„Junge!“
Mit „New Kids Turbo“ brachten die Niederländer Steffen Haars und Flip van der Kuil ihre aus rund dreiminütigen Episödchen bestehende, von 2007 bis 2012 produzierte Asi-White-Trash-Proll-Comedy-Serie „New Kids“ erstmals auf Spielfilmlänge. Wie in der Serie übernehmen sie zwei der Hauptrollen persönlich, deren Darsteller sich für die deutsche Fassung übrigens allesamt selbst deutsch synchronisierten. „New Kids Turbo“ aus dem Jahre 2010 ist eine Mischung aus Milieu- und Gesellschaftssatire sowie zotiger Prekariatskomödie.
„Du bist genau so'n kleiner Homo wie dein Vater!“
Im niederländischen Kaff Maaskantje treibt die nichtsnutzige Clique aus Richard Batsbak (Huub Smit), Gerrie van Boven (Tim Haars), Rikkert Biemans (Wesley van Gaalen), Robbie Schuurmans (Steffen Haars) und Barrie Butsers (Flip van der Kuil) ihr Unwesen: Saufen, herumprollen und ihren Mitmenschen auf die Nerven gehen. Als sie durch eine Wirtschaftskrise ihre Jobs verlieren und gezwungenermaßen zu einer Wohngemeinschaft werden, beschließen sie, zukünftig einfach nichts mehr zu bezahlen. Durch ihre Renitenz dem System gegenüber avancieren sie zu einem Medienphänomen, bis die Staatsmacht immer schwerere Geschütze gegen sie auffährt…
„Gib uns mehr Geld, Fotze!“
Die „New Kids“ sind so etwas wie die Flodders der Neuzeit: Mit ihren Trainingsanzügen, Vokuhila-Frisuren, Oberlippenbärten, ihrem grünen Opel Manta und ihrer Vorliebe für Stumpf-Dance und -Techno scheinen sie Anfang der Neunziger hängengeblieben zu sein. „Junge“, „Homo“ und „Fotze“ sind die Lieblingswörter aus ihrem beschränkten, dafür umso vulgäreren Wortschatz. Sie sind permanent am Saufen, einer von ihnen zündet ständig Böller und sie werden schnell gewalttätig, beispielsweise beim Arbeitsamt. Alles, was man ihnen gibt, machen sie kaputt, und ihr Gelaber mit breitem holländischen Akzent ist manchmal kaum zu verstehen. Sie sind strunzdoofe, primitive, dilettantische, vertrottelte und sexistische Kernasis, über die der Film sich gebührend lustig macht, indem er sie zum Mittelpunkt heillos überzeichneten, derben, dreckigen bis schwarzen Humors macht. Es wird gern sinnlos randaliert und als Running Gag ständig jemand überfahren. Dadurch, dass alle Figuren außer dieser Clique normal hochdeutsch synchronisiert sind, wirken sie in der deutschen Fassung womöglich noch zurückgebliebener als im holländischen Original.
„Ich bezahl‘ nicht mehr ab heute!“
Im Gegensatz zur Serie entwickelt der Film aber eine weitere Ebene: Dass die Clique ausgerechnet durch die mediale Berichterstattung zu Vorbildern für alle andere im ganzen Land wird, erweitert „New Kids Turbo“ um gar nicht so dumme medien- und gesellschaftssatirische Elemente. Die mit ganzen Einheiten anrückenden Bullen sind genauso dämlich wie die New Kids und erschießen sich auch schon mal gegenseitig. Zuschauer der Ausstrahlungen über die Vorgänge in Maaskantje werden in der Kneipe oder auf dem heimischen Sofa sitzend gezeigt, vieles findet nun in TV-Bild-Optik oder in Form von Nachrichtenausschnitten statt.
„Lebensgefährliche Straftäter oder Opfer der Krise? Entscheiden Sie selbst.“
Sogar dem Filmgeschäft wird noch einer mitgegeben: Auf einer plötzlich – inmitten einer wilden Schießerei mit einem SEK – stattfindenden Meta-Ebene wird der „New Kids Turbo“-Dreh wegen Geldmangels abgebrochen. Der Produzent meldet sich und die Schauspieler erzählen die Handlung zu Ende, ihrer Fantasie entsprungen – und dann doch auch bebildert, und zwar geschmacklos bis zum geht nicht mehr und überaus blutig. Schließlich findet der Produzent Geld, sodass der Film doch noch zu Ende gebracht werden kann. Dieser Kniff bleibt also ohne wirkliche Folgen für „New Kids Turbo“, erinnert selbstironisch aber an den fiktionalen Charakter des Films.
„Niemand fickt mit Maaskantje!“
Das Verteidigungsministerium greift schließlich zu drastischen Maßnahmen. Die deftigen Actionszenen im Finale sind zugleich eine Parodie auf gängige Actionfilme. Somit ist „New Kids Turbo“ ein schöner Rundumschlag, der auf dem schmalen Grat zwischen Humor bzw. Satire und selbstzweckhafter, provokanter, plumper Albernheit wandelt, diesen aber respektabel meistert, dabei gleichwohl gewöhnungsbedürftig und sicherlich nichts für jeden bleibt. Techno-DJ Paul Elstak spielt sich übrigens selbst, und der grüne Manta ist zwar irgendwann weg, aber nur ein Jahr später folgte mit „New Kids Nitro“ dennoch eine Fortsetzung…