Es gibt Filme, die muß man wirklich gesehen haben, um sie zu glauben; da reicht es schlicht nicht, davon zu erzählen.
Deswegen ist dies hier gleichzeitig müßiger Versuch, Warnung und Empfehlung zugleich. "8 Frauen" ist durch und durch schräg!
Wer vordergründig nach der Geschichte von Ozons Film sucht, findet eine Art bissiges "Whodunit"-Kammerspiel: ein Landhaus irgendwo in Frankreich, im Bett ein toter Ehemann und Vater, unten in der Halle eine Reihe von Frauen, bei denen niemand so ganz sicher sind, warum sie da sind, was sie wollen und inwiefern sie in den Mord verstrickt sein könnten. Frau, zwei Töchter, Schwester, Schwägerin, Schwiegermutter, Köchin und Hausmädchen hocken nunmehr von Schnee eingeschlossen im Haus fest, jeder auf seine Art etwas verschweigend und jeder mit einem ganz bestimmten persönlichen Interesse an die anderen gebunden.
Französisches Kino ist selten allein für das Publikum gemacht und auch hier scheinen vor allem alle Anwesenden hauptsächlich selbstbezogenen Spaß an der Übertreibung zu haben, denn dermaßen abgefahren war selten ein halbwegs geschlossener Film, der KEINE Satire sein sollte. "8 Frauen" ist demnach auch nicht ironisch oder albern oder platt, sondern schlicht grell und überzogen.
In einem Satz: was der Zuschauer zu sehen bekommt, ist gefilmtes Theater in seiner reinsten, filmisch möglichen Form.
Alle Beteiligten übertreiben schamlos, um ihre Charaktere zu umreißen, nicht Natürlichkeit ist verlangt, sondern Überlebensgröße, Gesten, Mimik, Blicke, reduziert auf eine beschränkte Kulisse.
Die wiederum wird hauptsächlich aus der Haupthalle gebildet, teils Wohnraum, teils Eßzimmer, teils Musikzimmer, teils Treppenaufgang, wo sich sämtliche Schicksale kreuzen. Natürlich bricht Ozon nicht nur die imaginäre vierte Wand zum Zuschauer auf (obwohl es diverse Szenen gibt, die so zum Publikum hin gespielt sind, als würde gleich ein Vorhang fallen), sondern verlagert gewisse Szenen auch in die angrenzenden Zimmer, wo sich Ergänzendes abspielt, um das Hauptgeschehen immer wieder anzuheizen.
Das muß man sich in etwa so vorstellen wie eine Mischung aus Dallas- und Denver-Clan-Essenz, angereichert mit einigen Louis-de-Funes-Bösartigkeiten, gekleidet in das Gewand eines finsteren Boulevardstück. Ja, es ist absurd, aber es ist auch düster und die Abgründigkeit des Geschehens und der Charaktere ist wiederum unterhaltend. Das macht es schwer, diesen Film wirklich zu mögen, aber es ist möglich ihn mit vor Staunen offenem Mund zu begaffen, in der Regel mit der Frage auf den Lippen, was das denn alles bloß soll.
Und als sei das noch nicht genug, wird die Handlung mittendrin immer wieder von Gesangseinlagen unterbrochen, wobei jeder der Beteiligten eine ganz für sich allein hat, mal beschwingt, mal melancholisch, mal traurig, mal divenhaft, eingerahmt in und herausgelöst aus einem gerade noch aktiven Dialog, manchmal sogar nicht einmal inhaltlich mit diesem verbunden.
Kühn oder sinnlos - das mag jeder selbst entscheiden.
Das Ensemble, namhaft für Frankreich wie schon lange nicht mehr, zieht dermaßen vom Leder, daß man berechtigt sich über schlechte Schauspielerleistungen beklagen kann oder bewundern, wie sehr hier alle die Hosen runterlassen. Altmeisterinnen wie Catherine Deneuve und Fanny Ardant bringen da sogar noch Majestätisches ins Spiel, ehe sie sich selbst an die Gurgel gehen, um schließlich bei einem Zungenkuß zu enden, der jedem die Schuhe auszieht. Währenddessen knallt die ältliche Jungfer Isabelle Huppert, die eh wie ein angestochenes Hühnchen spielt, volle Pulle durch, während die trinkfeste Oma mal eben eine Flasche über den Schädel bekommt, wenn sie nervt und die Beart das durchtriebene Hausmädchen so spröde anlegt, das da das dicke Ende nur kommen kann.
Und so taumelt der Film, nur unterbrochen von intimen Momenten und Songs von einer Enthüllung zur nächsten, dreht das Wetterfähnchen der Verdächtigungen im Wind der Handlung von der einen zur nächsten, werden die Motive nur so nach Herzenslust aufgebaut und wieder zertrümmert, bis alles in einem flotten Theatercoup endet, den man sich zwar halbwegs erahnen kann, der aber letztendlich nicht wirklich wichtig ist, genauso wie der Film selbst nichts Weltbewegendes zu bedeuten hat, außer sich selbst und dem Spaß daran.
"8 Frauen" ist ein Film über Selbstentblößung, teils eigenhändig vorgenommen, teils durch andere ans Licht gezerrt, ein Konentrat aus Fangeisen und Fettnäpfchen und der Beweis, daß wir alle nur Menschen und trotzdem Schweine sind. Braucht das jemand? Ich bin nicht sicher, aber es hat selten soviel Spaß gemacht, unsachlich und stutenbissig zu sein. (8/10)