Manches Mal, wenn man sich die Gesamtbewertungen auf dieser Seite so ansieht, kommt man nicht umhin sich zu fragen, was um alles in der Welt ein Regisseur, jenseits von Tarantino, überhaupt noch machen kann, um sein Publikum zu befriedigen. Da werden Kindheitserinnerungen zu Kultfilmen hochstilisiert und neue, gelungene Werke versinken schonmal aus Prinzip im Mittelmaß. So auch beim (erbärmlich zur „Vampire Nation“ einge"deutschten") „Stake Land“.
Dabei sollten all die Basher, Disser und Hater doch froh sein. Hatten sie sich gerade noch über die weichgespülten Glitzersofties aus „Twilight“ aufgeregt, erwartet sie in „Stake Land“ endlich mal wieder die harte, kompromisslose Variante der Blutsauger. Denn ähnlich wie beim zwar optisch grandiosen, inszenatorisch jedoch teilweise vermurksten „30 days of night“ sind die Vampire hier keine sanften Nackenschlürfer sondern reißende Bestien. Die Diskussion, ob das denn nun überhaupt noch „Nightflyer“ oder schon Zombies sind, mag berechtigt sein, im Endeffekt ist das für die Geschichte an sich jedoch völlig (Blut-)Wurst.
Nach diesem misslungenen Wortwitz (mögen nur wenige folgen!), möchte ich gerne die Inhaltsangabe überspringen (bei Interesse findet man sie direkt unter dem Postermotiv auf der Hauptseite des Films) und gleich zu den Besonderheiten des Horror-Action-Endzeit-Drama-Abenteuers kommen. Die erste wäre, dass es sich im Grunde um dieselbe Geschichte wie bei dem von mir sehr verehrten „Zombieland“ handelt. Nur wird das Ganze von einer anderen, nämlich ernsten Seite angegangen. Dennoch bleiben die Erlebnisse des jungen Martin und seines Ziehvaters, der sich nur Mister nennt (wieder eine Ähnlichkeit zu Tallahassee und Florida und wie sie alle heißen), im Kern ein Roadmovie mit Elementen eines Coming-of-age-Films, angereichert mit einem actionreichen Horrorplot. Die Beiden schlagen sich ziemlich erfolgreich und nach einiger Zeit auch routiniert durch eine feindliche Umgebung, eine eindzeitliche Welt, deren Straßen tagsüber von biblischen Sekten und nachts von blutrünstigen Vampiren beherrscht werden, finden hin und wieder ruhige Oasen menschlicher Wärme – etwa in einer der freundlich gesinnten Siedlungen – und suchen (wiederum ähnlich dem "Pacific Playland") einen Ort, an dem sie sich endlich niederlassen und ihr weiteres Leben ohne Furcht und Elend leben können. Warum dieses treffend benannte „New Eden“ nun sicherer sein sollte als all die Enklaven die sie durchfahren wird zwar kurz angesprochen, wirklich überzeugend wirkt das Argument jedoch nie. Stattdessen ist eine Hoffnung an die sich die Beiden klammern, der berühmte Silberstreif am Horizont, der Sinn den man für seine Existenz braucht, wenn doch alles so sinnlos erscheint. Und im Gegensatz zu „In einem Land vor unserer Zeit“ verwehrt uns der Film auch den Blick auf das angebliche Paradies (soviel Spoiler muss erlaubt sein).
Schon bald kristallisiert sich auch heraus, dass die Vampire zwar eine nicht zu unterschätzende Gefahr darstellen, das wahre Böse aber mal wieder der Mensch selbst ist. Denn im Gegensatz zu diesem kann man sich zumindest tagsüber vor den Eckzahnigen in Sicherheit wiegen. Dass es dabei mal wieder der biblische Fanatismus ist, der den Mensch dem Menschen ein Wolf sein lässt, erklärt sich aus amerikanisch-puritanischer Sicht von selbst und ist mir nachwievor immer noch lieber als die allgemeinen Araber-, Chinesen- und Russenklischees. Zudem wird das Ganze ja auch durch die Person der netten „Anhalter“nonne etwas gelockert.
Eine Sache allerdings hat das Marketing – gerade in Deutschland – leider etwas versemmelt. Möglicherweise ist das auch mit der Grund für die mittelmäßigen Bewertungen. Zwar gibt sich „Stake Land“ mitunter recht brutal, auch empfand ich ihn als durchgehend spannend und kurzweilig, ja auch die Schockeffekte funktionierten, aber… . Aber es handelt sich eben doch vornehmlich um eine Drama. Daher überwiegen auch die ruhigen, nachdenklichen Passagen. Auch ist „Stake Land“ nie komplett hoffnungslos. Die Menschen begegnen sich (bis auf die „Children of the corn“ Bruderschaft) immer mit Freundlichkeit und Warmherzigkeit. Gut möglich, dass das dem ein oder anderen sauer aufgestoßen ist. Mir, der ich normalerweise auch die deprimierende Schiene bevorzuge, hat gerade dieser Fakt besonders gut gefallen und dem Film etwas Eigenständiges gegeben.
Lassen sie sich jedoch nicht täuschen. So sehr die Sonne am Horizont eben auch scheinen mag, die Unsicherheit, die Angst ist nie vergessen. „Stake Land“ legt, was seine Nebenfiguren angeht, eine beeindruckende Kompromisslosigkeit an den Tag, die ich so bisher nur in wenigen Filmen erlebt habe und die in krasser Weise den positiven Gesamttenor kontrastiert. Ein erbarmungsloser, grausamer Film also, der dennoch Hoffnung bietet? Seltsam, eigenwillig, aber gerade dadurch ungewöhnlich genug um zu interessieren.
Vielleicht sollte man noch erwähnen, dass „Stake Land“ nur mit einem geringen Budget finanziert wurde, was mir, hätte ich es nicht vorher schon gewusst, eigentlich nie wirklich aufgefallen wäre. Die Effekte sind schön oldschoolig, also handgemacht, die Sets zwar beschränkt aber immer schön postapokalyptisch und die Schauspieler, bis auf Danielle "Halloween" Harris (die mit ihren Mitte 30 immer noch verdammt jung wirkt und ziemlich süß anzuschauen ist) recht unbekannt aber gut ausgewählt. Gerade Mister-Darsteller Nick Damici empfiehlt sich (nicht nur wegen seiner Ähnlichkeit mit einem nicht ganz so fertigen Mickey Rourke) für Höheres. Sein Charakter ist der Interessanteste und er verkörpert ihn auch dementsprechend. Seine Vorgeschichte, wie er zu diesem erfahrenen Vampirkiller wurde, wird – wenn überhaupt – nur angedeutet (etwa seine Reaktion auf die schwangere Mitreisende) und erklärt trotzdem oder gerade deswegen sein etwas ambivalentes Verhältnis zum Ziehsohn Martin. Es ist schön, im Horrorgenre (soweit man den Film dazu zählen kann) nicht immer alles auf dem Silbertablett ausformuliert zu bekommen.
Einzig aus der Reihe fällt der kleine Showdown am Ende, der nicht so ganz den Ton der restlichen Geschichte zu treffen vermag. Aber man will ja nun auch nicht kleinlich sein.
Und damit möchte ich eigentlich auch schon wieder zum Ende meiner Rezension kommen. Im Fazit ist „Stake Land“ dann doch etwas ganz anderes geworden, als ich vor Sichtung erwartet habe. Und obwohl er ruhig und emotional, manchmal leicht melodramatisch ist, war ich positiv überrascht. Regisseur Jim Mickle ist mit seinem zweiten Langfilm eine spannende, gut inszenierte low-budget Geschichte gelungen, die einen mit einem angenehmen Gefühl entlässt und die ich daher nur zu gern weiterempfehle.