Die Grundidee von Tron ist äußerst abgedreht. Sie handelt davon, dass „digitale Räume“ wie Speicher, Cache, Datenleitungen, IO-Ports usw. eine Art Parallelwelt bilden, in denen die Programme, die dabei wie Menschen dargestellt sind, agieren. Das war schon im ersten Film nicht einfach, jedem zu verkaufen und setzt die Fähigkeit zur Abstraktion beim Zuschauer voraus. Kann das heute noch funktionieren?
Beim ersten Tron-Film ging es um den jungen Programmierer Flynn, der durch einen Digitalisierungsprozess in das Innere eines Computernetzwerkes gelangt, in dem er zusammen mit anderen Programmen (u.a. dem namengebenden Überwachungsprogramm Tron) den Sturz des übermächtigen Master Control Progam (MCP) erreicht. Wieder in der realen Welt angelangt, wird er Chef des Technologiekonzerns. Wie „Tron: Legacy“ nun zu erzählen weiß, besucht Flynn insgeheim aber immer wieder die Parallelwelt, die er beginnt nach seinen Vorstellungen zu formen. Bis er auf einmal spurlos verschwindet und ab dann nicht mehr in der realen Welt gesehen wurde. Viele Jahre später findet sein inzwischen erwachsener Sohn Sam durch einen Hinweis das versteckte Labor und gelangt ebenfalls in die digitale Parallelwelt aus Bits und Bytes.
Für die Story musste „Tron: Legacy“ schon viel Prügel einstecken. Und, ja, hier und im Drehbuch hat der Film deutliche Schwächen, obwohl beides auch nicht völlig schlecht ist. Er hält sich mit Vielem sehr eng an den Vorgänger und spult Situationen des Prequels ab, deutet sie bestenfalls neu. Spannung sieht anders aus.
Und doch weiß „Tron: Legacy“ stets zu unterhalten. Das liegt natürlich an seinen enormen Schauwerten. Es wird eine einzigartige „Cyber-Ästhetik“ aufgebaut, wie sie so noch nie zu sehen war. Das betrifft aber nicht nur die offensichtlich spektakulären Szenen wie das Lichtrennen, sondern auch die ruhigen Aufnahmen wie lässige Kamerafahrten, großartige Panoramen über fremdartige, kühle Landschaften oder interessante Einstellungen. Man kann sich kaum daran satt sehen. Das ganze wird von einem herausragenden Soundtrack untermalt, der von den bekannten House-Musikern Daft Punk stammt. Ich bin kein Daft Punk Fan und war sogar erst skeptisch, als ich hörte, die sollten den Soundtrack beisteuern. Aber was die beiden hier abgeliefert haben, ist sehr viel mehr, als eine Ansammlung von Disconummern, sondern ein echter Soundtrack, der das macht, was Soundtracks machen sollen: Die Wirkung der Bilder verstärken und sie atmosphärisch untermauern. Selten empfand ich Bild und Ton als so passend zu einander. Treibende Streicherstakkati zusammen mit knarzenden Synthesizer-Bässen und erhabenen Melodien erschaffen hier mit den kühl-ästhetischen Bildern des Tron-Neon-Looks eine ganz eigene Atmosphäre, wie ich sie bisher so noch nie im Kino gesehen habe.
Der Film ist teilweise in 3D gefilmt. Dabei ist der Effekt verglichen mit anderen Filmen recht sparsam eingesetzt. Das mag denjenigen, die davon leicht Kopfweh bekommen, sicher gefallen, hilft aber auch, Doppelbilder, die bei starken Effekten auftreten können, zu vermeiden. Dennoch hätte ich mir hier eine etwas deutlichere Tiefenwirkung gewünscht. (Manche meinten nach dem Kinobesuch sogar, dass doch der ganze Film in 2D sei, was aber definitiv nicht der Fall ist.)
Was noch auffällt, ist die Art, in der „Tron: Legacy“ gedreht ist. Es kommen einige Actionszenen darin vor und auch sonst ist viel Bewegung dabei, aber dennoch hat man den Eindruck einen eher ruhigen Film zu schauen. Es fehlen zum Glück ultraschnelle Schnitte und Wackelkamera. Das mag jetzt wie eine Kleinigkeit erscheinen, macht aber sehr viel für die Gesamtwirkung aus. Das wird manchen bestimmt zu ruhig sein, aber ich fand das erfrischend anders und aufgrund der oben geschilderten Schauwerte, die der Film durchgängig aufweist, zu keinem Zeitpunkt langweilig. Durch die ruhige Art wirkt er manchmal fast schon altmodisch, aber auf eine angenehme Art.
Vom Inhalt her ist der Film gar nicht mal so leer. Es werden verschiedene philosophische Denkanstöße gebracht, die zwar passend sind, meiner Meinung nach aber gerne etwas weiter hätten verfolgt werden können. So bleibt es oft nur bei Themenanrissen. Aber vielleicht wollte man die Überlänge nicht groß werden lassen oder den Film nicht noch ruhiger werden lassen. So bleibt noch etwas für die Diskussionen nach dem Kinobesuch.
Was die Schauspieler angeht, kann ich auch nicht klagen. Sie machen ihre Sache sehr ordentlich, allen voran Jeff Bridges in einer Doppelrolle. Stets sind die Handlungen glaubwürdig, niemals übertrieben. Das Gefühlsleben wird rübergebracht, aber nicht endlos ausgewalzt. Gleiches gilt für die angedeutete Romanze, die sich sehr im Hintergrund hält, aber nachvollziehbar ist.
Fazit: Ich mag diesen Film. Ganz sicher habe ich schon spannendere Filme gesehen mit besserer Story und besserem Drehbuch, keine Frage. Aber selten schönere. Selbst der auch in meinen Augen in dieser Hinsicht äußerst gelungene „Avatar“ kann da nur gleichziehen. Ich mag den Film auch, weil er sich traut, mal etwas anderes auszuprobieren und ruhiger daher kommt, als man vielleicht erwarten würde. Insofern ist es auch ein mutiger Film, da er durch seinen ganz eigenen Stil überrascht und nicht jede Block-Buster-Konvention aufgreift. Die Neuartigkeit des ersten Teils kann er natürlich nicht mehr erreichen. Aber er entwickelt die Tron-Idee gekonnt weiter und zeigt uns Dinge, die wir so noch nie gesehen haben.