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Text überarbeitet am 17.04.2020

Was heute umringt von Comic-Krawall und SciFi-Opern wohl keinen Jugendlichen mehr hinter dem Ofen hervorlocken dürfte, hatte Ende der 90er im Kino noch ziemlich gute Karten in der Hand, um einen 17-Jährigen aus den Schuhen zu blasen. “Lethal Weapon 4” kam im Sommer 1998 in die Kinos. Eine Dynamitstange von einem Film, versuchte das euphorisierte Teenager-Hirn den Eingeweiden klar zu machen. Noch auf dem Kinositz war die Anschaffung der Videokassette beschlossene Sache. Im Laufe der Jahre würde sie unzählige Male ihren Dienst verrichten. Schließlich würde die DVD übernehmen und mindestens ebenso viele Stunden im Abspielgerät verbringen. Ein schier makelloser Unterhaltungsfilm, der sich wie schon die vorhergehenden Teile einfach nicht abnutzen wollte. Man konnte glauben, die Produzenten könnten machen, was sie wollten: Wenn sie Riggs und Murtaugh zusammen brachten, würde das niemals schiefgehen, egal zum wievielten Mal sie die Formel wiederholten.

Inzwischen sieht man das mit der gebührenden Erfahrung und Distanz etwas nüchterner. Naturgemäß ist das vierte und inzwischen wohl endgültig letzte Kapitel auch das schwächste. Das liegt vor allem daran, dass die Story derart mit überflüssigen neuen Nebenfiguren und Schauplätzen aufgeplustert wurde, dass die bis dato so nonchalante Gelassenheit einer nimmermüden Hektik weicht. Untrennbar damit verknüpft ist zwar ein für damalige Verhältnisse beeindruckendes Erzähltempo, das jedoch zugleich etwas konzeptlos scheint. Eine Wahrheit bleibt bestehen: Mit Mel und Danny macht man unter Garantie nichts falsch. Aber um die beiden Hauptdarsteller herum haben sich ein paar Dinge entwickelt, die nicht jedem schmecken dürften.

Gibson und Glover bestätigen immerhin den Vertrauensvorschuss, den man ihnen zu geben gewillt ist. Und zwar insofern, als dass ihre Spielfreude keinen Deut nachgelassen hat. Ermüdungserscheinungen sind schließlich keine Seltenheit, wenn Schauspieler eine Rolle bereits zum vierten Mal wieder aufnehmen, doch diese Beiden schlüpfen einfach hinein, als wären Riggs und Murtaugh ein paar bequeme Slipper. Die unbestrittene Hauptattraktion, das unverwechselbare Buddy-Couple, dieses Yin-Yang aus einem konservativen Schwarzen und einem verrückten Weißen, es läuft unermüdlich auf Hochtouren.

Pate hat wohl auch ein wenig Clint Eastwood gestanden, denn zunehmend werden die heißen Fälle ein wenig zu heiß für zwei kräftig in die Jahre gekommene Herren und das Alter gibt immer mehr die Richtung vor. Inzwischen kommt gar der im Original noch so junge Riggs in seine Jahre und merkt, wie ihm die Zeit entrinnt, während Murtaugh inzwischen bereits in die Abfindungsphase übergegangen ist. Dieser durchaus interessante Ansatz kommt zwar über einzelne Zwischensequenzen nicht hinaus, er reflektiert sich also keineswegs im verminderten Aufwand an Action und Aufregung (das Gegenteil ist der Fall), ist aber ein hübsch präsentierter Indikator der Tatsache, dass die Zeit in dieser Franchise nicht wie bei einem James Bond stehen bleibt, sondern sich verflüchtigt.

So wartet auch schon der erste Nachwuchs auf beiden Seiten: Riggs' Freundin Lorna, Quereinsteigerin seit Teil 3, ist schwanger und will außerdem ihren Draufgänger heiraten, der sich allerdings noch immer nicht ganz von seiner verstorbenen Frau gelöst hat, während Murtaughs Tochter Rianne ein Baby von einem Cop erwartet, von dessen Existenz Murtaugh nichts weiß. Soweit eine harmonische Entwicklung hin zu der Großfamilie, für die ja schon im Vorgänger alle Weichen gesetzt wurden. Auch Joe Pesci meldet sich wieder zurück; diesmal geht er seinen Freunden als “lizensierter PS” (Privatschnüffler) auf den Keks. Wer Märchen allerdings grundsätzlich zu süß findet, könnte hier schon Zahnschmerzen bekommen; wenn man zu genau auf die Zusammenstellung achtet, kommen auch noch Kopfschmerzen hinzu. Ein gewisser „Biscuits oder Butters, auf jeden Fall irgendwas mit B” (Chris Rock) gibt sein Stelldichein als ermittelnder Jungkommissar und kippt eine Wagenladung Idealismus in die ausgewogene Chemie der Reihe. Murtaugh wird ein Haufen Geld unbekannter Herkunft angedichtet. Leo offenbart seinen verletzlichen Kern und bricht damit sein Comic Relief, mit seiner herzzerreißenden “Fröschi”-Geschichte als brutalem Finisher. Es entsteht irgendwo zwischendrin eine missverständliche Schwulen-Situation. Die Polizeipsychologin, seit Teil 1 an Bord und doch irgendwie immer nur eine Randfigur, wird gedemütigt. Eine chinesische Flüchtlingsfamilie wird im privaten Heim versteckt. Letztendlich erhält eine komplette neue Subkultur Einzug in die Serie; sie verändert nicht nur die Besetzung, sondern das gesamte Produktionsdesign, so dass einige Szenen in Chinatown schon ein wenig mit “Rush Hour” aus dem gleichen Jahr konkurrieren. Und zuletzt wären da noch die bisher zugänglichsten und comichaftesten Bösewichte aller vier Filme; von jener Sorte, mit der man auch mal zusammen eine ausgelassene Lachgas-Orgie feiern kann.

Das ist insgesamt schon ein wenig viel für die zwei Stunden. Nicht, dass man schwer folgen könnte oder die Handlungsstränge nicht so gut wie irgend möglich verknüpft würden, doch aus der schieren Menge an aufgemachten Fässern ergibt sich zwangsläufig schon bald eine hektische Over-the-Top-Inszenierung mit unwahrscheinlich wirkenden Abfolgen von Vorfällen, die etwas untypisch für die Reihe sind. “Lethal Weapon 4" fällt also nicht nur durch den neuen Kurzhaarschnitt Gibsons ein wenig aus der Rolle, sondern auch durch den hastigen Umgang mit Szenen und Charakteren, was teilweise ein wenig bemüht wirkt. Manchmal vermisst man trotz der unschlagbar gut aufgelegten Darsteller ein wenig den organischen Fluss und die Eigendynamik bestimmter Situationen. Es bleibt ein wenig das Gefühl zurück, Richard Donner und Joel Silver fühlten sich gezwungen, alles bisher Dagewesene zu toppen - was ihnen dann bezeichnenderweise im Wortsinne auch oft gelingt, ohne damit jedoch das hohe Qualitätslevel zu halten.

Der Auftakt ist jedenfalls noch Wahnsinn pur, absolut spektakulär und trotzdem kein bisschen fehlplatziert. In Sachen Ideenreichtum schlägt dieser Durchgeknallte im Schutzanzug mit Flammenwerfer und Heavy Metal-Mucke, der eigens für diese Sequenz geschrieben wurde, sämtliche Vorgänger-Intros ohne Mühe. Eine pressende Extremsituation mit allerlei Feuer- und Regenpartikeln – erinnerungs- und dokumentationswürdig nicht nur als Best Of der „Lethal Weapon“-Reihe, sondern selbst zur Beschreibung eines Querschnitts des kompletten Genres. Richtig gut wird es aber erst, als Riggs und Murtaugh plötzlich anfangen, sich in diesem Gewirr aus Regen, Feuer und Kugeln über die Schwangerschaften ihrer Angehörigen auszutauschen, als würden sie im Wohnzimmer sitzen und Kaffee trinken, zumal dabei gleichzeitig ein Austausch über die Verantwortung gegenüber der Familie und die Gefährlichkeit des Jobs mitschwingt - ein Irrwitz im Angesicht eines Psychopathen, dem es gerade in den Sinn gekommen ist, mal eben alles niederzubrennen, was ihm zu nahe kommt.

Dass allerdings ein Actionfilm mit seinem Highlight beginnt, sollte normalerweise vermieden werden. Leider begeben wir uns mit Chris Rock kurz darauf gen Talfahrt. Wo man schon über den ständig plappernden Joe Pesci verfügte, bleibt absolut fragwürdig, was die Macher dazu veranlasste, noch einen Comedian einzubauen. Mit konstruierten Gags, in denen die Bühne der Stand-Up-Comedy-Herkunft Rocks mitschwingt, versucht sich der Neue erfolglos in einem Becken aus Etablierten zu behaupten. Für Gibson und Glover bedeutet das lediglich, dass sie nun bereits über zwei Quasselstrippen den Kopf schütteln dürfen. Neue Impulse, den eigenen Charakter weiterzuentwickeln, werden ihnen durch diesen Neuzugang jedenfalls nicht geboten.

Auf der anderen Seite ist mit Jet Li aber auch ein begrüßenswerter Neuzugang festzumachen. Ursprünglich sollte Jackie Chan die Rolle des geheimnisvollen Wah Sing Ku übernehmen. Da der sich aber prinzipiell gegen Villain-Rollen sträubt, durfte Jet Li sein Hollywood-Debüt feiern und auch er spielte erstmals einen Bösewicht. Unter diesen Voraussetzungen kann man von einem mit typischem Typecasting-Mangel jener Zeit versehenen, aber dennoch äußerst prägenden Einstieg in den US-Markt sprechen. Zwar wird Li nicht die Möglichkeit geboten, sein komplettes Repertoire als Kämpfer abzurufen, doch im Vergleich mit dem ziemlich blassen Stuart Wilson aus Teil 3 überzeugt er als mysteriöser Hintermann vor allem in Verbindung mit Kim Chan als Onkel Benny. Während Chan auch mal den lustigen Chinesen mimt, bleibt Li angenehm ernst und fokussiert, was nicht nur immer wieder die komödiantischen Einlagen erdet, sondern über die gesamte Laufzeit erstaunlichen Suspense aufbaut - man immer ein wenig das Gefühl, dieser stumme kleine Schatten werde von seinen Gegnern nicht ernst genug genommen. Auf diese Rolle hin wurde Jet Li in Hollywood später immer wieder das Image des in sich gekehrten, ernsthaften Einzelkämpfers aufgedrängt und galt bald schon als Kontrastprogramm zu Jackie Chan, obwohl sich beide in Hong Kong in Sachen Komödie teilweise nicht sehr viel genommen haben.

Die Story um chinesische Menschenhändler übt diesmal viel mehr Einfluss auf Optik und Verhalten der Cops aus, als es bislang in der Reihe üblich war. Schon in den ersten drei Teilen gab es immer wieder kleinere Anspielungen auf die asiatische Kultur; mit dem langsam durchbrechenden Erfolg des östlichen Actionkinos erst durch Jackie Chans US-Produktionen, kurz darauf dann durch “Matrix” und “Tiger & Dragon”, gerieten Drehbücher, die sich mit asiatischer Kultur befassten, zunehmend in die Schubladen der US-Produzenten.

Actionfans werden dann auch wieder ordentlich bedient, weil Riggs und Murtaugh irgendwann beschlossen haben, dass sie eben doch nicht zu alt für den Scheiß sind. Um dies zu beweisen, wird vor allem ein großes Brett neben dem Prolog aufgefahren: Die Autobahnsequenz. Es wird über Autos und Laster geturnt, transportable Küchen werden als Parcours missbraucht und ein Tisch mit Plastikplane fungiert als Surfbrett. Wer den Autobahnabschnitt aus „Matrix Reloaded“ zu effektgetrieben findet, kann notfalls auf diese Stunt-Arbeit zurückgreifen. Ein Haus steht natürlich auch wieder in Flammen, das hat sich bei Joel Silver ja inzwischen eingebürgert. Der Rest besteht vor allem aus hektischen Verfolgungsszenen zu Fuß, die auch wieder ein wenig an Jackie Chans damalige HK-Produktionen erinnern (“First Strike”, inkl. Fahrstuhlszene).
Ein wenig enttäuschend dagegen fällt der Showdown aus, der mit Regen, Blitz und Donner zwar schön atmosphärisch geworden ist, von der Abfolge her aber ziemlich unspektakulär bleibt und nebenbei Jet Li, der die ganze Zeit über so effektiv zum unbesiegbaren Oberschurken stilisiert wurde, seine Magie nimmt.

Man kann noch so viel meckern; auch „Lethal Weapon 4“ bleibt einer der guten Actionfilme der in diesem Genre immer noch ertragreichen 90er Jahre, der viele seiner Kollegen locker in die Tasche steckt. Dazu bleibt das Buddy-Gespann auch im vierten Anlauf unerreicht, das Entertainment lückenlos und auch Emotionen und Story Development kommen nicht zu kurz. Viele Kritiker hatten endlich einen Grund gefunden, einen Satz zu äußern, der ihnen irgendwann bei jeder Filmreihe automatisch im Kopf herumspukt: “Es wird Zeit, die Reihe zu beenden”. Nach inzwischen mehr als zwei weiteren verstrichenen Jahrzehnten ist es wohl sicher anzunehmen, dass ihr Wunsch ihnen erfüllt werden sollte. So bleibt der sinkende Stern der Reihe, anders als „Stirb Langsam“, für alle Zeiten oberhalb des Medians.

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