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Ein Mann erwacht in einem Zug und weiß weder wie er dort hingeraten ist, noch wer die ihm gegenübersitzende hübsche junge Frau ist, die ihn offenbar gut zu kennen scheint - allerdings unter einem anderen Namen und einer anderen Identität ...

Mit dieser ebenso simplen wie dramaturgisch effektiven Prämisse beginnt Duncan Jones neuer Thriller Source Code. Wie bei seinem Erstlingswerk Moon braucht der Jungregisseur nur ein paar wenige erzählerische Pinselstriche, um ein gehöriges Maß an Spannung und Neugierde aufzubauen. Erst scheibchenweise enthüllen sich für Zuschauer und Protagonist die wahren Hintergründe der seltsamen Zugfahrt.
An Hitchcock erinnert dabei nicht nur die clever arrangierte Ausgangssituation, auch die Konfrontation ganz gewöhnlicher Menschen mit einem irrwitzigen Szenario sowie eine permanent spürbare unterschwellige Bedrohung gehörten zum bevorzugten Repertoire des „Master of Suspense". Source Code ist allerdings alles andere als eine anbiedernde Hitchcock-Hommage, wie sie sowohl von ambitionierten Filmemachern als Fingerübung, wie auch von weniger begabten Regisseuren mangels eigener Ideen immer wieder mal gern versucht wird.
Source Code zündet in der fulminant arrangierten Auftaktsequenz gleich mehrere Überraschungsstufen, die den Zuschauer mit aller Wucht regelrecht in den ungewöhnlichen Film hineinkatapultieren. Wer sich den Spaß nicht verderben will, sollte die nächsten beiden Absätze überspringen.

Bereits nach wenigen Minuten reißt Jones sein sich langsam mit dem Thrillerplot vertraut machendes Publikum äußerst unsanft aus seiner Abtastungsphase und konfrontiert es kurz hintereinander mit drei Schockmomenten, die das bisher Gesehene immer wieder in eine völlig neue Richtung bugsieren. Als der verunsicherte Mann auf die Zugtoilette geht, blickt ihm im Spiegel das Gesicht eines völlig Fremden entgegen. Laut Ausweis ist er der Lehrer Sean Fentress und nicht der US-Hubschrauberpilot Colter Stevens. Wenig später explodiert der Zug und mit ihm alle Passagiere. Kurz danach erwacht Stevens in einer Art Raumkapsel und spricht via Bildschirm mit einer Offizierin der US-Streitkräfte, die ihn zumindest rudimentär über das seltsame Szenario aufklärt.

Offenbar besitzt Captain Stevens besondere Fähigkeiten, die es ihm ermöglichen in die Vergangenheit zu reisen und dabei für 8 Minuten in den Körper eines anderen zu schlüpfen. Dieser Vorgang, genannt „Source Code", ist beliebig wiederholbar, so das sich - obwohl die Vergangenheit nicht mehr zu ändern ist - sämtliche Umstände eines bestimmten Ereignisses genauestens analysieren lassen. Bei der aktuellen Mission soll Stevens den im Zug befindlichen Attentäter aufspüren und damit einen weiteren geplanten Anschlag verhindern helfen, sein alter Ego Sean und alle Passagiere des Pendlerzuges sind dagegen nicht mehr zu retten.

Duncan Jones inszeniert dieses komplexe Verwirrspiel mit erstaunlich leichter Hand. Nie läuft er Gefahr sich im Genremischmasch zu verheddern und packt so unterschiedliche Elemente wie Zeitreisen, Parallelwelten, Terrorismus-Paranoia, Identitätsfindung und Whodunit-Thriller in ein leicht verdauliches und dennoch anspruchsvolles Stück Unterhaltungskino. Vor so viel Souveränität und Abgeklärtheit am Beginn einer Karriere muss man den imaginären Hut ziehen.

Die sich im Verlauf des Films entwickelnde Liebesgeschichte ist nicht etwa ein bloßes Zugeständnis an das Mainstreampublikum (obwohl sie sicherlich auch diesem Zweck dient), sondern verschafft den ansonsten orientierungs- bis hilflos wirkenden Stevens die nötige Bodenhaftung und Motivation, um die wahnwitzige Reise immer wieder aufs Neue anzutreten und im Sinne seiner Auftraggeber erfolgreich zu meistern. Jake Gyllenhall und Michelle Monaghan geben ein glaubwürdiges und sympathisches Paar und sorgen für einen emotionalen Kern, der die ansonsten über weite Strecken eher abstrakte Geschichte geschickt austariert.

Mann kann Source Code sicherlich vorwerfen, dass er die kriminalistischen Möglichkeiten des Plots nicht voll ausschöpft. Bei der Suche nach dem Bombenleger geht Colter Stevens nicht unbedingt mit detektivischem Gespür zu Werke (er ist aber auch Soldat und kein Polizeibeamter) und die diversen Wiederholungen sind nicht auf die etappenartige Enthüllung der Wahrheit ausgelegt, wie dies beispielsweise 8 Blickwinkel praktizierte. Allerdings birgt eine (zu) häufige Wiederholung desselben Vorgangs - sei es auch mit wechselnden Perspektiven - die Gefahr einer deutlichen Ermüdung seitens der Zuschauer, ein Problem das beim oben erwähnten Beispiel bestens zu studieren ist und das bei Source Code glücklicherweise nicht auftritt.
Auch das Ende mag dem ein oder anderen aufgrund der angerissenen Themen und aufgeworfenen Fragen - die teilweise in moralische und psychische Grenzbereiche vordringen - etwas zu gefällig daherkommen. Andererseits bietet Jones hier lediglich eine mögliche Variante bei der Anwendung des „Source Code" und einen möglichen Ausweg aus einem ansonsten überaus finsteren Szenario. Nachdenklich bleibt man als Zuschauer trotz des vermeintlichen Happy Ends jedenfalls dennoch zurück.

Wäre es wünschenswert in die Zeit zurückreisen und damit Einfluss auf die Zukunft nehmen zu können und wenn ja, wer sollte diese Technik nutzen dürfen? Gibt es so etwas wie Paralleluniversen zur eigenen gelebten und gefühlten Realität? Sollten Personen zum Wohle der Allgemeinheit für Gedankenexperimente genutzt werden dürfen?
Das sind nur einige Fragen, die man sich noch lange nach dem Abspann stellt, womit Source Code weitaus mehr zu bieten hat, als jeder andere (Cyber-)Thriller seit dem immerhin bereits zwölf Jahre alten Matrix. Ob Altmeister Alfred Hitchcock an dem Film Gefallen gefunden hätte steht auf einem anderen Blatt und ist eine ebenso interessante wie rein akademische Frage, mit der „Source Code"-Technik allerdings ... 

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