Die Animationsfilme aus dem Hause Disney waren auch immer Visitenkarten des ästhetischen Geschmacks ihrer Zeit, bei denen die Macher in der Regel ein gutes Gefühl dafür entwickelten, wie sie ihr Publikum optisch in den Bann ziehen konnten. "Tangled" (zu deutsch "verwickelt, verwirrt") ist in dieser Hinsicht ein Kind der Gegenwart, mit seiner Kombination aus einem traditionellen Zeichenstil und der 3D-Technik, der hier teilweise wunderschöne Impressionen gelingen, auch weil die Dreidimensionalität sensibel angewendet wird und nicht auf Effekte abzielt.
Angesichts dieser optischen Bemühungen, wirkt der deutsche Titel in seiner rabiaten Offensichtlichkeit kulturlos. Der Verweis auf das Märchen "Rapunzel", dass die Grundlage für die Handlung lieferte, mag noch gerechtfertigt sein, auch die Tatsache, dass es sich um eine Neuinterpretation handelt, sollte man herauslesen können, aber der Begriff "verföhnt", der bei den Erfindern des Titels wahrscheinlich Anlass zum wilden Schenkelklopfen lieferte, vermittelt eine Primitivität, die dem Film nicht gerecht wird.
Auch wenn der Film diverse Actioneinlagen liefert, mit Rapunzels Chamäleon und dem Pferd "Maximus" über originelle Side-Kicks verfügt, und die böse Gothel eher als psychologisch geschickte, nicht unattraktive Manipuliererin gestaltet ist, als als klassische Hexe, ist der Film vor allem die romantische Geschichte von Rapunzel und Flynn, dem Dieb, der eines Tages zufällig ihren Turm ersteigt, in dem Rapunzel bekanntlich dauerhaft zu Hause ist.
Die Gestaltung der Figur des Mädchens namens "Rapunzel" ist die eigentliche Veränderung zum Original und wirkt wie ein Zwitterwesen aus Tradition und Moderne. Hier ist sie die Prinzessin, die ihren Eltern von Gothel weggenommen wurde, weil sie die Haare braucht, um ihre ewige Jugend zu behalten, während Flynn der einfache Mann aus dem Volk ist. Die Haare selbst bekommen deutlich mehr Eigenleben als in ihrer klassischen Verwendung als Strickleiter, und können von Rapunzel im Stil eines Superhelden wie verlängerte Arme verwendet werden. Das gibt ihr Stärke und Überlegenheit und vermittelt auch aktuelles weibliches Selbstbewusstsein, aber gleichzeitig bleibt sie das rehäugige blonde Mädchen, dass die Welt an der Seite eines lieben Mannes kennenlernen will. So entstehen auch nie Zweifel an ihren Gefühlen, sondern nur an seinen.
Das sie, besser ihre Stimme "Mandy Moore", für die meisten Gesangseinlagen sorgt, ist da nur konsequent, wie sich die Disney-Macher hier insgesamt an einem traditionellen Rollenbild in der Beziehung zwischen Mann und Frau orientierten, trotz des schmückenden modern angehauchten Beiwerks. Aber - und das muss man ihnen einfach zugestehen - es funktioniert. Schöne Bilder, abwechselnd schnelle Actionelemente und romantische Momente, ergeben ein Kaleidoskop, dass weniger von seiner Spannung lebt als von der Entwicklung der Beziehung zwischen Rapunzel und Flynn. "Rapunzel" ist eine Mischung aus moderner Technik und traditionellem Animationsfilm, in seiner Storygestaltung fast ein kleiner Anachronismus und eher etwas für romantische Gemüter (8/10).