Review

Auf nach Pfahlland!
So viel intellektuelles Mitdenken war den deutschen Verleihern wohl angesichts eines so überraschend emotionalen Horrorbeitrags wie "Stake Land" zuviel der Subtilität, also machte man aus dem kleinen Werk gleich mal ein kosmopolitisches "Vampire Nation", setzte noch einen Max-Schreck-Lookalike über ein postapokalyptisches Szenario und schon hatte mal ein kleines Ding groß aufgeblasen.
Zum Glück schadet es Jim Mickles Film aber nicht sonderlich, der schon mit "Mulberry Street" den Horrorkanon mal etwas anders interpretierte und hier mal nicht auf Spektakuläres, sondern eher auf Tragisch-Anrührendes setzt.

Ganz so am nuklearwinterhaften After, wie das Cover verspricht, ist die Welt in seinem neuesten Film zwar nicht, aber der Zustand der Welt ist trotzdem ziemlich im Argen, denn eine Vampirseuche hat dafür gesorgt, daß die Zivilisation in den Vereinigten Staaten (und offenbar im Rest der Welt auch) zusammengebrochen ist.
Die Blutsauger sind nicht eben die typischen Filmvampire, sondern erinnern eher an blutgesteuerte Untote mit Reißzähnen, aber das bietet zumindest ein bißchen Abwechslung in der Story eines reisenden Vampirjägers namens "Mister" und seines notgedrungenen Adoptivsohnes cum Lehrling, den er bei einer frisch abgeschlachteten Familie einsammelt.
Der Weg führt unsere beiden Protagonisten samt einiger Nebenrollen quer durch die Staaten nach Norden in Richtung auf ein gewisses "New Eden" zu, das wohl irgendwo in Kanada liegen soll, wo es die Vampire wegen der Kälte nicht so gut machen (was übrigens ein Trugschluß ist).

Für wenig Geld wird in der Folge viel erreicht, denn die Jäger reisen durch die ländlichen Überreste eines entvölkerten Landes, in dem aber immer noch Menschen unterwegs sind, die sich in scheinbar sichere Enklaven zurückgezogen haben.
Das Kernproblem dabei sind weniger die Blutsauger, die man sich primär vom Hals halten könnte, als vielmehr eine ganze Reihe von brandgefährlich-depperten Sekten, die auf die Wiederkehr Christi hoffen und dabei nicht eben darauf fokussieren, etwa die Untoten abzufackeln, sondern vielmehr die restlichen Ungläubigen auszumerzen.
Das kann natürlich bei einem schweigsamen Fremden wie Mr. Mister (den mußte ich jetzt bringen...) nicht lange gut gehen und alsbald ist überall der Bär los, denn ein Hohepriester/Oberbruder/Vortänzer der sinistren Bruderschaft hat es gezwungenermaßen racheschnaubend bald auf unsere Helden abgesehen.

Ja, "Stake Land" ist für nicht mal 100 Minuten enorm reichhaltig geraten und hätte problemlos mit etwas mehr Plot sogar eine Miniserie gefüllt, jetzt wo die Zombieinvasionen a la "The Walking Dead" doch so in sind. "Stake Land" ist in der Anlage allerdings weniger ein typischer Untotenfilm, dafür in der Grundkonstellation ein wenig im Gewande von McCarthys "The Road" und erzählerisch sehr nah an "Zombieland" gelagert - abzüglich des Humors.
Davon gibt es hier wenig, dafür mehr trübe, traurige, nachdenkliche und tragische Töne, wenn man etwa Gefährten gewinnt und wieder verliert und die Handlungen auf dem Weg eliptisch auf einen selbst zurückfallen, irgendwo zwischen Überlebensinstinkt und Selbstaufopferung. Spielte die Handlung nicht zu unseren Zeiten und wären Autos nicht ein immer noch bevorzugtes Transportmittel, wäre "Stake Land" ein klassischer Western, in der sich die Helden stets quer durch die gefährliche Wildnis von einem Fort zum nächsten bewegen müssen, ohne den Indianern in die Hände zu fallen.

Spektakuläre Daueraction ist dabei nicht zu erwarten, mehr Gesellschaftskritik im Vorbeigehen und Religionskritik im großen Stil, wenn etwa unsere Protagonisten in eine Falle tappen, als sie in ein Zelt der Bruderschaft geraten, in dem sich im klassischen Guyana-Style die Sektierer anscheinend mit Saft vergiftet haben - bis sie alle putzmunter aufspringen.
Natürlich fließt auch hier Blut, aber Mickle und sein getreuer Autorenkollege Demici haben den Selbstzweck ausgemerzt und inszenieren das als notwendiges und begleitendes, niemals schmückendes Element: dreckige Arbeit im Überlebenskampf und nicht als amüsantes Aha-Erlebnis mit reichlich spritzenden Körperflüssigkeiten.

Es erwartet den Zuschauer also ein relativ stiller, mit gutem, weil traurig-emotionalem Soundtrack angefüllter Road Trip in eine ungewisse Zukunft mit einem Hauch an Hoffnung als Dekoration, der dem Film aber bei aller Schwere richtig gut tut, denn während der Plot das Westerndrama zwei Drittel lang gut aufbaut, gerät die Reise der Hoffnung auf den letzten Metern zu einer endlosen Tragödie, die man selbst mit ausgelöst hat - ein Klumpen, an dem als actionverwöhnter Vampirfan zu schlucken hat.
Wenn so aber kostensparendes Independent-Filmemachen ausschaut, dann lasse ich gern meinen Obulus für so ansprechend gemachte Videothekenware jenseits totgetrampelter Schemata. Zwar sind hier und da ein paar Längen im Spiel und etwas mehr zu den Charakteren hätte man sich sicher auch gewünscht als dauerhaft beredtes Schweigen, aber dennoch gratuliere ich zur gut geratenen kreativen Arbeit. Ein schöner Film, der mehr als eine Emotion beschwört. (7,5/10)

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