Charles Portis brachte seinen Roman "True Grit" im Jahr 1968 heraus und er sorgte kurze Zeit später für eine kleine Revolution im Genre Western. Direkt auf dem Fuße folgte "Der Marshal". mit welchem Hauptdarsteller John Wayne nicht nur einen Oscar ergatterte, sondern dieser Film wurde zu einem Aushängeschild für Waynes gesamte Filmographie. Joel und Ethan Coen (Fargo, Blood Simple) hatten hier keine leichte Aufgabe diese Geschichte ein weiteres Mal zu erzählen. Hinzu kommt, dass dem Western in der heutigen Zeit kaum noch Aufmerksamkeit gewidmet wird. "Open Range" oder "Todeszug nach Yuma" bildeten Ausnahmen, aber vielleicht macht auch gerade dieser Seltenheitswert das Genre wieder interessant. Besonders wenn man solch eine unerbittliche Interpretation mit galligem Humor vorgesetzt bekommt. Die Coen-Brüder schreiben ihre Drehbücher grundsetzlich selbst, hier wird ein besonderer Wert auf nicht alltägliche Charaktere und schwarzhumorige Dialoge gelegt. "True Grit" spricht somit nicht nur den Genrefan an, sondern das breite filmliebende Publikum. Das "Prädikat besonders wertvoll" hat er sich allemal verdient und in zehn Kategorien für den Oscar nominiert zu sein, kommt auch nicht von ungefähr. Leider ging "True Grit" leer aus, doch er setzt dem Western ein würdiges Lebenszeichen.
Der Bandit Tom Chaney (Josh Brolin) hat den Vater der 14jährigen Mattie Ross (Hailee Steinfeld) auf dem Gewissen. Dafür will sie nun Gerechtigkeit, doch der örtliche Sheriff will sie nicht unterstützen. So wendet sie sich an den versoffenen Marshal Rooster Cogburn (Jeff Bridges), der sich mit Mattie gleich an die Verfolgung von Chaney macht. Mit von der Partie ist auch der Texas-Ranger LaBoeuf (Matt Damon), welcher den Mord an einem texanischen Senator sühnen will, der ebenfalls auf Chaneys Kappe geht. Es dauert nicht lange, da haben sie Chaneys Fährte aufgenommen, der in Begleitung des gefährlichen Lucky Ned Pepper (Barry Pepper) reitet. Doch als sich Cogburn und LaBoeuf im Streit trennen und Mattie in die Hände von Chaney gerät, droht das ganze Vorhaben zu scheitern.
Auch wenn man gerne vom wilden Westen schwärmt und sich manchmal wünscht in diese Zeit zurückversetzt zu werden, so war das Leben dort kein Zuckerschlecken. Man sieht es schon an Mattie, die kaum um ihren Vater trauert, sondern dessen Geschäfte in der Stadt regelt und dabei mit ihrem Verhandlungsgeschick sogar einen ausgefuchsten Verkäufer zu einem Handel zwingt. Dabei verbringt sie eine Nacht in der Leichenhalle zwischen einigen Toten, muss sich die Nächte darauf das Bett mit einer schnarchenden Oma teilen und auch die Hinrichtung von drei Gaunern durch den Strang lässt sie völlig kalt. Solche Menschen bringt dieses harte Leben hervor, das Kind in Mattie scheint schon längst gestorben zu sein. In ungefähr die selbe Kerbe schlägt auch Rooster Cogburn. Seine Schilderungen eines Mehrfachmordes vor Gericht, animieren uns nicht nur zum Schmunzeln, sondern aufgrund seiner Scheißegal-Einstellung sogar zum Lachen. Cogburn ist ein Mensch der viel erlebt hat, Phrasen die uns zum Lachen bringen, sind für ihn selbstverständlich und gehören zu seinem Lebensinhalt. Wieviele Menschen er schon auf dem Gewissen hat, weiß er schon lange nicht mehr, woran auch der viele Alkohol schuld sein könnte. Auch dauert es eine Weile, bis ihn Mattie zu dieser Jagd überreden kann und schließlich kommt es soweit, dass er einfach ohne sie abreitet. Zu guter Letzt wäre da noch der Texas-Ranger LaBoeuf, ein sehr stolzer Mann, der mit Cogburns ständigen Sticheleien nicht umgehen kann. So brechen drei völlig unterschiedliche Charaktere zu einer gefährlichen Mörderjagd auf, die nicht von irgendwelchen Schießereien oder Brutalitäten lebt, sondern von den brillanten Konversationen mit reichlich Humor.
Wenn Cogburn einfach aus Spass an der Freude irgendwelche Kinder von der Terasse tritt, mag das manch einem zuviel des Guten sein, doch von meiner Seite her sitzt hier jeder Anflug von Humor, so pechschwarz oder bösartig er auch sein mag. Spätestens wenn man im Wald auf diesen schrägen Zahnarzt mit Bärenkostüm trifft weiß man, dass man sich in einem Film der Coen-Brüder befindet. Selbst der gemächliche Erzählstil vermag "True Grit" bestens zu stehen und man sieht so gerne über die simpel gestrickte Story hinweg. Konfontationen wo es zum Schusswaffengebrauch kommt, sind auf ein Minimum reduziert. Auch sind diese Szenen sehr kurz gehalten, dafür erstaunlich hart, hier stirbt keiner ohne nicht mindestens einen blutigen Einschuss kassiert zu haben. Ein weiteres Beispiel ist das Verhör der beiden Banditen in der Hütte zeigt auf, wie sinnlos und dreckig der Tod im wilden Westen sein kann, besonders wenn Cogburn dem einen ein richtiges Begräbnis versprochen hat und schließlich erwidert er hätte im Sommer sterben sollen, weil jetzt der Boden zu hart ist. Doch Cogburn gibt solche Phrasen mit einer derartigen Ernsthaftigkeit und Selbstverständlichkeit zum Besten, man kann nicht anders als lachen. Natürlich hat man im Hinterkopf, dass auch "True Grit" auf ein bedingt positives Ende zusteuert, jedoch wird es für Mattie gegen Ende noch richtig haarig, nicht nur weil sie in Chaneys Gewalt gerät. Doch das Hauptaugenmerk liegt nicht auf einer brillant agierenden Hailee Steinfeld, sondern auf Jeff Bridges (Arlington Road, The Big Lebowski), der hier wohl den Auftritt seines Lebens hat. Die Rolle des Rooster Cogburn scheint für ihn ein diebischer Spass gewesen zu sein, denn hierfür braucht es mehr als Mimik und Gestik. Da können auch Matt Damon, Josh Brolin und Barry Pepper nicht mithalten, obwohl die sich ebenfalls eine tolle Leistung abringen.
Wer meint "Der Marshal" sei nicht mehr zu toppen, der hat sich geirrt. Die Coen-Brüder übernehmen zwar einige Elemente und Ideen, doch ihr dreckiger Westernabgesang ohne richtige Helden spielt in einer ganz anderen Welt. Ungewöhnliche und gar schräge Charaktere, bitterböser bis zynischer Humor und eine erstaunliche Härte regieren in diesem Western. Da verzeiht man die durchsichtige Story und die gemächliche Erzählweise, manchmal ist man dann wieder erstaunt wir plötzlich "True Grit" spannend und dramatisch werden kann.