der Sci-Fi-Anteil ist gerade so hoch, dass man sich vorstellen könnte, dass der Plot mit seinen futuristischen Technologien in 50 Jahren von der Realität eingeholt werden könnte. Philip K. Dick und Stanislaw Lem lassen also schön grüßen.
Fazit:
Gut und weitaus besser als dieser ganze mit Heroik überfrachtete Hollywood-Müll.