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Die meisten Kinogänger kannten Leonardo DiCaprio wohl vorrangig aus seinen Hauptrollen in "Titanic" und "Romeo & Julia", was wahrscheinlich hauptsächlich daran Schuld trägt, dass ihm ein gewisses Sunnyboy-Image angehängt wurde, welches er in den letzten Jahren erfolgreich abgelegt hat. Tatsächlich leistete er aber auch schon in der Frühphase seiner Karriere schier gewaltige schauspielerische Kraftakte - ob als geistig behinderter Bruder in "Gilbert Grape - Irgendwo in Iowa" oder als literarisch begabter Ghetto-Junge in "Jim Carroll".

Die auf dem Leben des Autors Jim Carroll basierende Romanverfilmung erzählt vom Niedergang des Teenies, der seinen Traum von einer Basketballkarriere aufgibt, als er heroinsüchtig wird. Gewalt, Armut, Hoffnungslosigkeit, Prostitution und der immer stärkere körperliche Abbau werden in punktgenauen Bildern skizziert und ohne falsche Sentimentalität verfolgt.

Die souveräne Inszenierung erweist sich dabei in den meisten Passagen des Films als kleiner Glücksgriff. Ohne in Betroffenheits-Melodramatik zu münden, zeigt die Kamera das Leben im Ghetto, in dem gewöhnlicher jugendlicher Übermut schon mal in Überfälle und Prügeleien eskalieren kann. Die trotz des Sujets eher heiter gestimmte Atmosphäre zu Beginn des Films vermag dabei die ungebrochene Lebensfreude der jungen Figuren zu symbolisieren, die sich nicht unterkriegen lassen. Umso krasser kommt dann die Kehrtwende: Nachdem die Freunde um Jim den Tod eines guten Kumpels überwunden haben und wieder nach vorne blicken (die Metapher des Basketballspiels im Regen ist hierbei ebenso ausdrucksstark wie klischeehaft), stellt Jim als Erzähler aus dem Off in der nächsten Szene die Frage: "Habe ich Ihnen eigentlich schon erzählt, wie ich das erste Mal Heroin gespritzt habe?" Der Absturz kommt plötzlich und heftig, und die sozialen und psychischen Mechanismen, die dazu führen, werden gekonnt und überzeugend dargestellt.

Trotz des akuten Themas und der starken Inszenierung haben sich dennoch eine Reihe typischer Hollywoodfehler eingeschlichen. Ob Anschlussfehler oder realitätsferne Details - besonders die Szenen, in denen die Polizei auftritt, sind vor lauter Klischeehaftigkeit geradezu unsinnig - immer wieder spürt man, dass man doch nur in einem künstlichen Hollywoodfilm ist. Dazu trägt auch die verkünstelte Studio-Ästhetik mancher Szenen bei.

Insgesamt ist "Jim Carroll" jedoch ein packender und alarmierender, dabei aber nicht moralisierender Beitrag zu brennenden Themen wie Drogensucht, Armut und sozialer Ungerechtigkeit. Die Figuren nur bei ihrem Absturz zu begleiten, ohne je den erhobenen Zeigefinger zu verwenden, erweist sich dabei als größte Stärke. Und dank der literarischen Seite der Hauptfigur eröffnet sich sogar hin und wieder an überraschenden Stellen echte, wehmütige Poesie. Ein gefühlvoller, intensiver und brillant gespielter Film, den man sich auf jeden Fall ansehen sollte!

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