Review

Man kann sich seinen Wohnort aussuchen, sein Haus oder die Wohnung, aber kaum seine Nachbarn, vor allem nicht im Mehrfamilienhaus.
Da kann sich auch schon mal ein Serienkiller untermischen, wie diese Mixtur aus Drama, Krimi und einer Prise schwarzem Humor veranschaulicht.

Quebec 1995: Katzenliebhaberin Louise und Rollstuhlfahrer Spencer bekommen einen neuen Nachbarn im alten Apartment-Komplex, den Grundschullehrer Victor.
Nachdem ein Killer in ihrer Wohngegend umgeht und kurz darauf Louises Arbeitskollegin ermordet wird, verhärten sich die Fronten, denn der Täter könnte in ihrem Haus leben…

Die Erzählung lässt sich fast bis zum Mittelteil Zeit für seine drei Hauptfiguren und klammert etwaige Morde fast gänzlich aus. So lernen wir die äußerst unterschiedlichen Charaktere kennen, welche im Übrigen hervorragend besetzt sind. Die stets unausgeglichene Luise ist nur in Gegenwart ihrer Katzen glücklich und bringt Spencer allmorgendlich die Zeitung. Spencer wirkt hingegen etwas arrogant, vor allem gegenüber Victor, dessen latente Unsicherheit zu unkontrolliertem Redeschwall mutiert, welcher zuweilen etwas gebremst werden muss.
Neben diesen Hauptfiguren lernen wir am Rande noch die Vermieterin und eine saufende und oft fluchende Nachbarin kennen, wobei letztere noch ausschlaggebend für den Verlauf des letzten Drittels sein wird.

Leider dümpelt die Handlung einige Zeit vor sich hin, man nimmt einige gefällige Kamerafahrten und interessante Perspektiven mit, doch Suspense will sich erst zum Finale einstellen.
Bis dahin versucht sich Victor Louise anzunähern, es gibt ein Abendessen zu dritt, eine kleine Weihnachtsfeier und eine Befragung durch zwei Polizisten, deren Behäbigkeit einige Male Anlass zum Schmunzeln gibt.
Bis zum letzten Drittel fühlt sich die Geschichte allerdings mehr wie ein Drama als ein Krimi an, während Katzenliebhaber immerhin ein paar süße Einstellungen der hervorragend trainierten Samtpfoten erhalten.

Mit dem Ableben einer Figur im Haus ändert sich schließlich die Marschrichtung und gegenseitiges Misstrauen als auch die Aufklärung kleiner Geheimnisse dominieren das Geschehen. Obgleich nicht alle Fragen beantwortet werden und einige Aspekte ungeklärt bleiben, sorgen ein gutes Timing und pfiffig gesetzte Szenenwechsel für bewusste Verwirrung beim Betrachter, der dennoch durchschaut, wie die Geschichte enden dürfte.

Letztendlich überzeugt der Streifen mit seinen interessanten Figuren, einem sauberen Handwerk und dem passablen letzten Drittel, während große Überraschungen außen vor bleiben und das Erzähltempo zuweilen etwas zu schleppend ist.
Ist kein Stoff für eingefleischte Mitrater, sondern eher für Krimifans der alten Schule, welche die volle Konzentration auf die Hauptfiguren und ihre Handlungen eher schätzen als blutige Morde oder fies in Szene gesetzte Killer.
Knapp
6 von 10

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