Review

Es gibt manchmal Reviews, die man eigentlich schon als Komplett-Spoiler betrachten kann, da man durch das Lesen  seine eigenen Erwartungshaltungen danach gegenüber dem Film ändert - was eigentlich immer in die Hose geht. Deswegen bitte ich Leute, die auf Hochglanztrash stehen und sich diesen Film mal anschauen wollen,  meine Review an dieser Stelle nicht mehr weiter zu lesen.



Als ich das Cover mit den Strapsen sah und mich über den Inhalt schlau machte, erwartete ich wie in den meisten Fällen einen Low Budget-Dreh nach altbekanntem Schema mit wenig Story, noch weniger Spannung und am wenigsten, dass ich danach behaupten kann, dass ich wirklich unterhalten wurde. Der Überraschungseffekt war das A und O an "Julia X".



Julia (Valerie Azlynn) und ihre Schwester Jessica (Alicia Leigh Willis) hatten eine schwere Kindheit und dadurch entschlossen sie sich, gegen Triebtäter, die ihre jungen Opfer im Internet suchen, vorzugehen: Sie gehen immer nach demselben Schema vor: Sie geben sich selber als junge, naive Lolitas aus, treffen sich mit dem Sabbergeier und töten ihn im Anschluss.

Der Film schmeißt den Zuschauer direkt ins Geschehen und wir sehen Julia mit einem namenlosen Fremden (Kevin Sorbo), in dem sie scheinbar ihren Meister gefunden hat. Denn "The Stranger" (wie Sorbo im Abspann genannt wird) ist nicht nur einer, der seinen Sexualtrieb befriedigen will - nein, er will seine Opfer foltern und vergewaltigen, bis sie sterben. Dies hat er schon öfters erfolgreich getan. Dennoch schafft es Julia, den Fremden niederzustrecken und ihn in ihr Anwesen zu schleppen -  dort wartet schon ihre Schwester mit dem Hackebeil auf ihn...

Ich gebe zu, dass ich von dem Beginn etwas irritiert war, schließlich liefern sich zwei Gegner einiges an Laufzeit ein erbarmungsloses Spiel auf Leben und Tod. Zu beiden hat man kein Empfinden, man weiß nur, dass Sorbo´s Charakter ein Riesenarschloch ist, dem man den schlimmsten (Film-)Tod wünscht.
Nach der Ankunft im Haus fing mein Hirn an zu brummen, die ersten negativen Gedanken machten sich breit: Was sind denn das für Charaktere? Wie schlecht sind denn die Dialoge und das Verhalten aller Beteiligten? Wo bitteschön ist die Logik oder die Handlung?
Ich war eigentlich schon innerlich dabei, diesen Film zu zerreißen, bis ich spürte, dass Regisseur P.J. Pettiette eben genau dieses Ziel verfolgte, so viel unsinnigen Quatsch in den Film hinein zu packen, wie es eben nur möglich ist. Und genau da kam der Umschwung in meiner Laune. Ich musste über die genialen Banalitäten lachen (obwohl es  bierernst zur Sache geht) und wartete nur drauf, bis der nächste unlogische Mist kam. Und wer hätte das gedacht, dass die Sympathien dermaßen umschwanken, dass ich teilweise sogar auf der Seite des Serienkillers war?
Ein Unbeteiligter namens Sam (Joel David Moore) wird auch noch in das Haus der großen Metzelei verschleppt, der ganz klar die Sympathiepunkte auf seiner Seite hat. Mit diesem Charakter stellt man auch ganz große Dinge an, die selbst ein "Cabin in the Woods" nicht auf der Rechnung hatte.
Die beiden Schwestern sorgen während der ganzen Filmzeit für den nötigen Sexappeal, da sie entweder im Schulmädchen- oder Nutten-Look unterwegs sind, Kevin Sorbo wird als super Schauspieler vorgemerkt (den kannte ich vorher gar nicht, obwohl er ja schon so einiges abgedreht hat), da er hier eine Paraderolle spielt und wer im Cast den Namen Ving Rhames bemerkt hat (der sich in letzter Zeit für keinen C-Film zu schade ist), hat sich nicht verlesen - denn dieser darf für den  Schlussgag herhalten. Was ich etwas schade gefunden habe ist, dass der Film etwas unspektakulär endet. P.J. Pettiette hätte den Irrsinn ruhig noch zwanzig Minuten länger strecken können. Meinen Segen dazu hätte er gehabt.

"Julia X" hat eine Hochglanzoptik, gute Kameraführung und auch die Splattereffekte (bis auf die Gummi-Füße) gehen in Ordnung.
Es ist wirklich schwer zu beschreiben, warum mir dieser Film so gut gefiel, denn mehr  Edel-Trash mit soviel unlogischem Verhalten habe ich bisjetzt noch nicht gesehen. Quasi  ist  dieser Film so gesehen das genaue Gegenstück zu "Cabin in the Woods". Vielen wird der Film nicht gefallen, gerade dann, wenn man jetzt doch diese Review weitergelesen hat, wird er mit Sicherheit nicht mehr diese Wirkung erzielen, da man ja schon vorgewarnt ist, was einen erwarten wird.

Ich halte diesen Schwachsinn für ganz großes Kino und er wird bei dem ein oder anderen Genre-Liebhaber mit Sicherheit punkten können.

8/10

Details
Ähnliche Filme