Eine Filmkritik, zumal eine annähernd objektive, zu "Willkommen im Süden" zu schreiben, führt einen Kritiker an seine Grenzen, denn wie will man einen Film beurteilen, den man im Prinzip gar nicht kennt? - Das hat wenig mit den üblichen Schwächen der Synchronisation zu tun, denn "Willkommen im Süden" lebt ja fast ausschließlich von seiner Originalsprache, von den feinen Unterschieden im Ausdruck, wie in der Bedeutung, die man auch nicht mit genuscheltem Deutsch herstellen kann. Nun könnte man zurecht anmerken, dass es eben Unsinn wäre, einen solchen Film in deutsche Kinos zu bringen, aber damit kritisiert man den deutschen Verleih, nicht den Film.
Ähnliches gilt für die Tatsache, das "Willkommen im Süden" nochmals die gleiche Geschichte erzählt, wie sie schon in "Willkommen bei den Sch'tis" erzählt wurde - und zwar eins zu eins, mit nur sehr wenigen Abweichungen. Nur spielt das für die jeweilige Originalversion eine untergeordnete Rolle, da die tatsächlichen Unterschiede in der Sprache liegen - und in den landesüblichen Vorurteilen, die damit aufs Korn genommen werden. Nur für Diejenigen, die nicht perfekt Französisch oder Italienisch beherrschen (normale Schulkenntnisse werden kaum ausreichen, um die Finessen zu erkennen), ist die Story von Belang - und genau darin liegt das Problem.
Geschichten von biederen und pedantischen Postdirektoren, die auf lockere Angestellte treffen, Geschichten von jungen Männern, die zu schüchtern sind, der Angebeteten einen Antrag zu machen, obwohl Jeder weiß, dass dieser erhört wird, und Geschichten von langjährigen Ehepaaren, die sich entfremdet hatten, und wieder zusammen finden, gab es schon mehr als genug - selbst die deutschen Komödien der 50er und 60er Jahre hatten so etwas schon drauf, diverse Verwechslungen inbegriffen. Zugegeben - die französische Originalversion verfügt über Charme, getragen von zwei sehr gut aufgelegten Hauptdarstellern, aber die Italiener machen ihre Sache auch ordentlich. Vor allem Claudio Bisio als glatzköpfiger Direktor kann überzeugen. Und wer den französischen Film noch nicht gesehen hat, zudem das italienische Flair liebt, wird hier tadellos, wenn auch etwas anspruchslos, unterhalten.
Nun wird gerne angemerkt, dass Dany Boon vielleicht auch eine deutsche Version herausbringen sollte, die man dann auch in unseren Kinos bis ins Detail verstehen könnte. Darin liegt letztlich das größte Missverständnis, worin deutlich wird, dass es nicht nur die fehlenden Sprachkenntnisse sind, die den Zugang zu den "Willkommen"-Filme erschweren. Dany Boon selbst erzählte einmal, wie er überhaupt auf die Idee gekommen war. Als Nordfranzose in Paris unterwegs, um Rollen als Schauspieler zu bekommen, traf er ständig auf die immensen Vorurteile der Zentralfranzosen und machte einen Film daraus. Das er diese Idee auf Italien übertrug, war intelligent, denn im Vergleich zu Italien, geht es selbst in Frankreich regelrecht friedlich zu.
Nicht ohne Grund gibt es eine erfolgreiche Partei in Norditalien, die sich für die Eigenständigkeit des Nordens einsetzt - und damit für eine Teilung Italiens. Dort ist der Nord-Süd-Konflikt keine Sache komischer Witze oder leicht verschrobener Vorurteile, sondern bitterer Ernst. Ein solcher Film bricht mit echten Tabus, vermittelt Gemeinsamkeiten, an die eine Vielzahl von Italienern nicht mehr glauben, und wurde keineswegs zufällig in fast allen Kategorien für den "David" nominiert, den italienischen Filmpreis. Natürlich idealisiert der Film den Süden ein wenig, aber das ist angesichts wachsender Müllberge in Neapel, die ständig in den Zeitungen zu sehen sind, nur fair - denn auch solchen negativen Aspekten fehlt jede Objektivität.
Wirklich empfehlen kann man "Willkommen im Süden" in der deutschsprachigen Version nicht, aber selbst einer deutschen Variante des Themas würde die Brisanz fehlen, weshalb es eben nicht nur darum geht, irgendwelche Dialekte aufeinander stoßen zu lassen und althergebrachte Vorurteile nochmals durchzukauen - damit wäre man nämlich schnell wieder beim deutschen Komödientum, wo schon vor Jahrzehnten der Großstädter aus Preussen auf den urwüchsigen Bajuwaren traf. Die italienische Originalversion, die sich auch in den entscheidenden Aspekten - der Sprache und den Vorurteilen - grundlegend von französischen Original unterscheidet, hat dagegen jede Berechtigung.
Für den deutschen Markt kann man sicherlich nur 5 Punkte geben, je nach oben oder unten tendierend für Seher oder Nichtseher des französischen Originals, aber die italienische Originalversion hat mehr verdient (8/10).