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Interessanterweise hat "Die blaue Dahlie" eine ähnliche Ausgangssituation wie das im selben Jahr erschienene oscarprämierte Meisterwerk "Die besten Jahre unseres Lebens". Auf Grund des im Jahr zuvor zu Ende gegangenen zweiten Weltkrieges lag es wahrscheinlich nah, Filme zu erzählen, die die heimkehrenden Soldaten mit den Veränderungen in der Gegenwart konfrontierten. Doch während es sich bei den "Besten Jahren.." um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Konsequenzen des Alltags handelt, gehört die "Blaue Dahlie" zur berühmten "Schwarzen Serie" Hollywoods und hat deshalb einen völlig anderen Charakter.

Im Vergleich dieser beiden Werke ist gut zu erkennen, daß die "Schwarze Serie" mit ihren verkommenen und kriminellen Subjekten, die die Unmoral in der Gesellschaft darstellen sollten, aus Filmen bestand, die vor allem der reinen Unterhaltung dienten. Bis heute sind stilisierte Bösewichter und deren mörderisches Tun viel geeigneter zur Verdrängung des Alltags als deren reale Schrecken. In ihren besten Momenten waren die Filme der "Schwarzen Serie" Werke, die die Zerrissenheit ihrer Helden zeigten und ein pessimistisches Bild von der Gesellschaft widerspiegelten. Herausragend dabei James Cagney in "White Heat" oder Humphrey Bogart als desillusionierter Detektiv im "Malteser Falken" oder in "Tote schlafen fest".

Da Raymond Chandler auch das Drehbuch zu "Die blaue Dahlie" (allerdings nicht nach einem seiner Kriminalromane) schrieb, hätte man ähnliches erwarten können, aber der Film bleibt deutlich hinter den Meisterwerken des Genres zurück. Dabei ist die Grundkonstellation mit den drei Soldaten keineswegs schlecht.

Johnny Morrison (Alan Ladd) ist mit seinen Freunden Buzz (William Bendix) und Captain Hendrickson in seine Heimatstadt zurückgekehrt und will seine Frau (Doris Dowling) wieder sehen. Als er sie in einer Appartementsiedlung aufsucht, muß er feststellen, daß sie ständig trinkt und sich von Eddie Harwood (Howard da Silva), einem Nachtclubbesitzer, aushalten läßt. Es kommt zum Streit zwischen ihnen, bei dem er erfährt, daß ihre Alkoholsucht schuld daran war, daß ihr gemeinsamer kleiner Sohn in seiner Abwesenheit gestorben war. Erzürnt verläßt er sie und begegnet im Regen einer schönen Blondine (Veronika Lake), die ihn mit dem Auto mitnimmt.

Diese ist ebenso ziellos unterwegs und es kommt zu einem heftigen Flirt zwischen ihnen. Trotzdem trennt sich Johnny wieder von ihr und sucht allein ein Hotelzimmer für die Nacht auf. Währenddessen ist sein Freund Buzz zu den Appartementhäusern gegangen, um Johnny zu suchen. Ohne es zu ahnen, begegnet er dessen Frau, die ihn auch prompt auf einen Drink mit in ihre Wohnung nimmt. Als Johnny am nächsten Morgen der schönen Unbekannten wieder begegnet, erfährt er aus dem Radio, daß er wegen Mordes an seiner Frau gesucht wird...

Chandler entwickelt die Geschichte um die Aufklärung des Mordes und Johnnys Flucht vor der Polizei spannend bis zuletzt, ohne das man sicher sein kann, wer der Täter ist. Dazu trägt vor allem die interessanteste Figur des Films bei - Johnnys Freund Buzz.

Dieser wurde im zweiten Weltkrieg am Kopf verletzt und leidet unter Kopfschmerzen und Erinnerungslücken. Dadurch ist er dauernd aggressiv, ohne dabei aber gefährlich zu wirken. Er lebt seine Aggressionen durch ständige Beleidigungen seiner Umwelt aus, was dazu führt, daß er kein Blatt vor den Mund nimmt. Er ist hier die zwiespältigste Figur und am schwersten einzuordnen, so daß ich vermute, daß Chandler die Gelegenheit nutzte, mal richtig schön auszuteilen. Jedenfalls nennt Buzz die Polizisten konsequent "Bullen" (Original "Copper"), schmeißt jeder hübschen Frau an den Kopf, daß sie ein Flittchen ist und sicher viel Geld kostet und beklagt sich beim Hören von Jazz dauernd über die "Affenmusik".

Das zweite Highlight des Films ist eindeutig Veronika Lake, deren Frisur bis heute Vorbildcharakter hat. Ihre Gespräche mit Alan Ladd haben etwas aufreizend Lässiges und wirken in ihrer stilisierten Perfektion bis heute modern. Leider verzichtet Chandler darauf, die beiden Hauptdarsteller mit einer gewissen charakterlichen Tiefe zu zeichnen, so daß die Lake, trotz ihrer Verbindung zur Unterwelt und ihrer geheimnisvollen Ausstrahlung ,immer anständig wirkt.

Besonders Alan Ladd als Johnny Morrison ist hier durchgehend ein Saubermann, der weder der Versuchung Lake (vor dem Tod seiner Frau) nachgibt, noch auch nur eine Sekunde beim Betrachter im Verdacht steht, selbst seine Frau ermordet zu haben. Ebenfalls verschenkt wirkt Johnnys Frau, die recht eindimensional als Alkoholikerin mit mondänem Lebensstil gezeigt wird, ohne auf eventuelle Depressionen oder sonstige Selbstzweifel hinzudeuten.

Die Qualitäten Chandlers stehen nicht in Frage und sind auch hier an diversen Dialogen und bestimmten Figuren zu erkennen, aber im Gegensatz zu seinen Kriminalromanen bleibt er in der Charakterzeichnung oberflächlich und erzählt letztlich nur eine spannende Kriminalgeschichte, die ein Vehikel für das damalige Film-Traumpaar Lake/Ladd darstellen sollte. Die Zuordnung der "Blauen Dahlie" in die "Schwarze Serie" ist sicherlich auf Grund des Milieus, in dem sie spielt ,gerechtfertigt, aber ihr fehlt der fatalistische und desillusionierte Charakter und so dient der Film letztlich nur der Unterhaltung.

Fazit : Atmosphärisch spannend erzählter Krimi über einen heimkehrenden Soldaten, der feststellen muß, daß seine Frau ins kriminelle Milieu abrutschte. Durch den Auftritt der schönen Veronika Lake, die nur in wenigen Filmen mitspielte, aber heute noch als Stilikone bekannt ist und hier für die besten Dialoge zuständig ist, hat der Film seine Faszination erhalten.

Doch trotz Raymond Chandlers Drehbuch, daß sogar für einen Oscar nominiert war, ist "Die blaue Dahlie" ein durchschnittliches Werk, da die Charaktere nur eindimensional und oberflächlich gezeichnet sind und die Hauptdarsteller - trotz des sie umgebenden kriminellen Milieus - zu sauber und anständig wirken. Als ordentliche Unterhaltung mit einem gewissen Charme zu empfehlen, aber ohne tiefer berühren zu können (6/10).

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